Edgar Burroughs - Tarzans Sohn

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Der vierte Band der Tarzan-Reihe: Tarzans Sohn.
Nach dem Trauma der Entführungen hat Jane sich geweigert, nach Afrika zurückzukehren oder ihrem Sohn Jack zu erlauben, etwas über die Vergangenheit seines Vaters Tarzan zu erfahren. Als in einer Wanderaustellung Tarzans alter Freund, der Affe Akut, gezeigt wird, befreit Jack Akut und bringt ihn zurück in den Dschungel. Wie Tarzan vor ihm lernt nun Jack das Überleben in der Wildnis.

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LUNATA

Tarzans Sohn

Tarzans Sohn

Band 4

© 1924 Edgar Rice Burroughs

Originaltitel The Son of Tarzan

Aus dem Englischen von Tony Kellen

Umschlagbild James Allen St. John

© Lunata Berlin 2021

Inhalt

Ein Riesenaffe reist nach London

Ajax, der dressierte Affe

Pawlowitschs Ende

Eine tolle Fahrt

Die kleine braune Meriem

Erste Dschungeltaten

Der »elfte« Löwe

Korak, der »Töter«

Kameraden

Mangani, Manus und die bunten Vögel

Dieser da ist euer neuer König

Die Tierfalle

Meriem bekommt neue Herren

»Bwana« und seine Farm

Das Heer der Paviane

Die Jagd

Der »Mann von Welt« in Afrika

Tantor schreitet durch die Waldnacht

Korak, der Einsame

Der Ritt ins Unbekannte

Zu spät

Das tote Dorf

Abdul Kamak, der Sohn der Wüste

Tantor hält Abrechnung

Die schaurige Nacht

Tarzan ist wieder da!

Ein Riesenaffe reist nach London

Ein Boot der »Marjorie W.« trieb zur Zeit der Ebbe den breiten Ugambi mit der Strömung hinab; es war der Bemannung anzusehen, daß sie sich freute, die harte Ruderarbeit der Stromaufwärtsfahrt hinter sich zu haben, und jeder machte es sich, so gut es ging, bequem. Man war ja noch etwa drei Meilen von der »Marjorie W.« entfernt, die allerdings sofort in See gehen sollte, sowie sie das lange Boot samt seinen Insassen an Bord hatte.

Als so jeder seinen Gedanken nachhing oder sich mit seinen Kameraden mehr oder weniger angeregt unterhielt, wurde plötzlich die Aufmerksamkeit aller nach dem Nordufer des Stromes gelenkt: Dort stand jemand ... War es ein Mensch? Weit ausgestreckt die dürren, abgemagerten Arme ... und dazu die bettelnden Rufe in höchsten Fisteltönen!

Was will der eigentlich? stieß einer der Matrosen hervor.

Es ist ein Weißer! brummte der Steuermann vor sich hin. Dann kommandierte er: Alle Mann an die Ruder! Wollen gerade auf ihn zu halten und sehen, was mit ihm los ist, fügte er noch hinzu.

Beim Näherkommen erkannten sie in der Gestalt deutlich das klägliche Zerrbild eines Menschen. Ein paar armselige weiße Locken deckten wirr und kraus das Haupt, der nackte Körper schien nur Haut und Knochen, und um die schmalen Lenden hing lose ein Leinenfetzen.

Tränen rannen von den eingefallenen und narbenbedeckten Wangen, als der Mann die Ankömmlinge mit fremdem, unbekanntem Gestammel anredete.

Das ist vielleicht ein Russe, meinte der Steuermann. Kannst du Englisch? rief er dem Fremdling zu.

Er verstand die Frage und radebrechte nun langsam und stockend hervor, was er wollte. Es machte den Eindruck, als seien Jahrzehnte verflossen, seit er das letztemal englisch gesprochen hatte, doch ließ sich seinen Worten soviel entnehmen, daß er unter allen Umständen aus diesem »Lande der Schrecken« fortwollte.

Als er an Bord der »Marjorie W.« war, erzählte er seinen Rettern seine ganze Leidensgeschichte, die überall mit lebhafter Anteilnahme aufgenommen wurde. Es war eine ununterbrochene Kette von Entbehrungen, Nöten und Qualen gewesen, die ihn zehn Jahre lang gefesselt hatte. Wie er überhaupt nach Afrika gekommen war, berichtete er ihnen jedoch nicht; er ließ sie bei der Meinung, daß er alles, was sein früheres Leben anging, unter der Einwirkung der schrecklichen Heimsuchungen völlig vergessen hatte, die ihn freilich geistig und körperlich zerrüttet haben mußten. Auch seinen wirklichen Namen nannte er ihnen nicht, und so kannten sie ihn nur als Michael Sabrov. Und tatsächlich war auch nichts, was beim Anblick dieses bedauernswerten Menschenwracks an die stattliche Erscheinung des Schurken Alexei Pawlowitsch von einst erinnert hätte.

