Überraschung flammte in des struppigen Ungeheuers Augen auf.
Akut bin ich, kam die Antwort von drüben.
Wie Tarzan vermutete: Ganz die gleichen ureinfachen Laute, wie die seines alten Stammes, bei dem er die ersten zwanzig Jahre seines Lebens zugebracht! So wenig entwickelt jedes Wort, dass es gar nicht anders sein konnte.
Akut bin ich, sagte der Affe. Molak ist tot, jetzt bin ich der König. Fort mit dir, oder ich werde dich töten.
Du sahst, wie leicht ich Molak tötete, erwiderte Tarzan. Verlangte ich König zu sein, ginge es dir ebenso. Aber der Affen-Tarzan will nicht über den Stamm der Akuts herrschen. Nichts weiter will er als friedlich leben in seinem Lande. Wir wollen Freunde sein. Der Affen-Tarzan kann euch helfen, ihr könnt dem Affen-Tarzan helfen.
Du kannst Akut nicht töten, entgegnete der andere. Niemand ist so groß wie Akut. Hättest du Molak nicht getötet, würde Akut es getan haben, denn Akut war gerüstet, die Macht an sich zu reißen.
Der Affenmensch antwortete hierauf nur mit einem mächtigen Sprung nach dem Gegner, dessen Wachsamkeit während dieses Wortwechsels nachgelassen hatte.
Im Bruchteil eines Augenblicks hatte der Weiße den Riesenaffen am Handgelenk gepackt und, ehe der sich irgendwie zur Wehr setzen konnte, im Wirbel herumgerissen. Sogleich auch schwang er sich auf dessen breiten Nacken und begann ihn am Halse zu würgen.
Und wie er einst Terkop sich für Tod oder Leben entscheiden ließ, so bot Tarzan jetzt Akut die Wahl zwischen Sein oder Nichtsein; denn er fühlte, dass jener ihm vielleicht als mächtiger Verbündeter schließlich einmal nützen könne. Einen anderen Ausweg gab es nicht: Akut in Freundschaft mit ihm oder – tot, genau so ins Jenseits befördert wie er es eben bei seinem bisher unbesiegten König gesehen hatte.
»Ka-goda?« raunte Tarzan dem Affen zu.
Dieselbe Frage hatte er einst an Terkop gerichtet. In der Affensprache bedeutet das so viel wie: Ergibst du dich?
Akut dämmerte auf, wie er vorhin Molaks Wirbel krachen gehört, und ein eisiges Schaudern überlief ihn. Er zögerte noch. Sollte er so auf sein Königsrecht verzichten? Doch alle Befreiungsversuche waren vergeblich. Ein plötzlich verstärkter Druck auf sein Genick zwang das »Ka-goda!« von des zu Tode Gequälten Lippen.
Tarzan lockerte ein wenig die eiserne Klammer. Akut, du sollst König sein, sagte er. Sagte Tarzan dir nicht, dass ihn nicht nach der Königswürde verlangt? So oft nur jemand dein Recht anzutasten sucht: Tarzan wird dir ein Helfer im Streite sein.
Der Affenmensch erhob sich, und Akut kam langsam wieder in die Höhe. Zornig schüttelte er sein Haupt und trottete zu seinen Stammesgenossen. Er musterte einen nach dem anderen, besonders die stärkeren unter ihnen; vielleicht, dass er auch dort einen Rivalen fürchtete?
Aber keiner rührte sich, sie wichen ihm förmlich aus und verschwanden fast augenblicklich in der Richtung, aus der sie gekommen, zurück in den Dschungel … Und Tarzan war wieder allein am Strande.
Die Wunden, die Molak ihm geschlagen, schmerzten wohl etwas, doch was kümmerte ihn das? Gelassen und tapfer ertrug er es, wie die wilden Tiere auch. Die hatten ihn gelehrt, im Dschungel so zu leben, wie es alle taten, die dort ihre Heimat hatten.
