Zwei strahlende Sterne, die Augen Anitas, schienen ihm leuchtend die Zukunft zu erhellen und so brach Goodloe mit dem treuen Herzen und felsenfesten Vertrauen des Seemanns auf Gott entschlossen mit der Vergangenheit.
Matea Pesquieras Botschaft
Basil ließ seine Blicke ziemlich gleichgültig über die Menge hinschweifen, die in die eleganten Lutetiahallen am Opernplatz flutete, während sein Herz der nahen Zukunft fast hörbar entgegenschlug. Der Wagen flog über den strahlend erleuchteten „Vanity fair“ und hielt vor dem eleganten Hause der Mrs. Delmar auf dem Boulevard Haußmann.
Beim Eintritt drängt sich die Vergangenheit ihm noch einmal mächtig auf. Er glaubt den schlanken „Ranger“, auf dem das Sternenbanner lustig und stolz weht, vor sich zu sehen. Er hört ein Kommando, ist es nicht seine eigene Stimme, die es erteilt? Ganz deutlich glaubt er den donnernden Gruß der Kanonen zu vernehmen, die auf den Forts so ruhig und anmutig hinter Gras und Moos versteckt liegen. Jedes einzelne Gesicht seiner strammen, gebräunten Mannschaft möchte er zeichnen; jetzt taucht ein Dampfer am fernen Horizont auf, sogar den köstlich erfrischenden Salzgeruch eines aus Japan herkommenden Windes glaubt er zu verspüren.
Rasch fährt er mit der Hand über die Augen, das Zauberbild ist verwischt. Die letzte Erinnerung geht in dem Gefühl der Befriedigung und Freude darüber unter, daß gerade sein Freund Harry sein Nachfolger ist. Die Vergangenheit ist versenkt; die Gegenwart umfaßt ihn, umfaßt ihn mit festen Banden und die – Zukunft? Wer hätte wohl je ihren Schleier gelüftet?
Der devote Concierge reißt die Türen weit auf, die goldgestickte blaue Uniform ist ihm wohl bekannt. Lassen sich doch auch andere ihrer jungen Träger gar häufig bei Mrs. Pauline Delmar sehen, um ihre Huldigungen sowohl der Gattin des einflußreichen Kapitäns Delmar, die häufig im Hause ihrer verwitweten Schwägerin weilt, als auch der schönen Miß Anita darzubringen. Die lebhafte französische Phantasie hat sich nicht umsonst mit Anita beschäftigt und deren Besitzungen ins riesenhafte, schier unmögliche vergrößert und in irgendein sagenumwobenes Land verlegt.
Als Goodloe in den großen Salon eintrat, fand er Mrs. Pauline Delmar bereits ungeduldig auf ihn wartend. Die Hand der Dame respektvoll an seine Lippe führend, glitten seine Augen auf die jetzt eintretende Gestalt, die im Augenblick das einzige ist, was für ihn auf der Welt existiert.
„Ich bat meine Schwägerin, sich ein Weilchen Señor Andrès Vargas, dem Boten Matea Pesquieras, zu widmen, bis ich Ihnen die höchst befremdlichen Nachrichten, die der Señor uns überbrachte, mitgeteilt habe.“ Die Witwe wies dabei einladend auf den Sessel an ihrer Seite und fuhr dann fort: „Ihr rasches Erscheinen ist äußerst liebenswürdig, und verpflichtet mich zu größtem Dank, noch dazu, wo mein Schwager, an den ich ebenfalls sofort depeschierte, seine Division im Flottenmanöver augenblicklich nicht verlassen darf.“
„Ich stehe den Damen vollkommen zu Diensten und ersehne die Gelegenheit, meine Bereitwilligkeit beweisen zu können.“
Ich danke Ihnen, und werde Ihnen sofort Matea Pesquieras Brief vorlesen. Es ist freilich nur ein Fragment, da der Schreiber ja nicht alles der Feder anvertrauen durfte. Er fürchtete auch, daß man uns sogar hier mit Spionen umgeben hätte, trotzdem nicht einmal eine mexikanische Gesandtschaft in Paris vertreten ist. Schließlich wäre es ja immerhin möglich, daß man uns überwachte, denn der Einsatz des Streitobjektes, der, wie ich erst heute erfuhr, nach Millionen zählt, wäre wohl der Mühe wert.“
Mrs. Delmar erhob sich und ging ins Nebenzimmer. Ihr nachblickend, konnte Goodloe sich wohl vorstellen, daß ihre unvergleichliche Schönheit einst alle anderen Sterne Louisvilles erbleichen ließ. Die Jahre hatten ihrer herrlichen Figur wohl die volle Reife gebracht, waren aber sonst spurlos an der Witwe des Ingenieurs vorübergegangen. Die Tochter ähnelte der Mutter, mit ihr unterhielt sich der entzückte Goodloe in der beredtsten Augensprache, als die Witwe wieder mit einem Brief in der Hand eintrat, und sich anschickte, ihn vorzulesen:
Guaymas, den 15. März 1881.
