Rudolf Stratz - Der Fluch des Pharao

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Alle drei Jahre fährt der Ägyptologe Dr. Philipp Bechtold zu Forschungszwecken als Privatgelehrter nach Ägypten. Immer mit dabei seine Frau und sein Berliner Faktotum Emil. Doch der diesjährige Aufenthalt scheint spannend zu werden. Ein deutschamerikanischer Millionär hält sich zur gleichen Zeit wie die Bechtolds im Tal der Könige auf. Er möchte als Erster das immer noch nicht entdeckte Grab des Pharao Scheschonk finden und öffnen. Die Expedition hat sich in Europa schon herumgesprochen. Selbst der Journalist Arthur Nothombs ist dem schwerreichen Ehepaar Sanders hinterhergereist. Und noch jemand hat seine Reiseroute geändert. Die bekannte Theosophin Jane Adams warnt eindringlich, die Totenruhe des Pharao zu stören. Doch Dr. Sanders lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen laden er und seine Frau zur Unterhaltung der europäischen Gesellschaft zu einem Kostümball ein. Als Nofretete bestimmt er die junge Reisebegleitung von Mrs. Adams, Sabine Ritter, während seine Frau fern jeder Eifersucht sich prächtig als Nilpferd amüsiert. Plötzlich erscheint ein verhutzeltes Männchen auf dem Fest und behauptet, die Mumie von Scheschonk zu sein. Seine Todesdrohungen ängstigen Sanders nicht. Aber es wird nicht die einzige Warnung bleiben. Und dann gibt es die ersten, mysteriösen Todesfälle.-

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Rudolf Stratz

Der Fluch des Pharao

Saga

Der Fluch des Pharao Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1935, 2019 Rudolf Stratz und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711507384

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

1

Vorbericht des Privatgelehrten Dr. Philipp Bechtold

Ich habe diesen letzten Winter wieder einmal, mit meinen Forschungen beschäftigt, in Ägypten verbracht. Ich tue es alle drei Jahre. Ich kann es tun. Ich bin Privatgelehrter. Ich bin Herr meiner Zeit und meiner Tätigkeit, an keinen Lehrstuhl in Deutschland und an keinen Lehrauftrag gebunden. Ich hätte mich seinerzeit, vor einem Vierteljahrhundert — jetzt zähle ich schon an die Fünfzig —, gern an einer Universität habilitiert. Aber ich fühlte selbst zu gut: ich besitze nicht die Gabe und die Geduld, vom Katheder zu dozieren. Ich bin für die Erforschung des Wissens, nicht für die Weitergabe des Wissens veranlagt und geniesse in ersterer Hinsicht Gott sei Dank einen guten Ruf in der internationalen Gelehrtenwelt.

So habe ich mit meiner getreuen Gehilfin und Begleiterin auf so mancher Reise in das Pharaonenland, meiner lieben Frau Wilburg, und mit meinem langjährigen Faktotum Emil Krause aus Berlin für diesmal mein Hauptquartier in Luxor aufgeschlagen und mich ungesäumt an die Arbeit gemacht.

Freilich: meine privaten Mittel sind bescheiden. Ich kann keine grossen Sprünge machen wie der Lord Carnavon. Ich kann nicht im Tal der Könige das Unterste zuoberst kehren, so gerne ich es auch täte. Ich kann nur einen winzigen Bruchteil des unermesslichen Totenfeldes beackern, das das Pharaonenland heisst, und habe mich für meinen nunmehrigen Aufenthalt auf die Aufhellung einiger dunkler Stellen aus dem siebzehnten Kapitel des altägyptischen Totenbuchs beschränkt und daneben an meinem grossen Lebenswerk: „Der Sinn des Seins“, weitergearbeitet.

So wäre also über meine eigene Tätigkeit am Nil für Nichtfachgelehrte nichts Bemerkenswertes zu berichten. Aber ich war Augenzeuge der die ganze Kulturwelt bewegenden Tragödie, die sich in diesem Winter im Totental von Theben abspielte. Ich war Vertrauensmann der Beteiligten. Ich fühle die Pflicht in mir, als der einzige, der in die ganzen Ereignisse eingeweiht war, Licht auf das unheimliche Dunkel zu werfen, das über der Sprengung des Grabs des Pharao Scheschonk und dessen wirklichem, wie die einen glauben, oder vermeintlichem, wie die andern wollen, Fluch wider die Störer seiner Ruhe lastet.

Ich selber habe in diesem Streit keine Partei ergriffen, um die Darstellung der Ereignisse durch die Beteiligten nicht zu beeinflussen. Ich habe mich damit begnügt, meine eigenen Beobachtungen und die von mir erbetenen schriftlichen und mündlichen Beurkundungen vieler anderer zu einem einheitlichen Bericht zu gestalten. Ich habe — ich betone das nochmals — meine eigenen Zweifel als Mann der Wissenschaft zurückgestellt.