Vor allem brauchte er jetzt freilich Waffen zu Angriff und Abwehr; das war ihm klar. Genugsam war er gewarnt: Der Zwischenfall mit den Affen und das wilde, wenn auch noch ferne Brüllen Numas, des Löwen, und Sheetas, des Leoparden! Wohlbehagen und bequeme Sicherheit würde es hier fürs erste nicht geben …
Ja, das war einfach Rückkehr zu seinem alten Leben, zu immer neuen Gefahren, zu Jagen und Gejagtwerden. Furchtbare Tiere würden sich an ihn heranschleichen, ganz wie damals, und niemals – nicht bei hellichtem Tage noch in stockdunklen Nächten – würde er jene einfachen Waffen beiseitelegen können, die er sich jetzt wieder mit bloßer Hand aus dem, was die Natur zu bieten hatte, zurechtbasteln musste. Am Strande stieß er auf ein halbverwittertes brüchiges Felsstück; unter unsäglichen Mühen und nach vielen Fehlschlägen gelang es ihm, ein schmales Stück gleichsam herabzusplittern: Etwa fünfundzwanzig Zentimeter lang war es und dabei nur etwa dreiviertel Zentimeter im Durchmesser. Nach dem einen Ende zu verjüngte es sich fast zu einer richtigen Spitze: kein Zweifel, er hatte ein Ding, das die Dienste eines Messers versehen konnte. Nun ging’s auf die Suche in den Dschungel. Da war ein Hartholzbaum irgendwo vom Sturme zu Fall gebracht! Ein schmaler, gutgewachsener Ast wurde mit der leider recht stumpfen Waffe abgesägt. Dann bohrte er ein enges rundes Loch in den Stamm des Waldriesen und stopfte trockene Borkensplitter hinein. Rittlings auf dem Stamme sitzend, führte er nun seinen Stab mit der Spitze in die Höhlung und drehte ihn in raschem Wirbel zwischen den dicht und doch lose angelegten Handflächen hin und her.
Nicht lange, da ringelte leichter blauer Rauch aus dem Zunder hervor, und einen Augenblick später schon loderte ein helles Flämmchen. Ein paar Zweige und dürre Äste nährten das Feuer, und bald sah Tarzan, wie es sich in des Baumes morscher Höhle immer mehr entfaltete.
In diesen Flammen ließ er von seiner Messerklinge, die er hin und wieder befeuchtete, kleine Teile absplittern.
Auf solche Weise wollte er seinem allzu unfertigen Jagdmesser eine einigermaßen scharfe Schneide geben. Nicht auf einmal würde ihm dies Kunststück gelingen, das wusste er, und so war er heilfroh, als er endlich wenigstens eine scharfe Schneidefläche von etwa zehn Zentimeter Länge geschaffen hatte. Nun konnte er das Messer besser brauchen und schnitt sich damit denn auch gleich einen langen elastischen Bogen, einen Messergriff, einen handfesten Knüttel und viele Pfeile zurecht.
In den Zweigen eines mächtigen Baumes, der in der Nähe eines kleinen Flusses gen Himmel ragte, barg er dies alles und richtete sich dort oben ein von Palmenblättern überdachtes Lager her.
Schon krochen die Schatten der Dämmerung herauf. Tarzan verspürte heftigen Hunger.
Während eines kurzen Abstechers über den Fluss entdeckte er in einiger Entfernung von seinem Baume eine Tränke, wo sich – nach den Fußspuren im schlammigen Boden zu urteilen – eine Fülle der verschiedensten Tiere regelmäßig tummelten. Dorthin trieb der Hunger den Affenmenschen.
Er schwang sich leicht und behände wie ein Äffchen durch die Baumkronen, und, so schwer auch alles, was er in den letzten Tagen und Wochen erlebt, auf seinem Inneren lastete, er empfand es doch als ein Glück, der alten Freiheit seiner Jugendjahre wiedergegeben zu sein. Augenblicklich verfiel er wieder in die tausenderlei kleinen Gewohnheiten zurück, die wohl in Wirklichkeit mehr ein Teil seiner selbst waren als jene dünne Tünche, die wenige Jahre der Zivilisation und Gemeinschaft mit der weißen Welt über ihn gezogen hatten. Ja, ein dünner Anstrich war es wohl nur gewesen, der die Ecken und Kanten dieses Tiermenschen, der sich Affen-Tarzan nannte, überdeckt hatte.
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