Der Gutsherr lächelte. „Philipp bekommt sechzigtausend Dollar, das ist ein Vermögen, von dessen Zinsen er leben kann. Seven-Oaks dagegen bleibt dein, unter Brüdern wäre es schon seine halbe Million wert, aber wenn die Konföderierten den Sieg behalten und das Land im Preise steigt, so kannst du getrost noch hunderttausend hinzurechnen.“
Lionel schüttelte den Kopf. „Philipp würde mich nicht mehr liebhaben!“ sagte er. „Onkel Charles, bitte, vermache uns beiden die Farm, ihm und mir, wie es geschehen würde, wenn wir z. B. Brüder und deine eigenen Söhne wären.“
Mr. Trevor hob die Hand. „Dein Vorschlag zeugt von einem grossmütigen Herzen, mein guter Junge, er macht dir alle Ehre, aber zwei Gebieter für dasselbe Eigentum — nein, nein, das geht nicht, Lionel. Philipp würde überhaupt gar nicht dauernd auf dem Lande leben wollen, und endlich ist auch mein Testament in aller Form Rechtens vorhanden, — eben daher bin ich ja heute abend so unruhig. Mr. Mason, der Notar, ist als Offizier in den Krieg gezogen, die beiden Zeugen gleichfalls; vielleicht kommt keiner von ihnen jemals zurück.“
„Und darüber wolltest du dir heute schon Sorgen machen, Onkel Charles? Du, der noch dreissig und mehr Lebensjahre vor sich hat?“
Mr. Trevor schüttelte den Kopf. „Niemand kennt die Stunde, in welcher er abberufen wird,“ versetzte er in ruhigem Tone. „Und nun höre, was ich dir sagen will, mein Junge! Das Testament ist in meinen Händen geblieben, anstatt bei dem Friedensrichter niedergelegt zu werden, Mr. Mason hielt es so für besser, weil die Freibriefe sämtlicher Sklaven mit darin enthalten sind, — etwas, das in unseren Tagen böses Blut machen könnte. Sobald ich gestorben bin, muss das Dokument den Behörden vorgelegt werden, es darf um keinen Preis in eine andere als nur deine Hand gelangen, mein Junge! Darum sollst du erfahren, an welchem Orte ich es geborgen habe. Vorher versprich mir, keinem Menschen von dem, was ich dir jetzt sagen werde, eine Mitteilung zu machen!“
Lionel reichte ihm stumm die Hand, er war unfähig zu sprechen.
M. Trevor hob den Kopf. Ehe er dem Knaben an seiner Seite die bedeutungsschwere Mitteilung machte, beugte er sich ein wenig nach links hinüber, um in Manfreds blasses Gesicht zu sehen. Schlief der Mann mit dem ruhelosen Blick und dem scheuen, sonderbar verstörten Wesen?
Eine Sekunde nur, dann wandte sich der Gutsherr plötzlich ab. Mr. Manfred Trevor, sein Vetter, lag ohne Bewegung, wie ein Mensch, der fest schläft, aber dennoch war diese äussere Ruhe nur Schein, die Augen standen weit offen, und unversehens, ganz unerwartet hatte Charles Trevor ihren glühenden, leidenschaftlich erregten Blick aufgefangen. Zwar fielen die Wimpern augenblicklich herab, aber trotzdem wusste der Gutsherr, dass sein Vetter sich jedes gesprochenen Wortes erinnern würde, dass er auch jetzt noch unter der Maske des Schlafenden angestrengt lauschte, — ein unangenehmes Gefühl durchfröstelte sein Herz.
„Jetzt nicht,“ flüsterte er in das Ohr seines Pflegesohnes. „Schlafe, Lionel, schlafe, — wir sprechen uns morgen.“
Noch stand die Sonne nicht völlig am Himmel, der Tau lag auf den Grasspitzen, die Blumen schimmerten wie mit einem Silberschleier bedeckt; es war ein warmer, herrlicher Morgen, kirchenstill dehnte sich der Wald, nur leises Vogelsingen klang zuweilen durch die grüne Wildnis.
Jack Peppers ordnete den Vormarsch der Treiber, die das Unterholz von allen Seiten durchstreifen und so das kostbare Wild zwingen sollten, im dichten Schilf eines Sees Schutz zu suchen.
„Wie ist die Gegend beschaffen?“ fragte Mr. Manfred Trevor. „Eine offene Fläche?“
„Ein See, der in einen Sumpf ausläuft, Sir, dahinter die Gebirgskette. Ich bin überzeugt, dass uns die Katze nicht entkommen kann.“
Manfred hielt sich ständig an seines Vetters Seite, er verliess ihn keinen Augenblick, er machte es ihm ganz unmöglich, dem Knaben unbemerkt auch nur ein einziges Wort zuzuflüstern. Lionel dachte nicht mehr an die Unterredung dieser Nacht, er kümmerte sich wenig um Geld oder Erbschaft, sein Auge blitzte hell und fröhlich.
