Rudolf Stratz - Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525

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"Der gemeine Mann ist aufgestanden in deutschen Landen. Allerorten im heiligen Reiche hängt der arme Konrad am Glockenstrang und läutet Sturm, reckt seinen Bundschuh an langer Stange auf und läßt das Zieroldgeschrei dahinfahren." Der «Armer Konrad» war ein Bündnis des «Gemeinen Mannes», vor allen von Bürgern, Bauern und Teilen des Klerus, das ab 1514 im Herzogtum Württemberg gegen eine Politik der Obrigkeit aufbegehrte, die eine brutale Umverteilungspolitik zulasten der kleinen Leute betrieb. Rudolph Stratz' kenntnisreicher historischer Roman aus den Zeiten des süddeutschen Bauernkriegs verfolgt, eng an den tatsächlichen Ereignissen der Zeit, etwa um den Odenwälder Haufen und die «Weinsberger Bluttat», orientiert die Geschichte des Felix Trugenhoffen, der an der Seite so berühmter historischer Gestalten wie Florian Geyer und Götz von Berlichingen kämpft. Dabei wird er auch zum Beschützer der jungen Madlene, die im Kriegstrubel ihren Mann Wolfgremlich verliert. Darüber hinaus ist der Roman ein großartiger Abgesang auf das untergehende Rittertum. «Die Ritterschaft ist tot. Jahrhundertelang hat sie geblüht und Deutschland überschattet und noch einmal in unseren Tagen fröhlich gesproßt, wie eine alte Eiche die letzten Frühlingszweige treibt. Ich seh' die Eiche fallen und Deutschland mit ihr, der Fürsten, Pfaffen und Franzosen Raub.»-

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Rudolf Stratz

Der arme Konrad

Roman

aus dem grossen Bauernkrieg von 1525

Saga

Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525

© 1914 Rudolf Stratz

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711506974

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com– a part of Egmont, www.egmont.com

1

Da, wo in winterwelkem Dickicht die Waldecke bis an die Hochstrasse vortrat, stürzten sich, aus ihrem Versteck herausfahrend, die Wölfe unter die Herde.

Fünf graue, blitzschnell in heiserem Belfern dahinfahrende Schatten, vor ihnen, wirr auseinander stiebend, das Gestrudel weissgelber, zottiger Schafpelze, deren fünf fast im selben Augenblick schon hilflos unter den Zähnen der Räuber zappelten.

Angstvoll kläffend, mit eingezogenem Schwanz, stand abseits der Schäferhund. Sein Herr, der greise, in Wald und Heide vertrocknete Hirte, war geflohen, dem Hügel zu, wo auf angstvoll schnarchenden und tanzenden Rossen die Edlen mit ihrem Gefolge hielten.

Ganz vorn ein kleiner, stämmiger Herr, verwegene Kampflust auf dem derben, vollbärtigen Antlitz, über das ein paar mächtige Augen trotzig und streitlustig wie die eines Bergstiers hinflammten. Daneben ein langer, hagerer Geselle mit dunklem Schnauzbart in dem gebräunten Raubvogelgesicht.

Hinter ihnen die Knappen, wildes, narbengeziertes Volk aus aller Herren Ländern in zerbeultem Eisenkleid, dem man Wind und Wetter und Nachtlager im Walde von weitem ansah.

„Helft, liebe Herren — helft!“ schrie der Hirte im Heranlaufen.

Die Reiter hörten ihn nicht. Auf den scheuenden Gäulen hin und her geworfen, folgten sie johlend und jubelnd mit den Augen dem Einbruch der Wölfe.

In einer Reihe hintereinander zogen die jetzt wieder dem Walde zu, ein jeder seine Beute im Maule mit sich zerrend, ohne sich um den Lärm zu kümmern.

„Helft, lieber Herr — helft!“ flehte der Hirte noch einmal und fasste, sich an das Pferd des blondbärtigen Ritters drängend, dessen rechte eisengepanzerte Hand, die starr und kalt wie von Stein auf dem Sattelknopf ruhte.

Der Ritter stiess ihn zurück und winkte, die Hand erhebend, dankbar den Wölfen nach. Übermütige Freude glänzte auf seinem Gesicht. „Glück zu, ihr lieben Gesellen!“ jauchzte seine Donnerstimme — „Glück zu allerwege!“

„Glück zu!“ schrieen hinter ihm die Knechte und hämmerten misstönend mit den Schwertscheiden gegen die Schilde. Und auf jedem dieser Schilde — der zurückspringende Hirte sah es erst jetzt — glänzte buntgemalt das Wappen des kleinen, breitschultrigen Edlen da vorn: der reissende Wolf, der eilfertig mit dem Lamm im Rachen abseits trabt!

„Wahrlich, Selbitz, das heisst ein gutes Zeichen!“ frohlockte der Ritter — „nichts Lieberes konnt’ mir diesen Abend werden —“ und sich zum Schäfer wendend, fuhr er fort: „Wes ist die Herde?“

„Dem hochwürdigen Abte zu Lorsch!“ erwiderte der Alte, und ein neuer Jubel brach in der Schar der Reiter los.