Hochverehrte Frau!
Dies Schreiben wird Ihnen durch Señor Andrès Vargas, meinen Milchbruder, überbracht werden. Sein Vater, Colonel Vargas, erster Befehlshaber der Truppen, fiel in einem Gefecht gegen die feindlichen Yaquis. Durch ihn erhielt einst mein Vater die erste Kunde von jenem Schatz, den Ihr Gatte mit seiner Hilfe vor unbefugten, habgierigen Blicken verbarg. Andrès würde ein willkommenes Opfer für Marquez sein, wenn er diesem in die Hände fiele, denn der Tyrann würde kein Mittel scheuen, um ihm das Geheimnis, das doch nur ich kenne, zu entreißen. Er wird Ihnen die wertvollen Depots, von denen ich letzthin schrieb, ausliefern, anbei folgt eine versiegelte Liste. Die eine Hälfte gehört Ihnen, während ich Sie ersuche, die andere Hälfte auf Dolores, meiner Tochter Namen, in der Bank von Frankreich zu hinterlegen. Señor Vargas kennt keine weiteren Details, weder über die Lage der Minen, noch über die Höhe der ihm anvertrauten Summe. Ich habe für alle Fälle einen alles aufklärenden Brief unter Ihrem Namen bei dem Erzbischof von San Franzisko versiegelt niedergelegt; im Falle meines Todes, wird er Ihnen unverzüglich zugestellt werden. Außerdem sandte ich seiner bischöflichen Gnaden, der immer ein treuer, aufrichtiger Freund und Berater meines armen Vaters gewesen ist, Ihr und Ihrer Fräulein Tochter letzte Bilder. Ich rate Ihnen, falls es irgend angängig, sofort herauszukommen. Bei Ihrer Ankunft in Mexiko instruieren Sie sich vorsichtig über alle Begebenheiten in Sonora, hüten Sie sich aber dabei vor dem intriganten mexikanischen Konsul. Meine Stellung ist durch Intrigen in der Hauptstadt selbst sehr gefährdet, und ich kann mich selbst nur durch Vorsicht und Klugheit halten. Ich würde fliehen, wenn ich nicht hierdurch unser ganzes Vermögen verlieren würde, eventuell muß ich mich entschließen, mich in Unterhandlungen mit meinem Todfeind Marquez einzulassen. Sollte ich trotzdem in Gefangenschaft geraten, so versuchen Sie schleunigst mit allen erdenkbaren Mitteln eine Verbindung mit mir herzustellen, und schlimmstenfalls mit Hilfe meines eigenen Kerkermeisters mein Entweichen zu ermöglichen.
In diesem Fall disponieren Sie getrost über mein ganzes Vermögen bei der Bank von Frankreich. Hören sie alles genau an, was Andrès Ihnen erzählen wird und dann überlegen Sie. Andrès darf keinesfalls jetzt zurückkehren, nicht einmal nach San Franzisko, denn er ist dort eine zu bekannte Persönlichkeit, da er im Santa Clara College erzogen wurde. Seine Anstrengungen würden durch Marquez Agenten und Spione vereitelt werden. Sie und Ihr Fräulein Tochter sind jedoch allen hier unbekannt, der größeren Sicherheit wegen würde ich auch noch einen Namenswechsel vorschlagen. Sie gehen, wenn Sie nach Guaymas kommen, einer großen Gefahr entgegen und ich mache mir ernstliche Vorwürfe über diesen Rat, andrerseits entschuldigt aber der Verlust Ihres ganzen Vermögens, der Sie durch meinen Tod treffen würde, meinen Vorschlag. Suchen Sie den Rat und die Hilfe eines klugen, treuen und zuverlässigen Freundes, der in Guaymas ganz fremd sein muß, zu gewinnen. Andrès wird Ihnen die hiesigen Zustände schildern.
Wir haben eine Geheimschrift für Telegramme vereinbart. Wenn man mich einkerkert, so geschieht dies hauptsächlich aus Furcht, daß ich eine organisierte, wohlbewaffnete Revolution in Szene setzen könnte, ich kenne trotzdem kein persönliches Angstgefühl, aber unser beiderseitiges Vermögen wäre unrettbar verloren. Seien Sie klug und vorsichtig und prüfen Sie vor allem den Mann ganz genau, dem Sie sich anvertrauen und verlangen Sie unbedingte Ergebenheit und absolutes Stillschweigen!
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