Eine Stunde weit führte der Weg durch den Wald, dann wurde das Unterholz seltener, und endlich schimmerte ein Wasserstreif in der Ferne den Jägern entgegen. Wie ein Keil, spitz und langgestreckt, bohrte sich ein Ausläufer des Sees in das Holz hinein, zu beiden Seiten mit hohem Schilf bewachsen.
Jetzt schienen die Hunde unruhig zu werden, sie schnupperten am Boden, ihr Haar sträubte sich, nur die gehorsamen Tiere des. Trappers waren noch zum Vorgehen zu bewegen, während die beiden Rüden des Gutsherrn winselnd zu den Füssen ihres Gebieters um Schutz zu bitten schienen.
Jack Peppers stand still. „Irgendwo im Schilf lauert die Bestie,“ sagte er leise. „Wir müssen uns jetzt trennen, so dass beide Ufer des Wasserarmes besetzt sind. Ich bleibe hier vorn, meine Hunde sollen die Unze heraustreiben.“
Er deutete mit der Hand die Richtung an, — leise schleichend suchten die beiden Männer in Begleitung der Knaben jeder für sich hinter einem dicken Stamm Deckung, und nun begann der Trapper die Hunde in Bewegung zu setzen. „Vorwärts, Happy, mein gutes Tier! Vorwärts, Carry! Sucht die Katze!“
Er selbst hatte das Gewehr an einen Baumstamm gelehnt und dafür vom Gürtel eine schwere Keule aus Eichenholz gelöst. Den Arm mit einem Schaffell umwickelt, stand er da wie ein römischer Fechter der Vorzeit, vollkommen ruhig, bereit, dem gefürchteten Raubtier entgegenzugehen.
Die Hunde drangen in die dichten Schilfmassen hinein, sie suchten mit gesenkten Schnauzen und schienen nach kurzer Frist die Spur gefunden zu haben. Ein wütendes Bellen verriet, dass ihr Todfeind entdeckt war.
Geier kreischten und flogen durcheinander, Hunderte ihrer hässlichen Sippe erschienen zugleich, ein wirres Flügelschlagen und Lärmen begleitete einen Chorus anderer Stimmen, die sich aus der Mitte des Schilfmeeres erhoben. Von rechts und links stürzte aufgeschreckt, in voller Todesangst, ein Rudel Wasserschweine kopfüber in die stille Flut, während aus dem grünen Rahmen derselben ein dicker, plumper Kopf mit glühenden Raubtieraugen zum Vorschein kam. Ein langer Schweif peitschte wütend die Halme, dass sie nach allen Seiten flogen, ein Brüllen erscholl gleich fernem Donner. Der schwarze Kopf sah nach vorn, als suche er den Angreifer, das riesige, einem Königstier an Grösse gleichkommende Tier stand aufrecht in seiner vollen Höhe und schlug herausfordernd mit den Pranken in die Luft, während von allen Seiten die Geier in ganzen Wolken herbeiflogen, um den Körper eines getöteten Wildschweines, das vor den Füssen des Jaguars im Schilf lag, mit ihren scharfen Schnäbeln zu zerhacken und als gute Beute an sich zu reissen.
Wenigstens zehn Schüsse fielen zugleich. Das Tier sprang hoch empor und sank auf alle vier Füsse zurück, es brüllte vor Wut und Schmerz, blutiger Schaum stand vor dem Maule, die Rückenhaare waren gesträubt, die Haltung geduckt, wie zum Sprunge. Noch im Todeskampfe schien es den einzig sichtbaren Angreifer, den Trapper, überfallen zu wollen.
Jack Peppers stand unbeweglich. Die Keule hielt er etwa in der Höhe seiner Augen, die Blicke waren fest auf das brüllende Raubtier gerichtet. Carry und Happy bellten immerfort um die Wette, — es schien, als dränge sich die Entscheidung des ganzen Unternehmens zusammen in diese eine Minute.
Dann wagte der Jaguar den Sprung, welcher ihm so oftmals zum Siege, zur reichen Beute verholfen hatte; er setzte an, um im Fluge den Trapper zu packen und zu Boden zu reissen. Ein breiter Blutstrom drang aus seiner rechten Seite hervor, die grosse Gestalt schien zu wanken, zu taumeln, sie berührte in einigen Fuss Entfernung vor dem kühnen Jäger den Boden, und nun war, ihr Schicksal besiegelt. Ein wuchtiger Hieb mit der Keule — und das Tier brach zusammen.
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