„Dem Pfaffen beim Weschnitztal?“ Der Ritter lachte herzlich. „Grüsse die Mönche von mir! Sprich: Es ist an dem, dass die schwarzen, die braunen und weissen Schafe geschoren werden! Der gemeine Mann ist aufgestanden in deutschen Landen. Allerorten im heiligen Reiche hängt der arme Konrad am Glockenstrang und läutet Sturm, reckt seinen Bundschuh an langer Stange auf und lässt das Zieroldgeschrei dahinfahren. Ist’s so oder nicht?“

„Ja, Herr!“ sprach der Schäfer finster. „Ich bin ein alter Mann und versteh’ das neue Wesen nicht! Aber es ist auf dem ganzen Odenwald eine Rottierung von Sturmhaufen, gleichwie wann die Bienen stossen. Und tun die Bauern ganz freudig — lassen sich hören, sie wollten den Pfalzgraf samt Bischöfen und Fürsten und wer ihnen mit reisigen Zügen beikäme, stracks erwürgen.“

Der Reitersmann ob ihm schlug lachend mit der Eisenfaust an sein Schwert und spornte das Ross zum Weitertraben. „Jetzt heisst’s, sich in die Händel schicken! Ein Frommer vom Adel wischt nicht leicht unters Eis, solange ihm das Schwert zuhanden ist. Aber den Fürsten und Pfaffen soll die Weile nicht lang werden, wann ihnen die Bauern durch die Häuser laufen und ihren Mutwillen treiben!“ Und noch einmal im Galopp sich im Sattel umwendend rief er zurück: „Die Zeiten begeben sich geschwinde! Jetzt sind die Wölf’ im Lande Meister! Und was nicht reissen und beissen kann, selbes muss Wolle lassen! Das melde dem Hochwürdigen in Lorsch! Solch neue und heftige Zeitung schickt ihm der Pfaff’ und Fürsten Freund — der Götz von Berlichingen auf dem Hornberg! — — —“

Gewaltig klangen und klagten, indes die Reisigen weiter über die Hochstrasse dahinritten, von allüberallher die Glocken. Wenn der Frühlingssturm einen Augenblick damit einhielt, durch die schauernden Tannenwipfel zu rauschen, dann tönte es in wildem, eilfertigem Gebimmel durch die Luft. In blechernen Klängen hallte es von den Dorfkirchen und in das zornige Gezeter zitterte angstvoll aus weltverlorenen Klöstern und hochgelegenen Schlosskapellen wie ein letzter Hilferuf das Abendläuten der untergehenden Sonne nach, während von dem fernen Heidelberg dumpf dröhnende Turmschläge herüberhallten.

„Die Bauern läuten einen bösen Sonntag ein,“ murmelte Hans Selbitz, „und ich vermeine: es wird ihnen diesmal besser glücken, als wie sie vor Jahren den Bundschuh aufwarfen und den armen Konz!“

„Lieber,“ sprach der Götz ehrlich, „wahr ist’s: Es schweisst den Bauern der Zahn gewaltig nach der Beute! Aber ich bang’ mich vor ihnen nicht! Ist ein leichtfertig und ungeschickt Volk und läuft vor einem mannlichen Ritterzug als der Has’ vor den Rüden.“

„Und doch heisst’s,“ meinte der Selbitz nachdenklich:

„Kein Messer niemals härter schiert,

Denn wann der Pauer Meister wird!“

„Ei — es soll auch scheren!“ lachte der Götz. „Aber nicht uns, Lieber — die Armen und Frommen vom Adel, die’s mit den Bauern halten — sondern die grossen Hansen, die Fürsten und Bischöfe. Wahrlich, die haben uns trefflich genug geschabt und gezwackt die Zeit — mögen nun zusehen, wie sie ohne den freien Ritter die aufrührerischen Gesellen bestehen!“

„Und ich mein’ doch,“ erwiderte der Selbitz hartnäckig, „wenn der gemeine Mann also überhand nimmt, so zahlen die Pfaffen die Morgensuppe, die Fürsten den Mittag und wir vom christlichen Adel das Nachtmahl —“

Der Götz war nachdenklich geworden und erwiderte nichts. Schweigend trabten sie weiter.

Auf der einsamen Hochstrasse kam ihnen, in seinen dunklen Wettermantel gewickelt, auf abgezehrtem, müde stolperndem Rosse, ein Reitersmann entgegen. Ihm folgten keine Knappen. Nur ein halbwüchsiger Bube lief nebenher und schleppte Schild und Lanze. Das Kleid des fahrenden Gesellen war von Regengüssen vergilbt, von Dornen zerfetzt, und wenn der Wind es lüftete, glänzte verrostet und zerschrammt der geringe Harnisch. Ein Eisentopf ohne Federn und Zierat bedeckte sein Haupt. Darunter fielen lange schwarze Haarsträhnen auf das bartlose, hagere Gesicht. Wind und Wetter hatten dies trotzige Antlitz gebräunt, Not, Kampf und Leidenschaft tiefere Furchen darin gezogen, als den dreissig Jahren des Fremden anstand, und düster schauten aus ihm die dunklen Augen in die Weite.

Der Berlichinger schirmte im Näherreiten mit der Hand die Wimpern, als wollte er dem Bilde nicht trauen. „Ist er’s, Selbitz?“ sprach er zweifelnd. „Oder blendet mich die Sonne, dass ich da einen, der in des Pfalzgrafen Acht und Bann ist, mit leiblichen Augen nach Heidelberg reiten seh’?“

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