Zehn Jahre waren verflossen, seit der Russe dem Schicksal, das seinen Freund, den Bösewicht Rokoff, ereilt, entgangen war. Nicht nur einmal, nein, unzählige Male hatte Pawlowitsch in diesen zehn Jahren das Schicksal verwünscht, das Nikolaus Rokoff den Tod und damit die Befreiung von allen Leiden gewährt, während es ihm die schrecklichsten Schrecken eines Lebens zumaß, das wahrlich schlimmer als der Tod war, den es ihm hartnäckig immer und immer wieder versagte. Pawlowitsch hatte sich in die Dschungel davongemacht, sowie er Tarzans Tieren mit ihrem wilden Herrn und Gebieter an Bord der »Kincaid« den letzten Streich gespielt hatte. In seiner Angst, daß Tarzan ihn doch noch verfolgen und gefangennehmen könnte, hatte er sich in die Tiefen der Dschungel geflüchtet und war so schließlich in die Hände eines grausamen Kannibalenstammes gefallen, der Rokoffs Schandtaten noch sehr in Erinnerung hatte. Zehn Jahre lang hatte er dann die Zielscheibe aller Rachegelüste dieser Wilden sein müssen, Weiber und Kinder hatten ihn geschlagen und mit Steinen nach ihm geworfen, und die Männer waren nur zu oft mit Messern und Knüppeln über ihn hergefallen. Ein bösartiges Fieber nach dem anderen hatte sich ihn zu seinem Opfer auserkoren – und doch starb er nicht, auch als die Blattern ihn mit furchtbaren Krallen umklammerten.

Unter diesen Martern und dank den »Liebenswürdigkeiten« des Kannibalenstammes wandelte sich das Äußere Alexei Pawlowitschs derart, daß selbst seine eigene Mutter in diesem vernarbten Gesicht kaum einen einzigen vertrauten Zug entdeckt haben würde. Von dem dichten, schwarzen Haar, das einst sein Haupt deckte, waren nur ein paar spärliche, schmutzigweiße Strähnen geblieben, seine Glieder waren krumm und verwachsen; schwerfällig und schwankend schleppte er sich mit vorgeneigtem Oberkörper dahin. Von Zähnen war nichts mehr zu sehen; die hatten ihm seine wilden Peiniger einfach herausgeschlagen. Und selbst das, was er an geistigen Kräften sein eigen genannt hatte, war jetzt nur noch ein Zerrbild von dem, was es einst gewesen.

Sie hatten ihn also mit an Bord der »Marjorie W.« genommen und dort für Nahrung und gute Pflege gesorgt. Gewiß, er kräftigte sich ein wenig, aber ihm war fast nichts davon anzusehen. Als das Wrack eines Menschen, zerschlagen und halbzerborsten, hatten sie ihn gefunden – und das Wrack eines Menschen, zerschlagen und halbzerborsten, würde er auch bleiben, bis der Tod ihn einmal zu sich rief. Alexei Pawlowitsch war noch in den vierziger Jahren, und doch hätte man ihn leicht für einen Achtziger gehalten. Die unergründliche Natur hatte dem bloßen Helfershelfer schwerere Strafen auferlegt, als der Führer und Anstifter auf sich nehmen mußte.

Keinerlei Rachegedanken durchwühlten das Hirn dieses Alexei Pawlowitsch mehr, aber er grollte doch dem Manne, den er und Rokoff nicht hatten zerschmettern können. Groll empfand er auch, wenn er an Rokoff dachte, denn Rokoff hatte ihn mit sich in dieses Schreckensreich hineingerissen, dessen Qualen er nun bis zur Neige ausgekostet hatte. Er grollte auch der Polizei einiger Städte, aus denen er hatte fliehen müssen, er haßte die Gesetze, die Ordnung, er haßte alles. So lange er wach war, wogten krankhafte Haßgedanken durch sein Inneres, sie ließen ihn kaum eine Sekunde los; es war, als habe sich sein abschreckendes Äußere mit diesem seinem Inneren zu einer Verkörperung blinden Hasses vereint.

Den Matrosen, die ihn vor dem völligen Untergang gerettet hatten, trat er kaum näher. Zum Arbeiten war er zu schwach, er war auch viel zu griesgrämig, um ein guter Gesellschafter zu sein. Man ließ ihn bald allein; er mochte sich mit sich selbst beschäftigen.

Die »Marjorie W.« war seinerzeit von einer Vereinigung wohlhabender Fabrikanten gechartert worden; man hatte auf ihr ein Laboratorium eingerichtet und ihr einen Stab von Gelehrten mitgegeben, die nach einem Rohstoff suchen sollten, den die Unternehmer der Expedition bisher unter ungeheurem Kostenaufwand aus Südamerika einführen mußten. Um was für einen Rohstoff es sich handelte, war allein den Gelehrten an Bord der »Marjorie W.« bekannt. Für uns hat dies nur insofern Bedeutung, als der weitere Verlauf der Forschungsreise das Schiff, nachdem man Pawlowitsch an Bord genommen, nach einer Insel in der Nähe der afrikanischen Küste führte.

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