Mögen also in den folgenden Blättern in bunter Folge die junge Deutsche, deren Schicksal für mich und meine Frau im Mittelpunkt des menschlichen Erlebens stand — möge der fahrende Krösus mit Frau und Tross — mögen britische Theosophinnen und schottische Gardeoffiziere, ägyptische Grosse, deutsche Fabrikanten und Schweizer Zimmermädchen, Hoteliers, Missionare und Fellachen, Altertumsfälscher, Dragomane, Schlangenbeschwörer, Geldwechsler — möge der dunkle Gast aus Indien selber uns offenbaren, was sie zu sagen haben oder was über sie zu sagen ist.

2

Bericht des Dr. Philipp Bechtold

Ich habe für meinen Winteraufenthalt ein kleines eigenes Haus in der Schari el Muntazah mit netter Aussicht auf den palmenbepflanzten Platz gemietet. Wir, meine Frau und ich, führen da eigene Wirtschaft mit unserem Berliner Faktotum Emil Krause, einem Hausknecht aus Nubierland und einer alten koptischen Köchin. In den grossen Hotels raubt mir das Fremdentreiben jede Stimmung. Es geht einem auf die Nerven: — dies Getümmel von Schiffsladungen und Schnellzugspackungen von Reisekarawanen aus Old England und U.S., die Cook und Sohn täglich mit einem neuen Schub nilaufwärts und -abwärts verfrachtet — das Gehupe der Mietautos und das Geschrei der Reitesel, die Aufdringlichkeit der Dragomane, der indischen Silberschmiede, der persischen Teppichverkäufer, der eingeborenen Strassenhändler und bettelnden Greise und Kinder, und am Abend noch Smoking, Flirt und Foxtrott.

Ich sass an diesem sonnigen Nachmittag am offenen Fenster an meinem Schreibtisch und grübelte über einer dunklen Stelle in dem altägyptischen Totenbuch. Kein Wunder, dass sie dunkel ist. Denn sie stammt aus dem vierten Jahrtausend vor Christi Geburt. Ich hörte hinter mir ein Geräusch, als sei die Tür aufgegangen. Ich drehte mich um: Ein mir unbekannter Gentleman war eingetreten. Ich hatte wohl bei dem langgezogenen Eselgejammer, dumpfen Kamelgebrüll und heiseren Hundegekläff draussen sein Klopfen überhört.

Die kleine stämmige Gestalt des Fremden stak in einer weissen Leinenjacke und Knickerbockers. Er hatte den Tropenhelm von dem zeitlosen Napoleonkopf genommen. Immerhin schien er der Schätzung nach schon in den Fünfzig.

„Morgen, Professor!“ sagte er leutselig in fliessendem Deutsch mit dem leicht näselnden amerikanischen Anklang. „Ich sah Sie an dem Fenster sitzen und trat ein.“

„Ja, das sehe ich.“

Mein Besucher nahm einen Stuhl und setzte sich. Er hatte das verbindliche Yankeelächeln um die dünnen, glattrasierten Lippen. Er nickte mir bedeutungsvoll zu.

„Ich bin Nothomb!“

Da er an meinem Gesicht merkte, dass mir das nicht viel sagte, wiederholte er:

„Nothomb. Wo leben Sie, Professor, dass Sie nichts von mir gehört haben? Ich bin einer der prominentesten Zeitungsmänner der Welt. Ich versorge mehr als hundert Blätter in den Vereinigten Staaten, in Europa, Asien und Australien mit meinen Berichten!“

„Und was verschafft mir . . . .“

„Ich bekam in Bagdad vorgestern einen Funkspruch aus New York, dass hier in Theben ein gutes Ding für die Weltpresse sei. Ich flog hierher. Ich erkundigte mich nach der Landung auf dem Flugplatz nach dem nächsten Professor, der mit den Pharaonen Bescheid weiss . . . .“

„Ich bin nicht Professor!“

„Well, Professor!“ Mein Gast liess sich nicht stören. „Ich bekam Ihre Adresse. Ich kam hier vorbei. Sah Sie. Da bin ich.“ Er legte sich einen Notizblock auf die Knie, bereit zum Stenographieren. „Es handelt sich, scheint es, um eine grosse wissenschaftliche Entdeckung, die die Aufmerksamkeit des Erdballs erregt?“

„Vorläufig nur um die Möglichkeit einer Entdeckung“, sagte ich. „Die Auffindung des Grabes des Pharao Scheschonk des Ersten.“

,,Scheschonk des Ersten“, verzeichnete gewissenhaft Mr. Nothomb. „Ich bin siebenmal um die Erde gefahren. Aber niemals hörte ich diesen Namen.“

„Es ist der Sesostris, den Sie jedenfalls aus der Bibel kennen“, erklärte ich, unwillkürlich vom Eifer des Fachmanns ergriffen. „Dass dieses Grab existiert, dass es existieren musste, das wussten wir längst. Denn im Berliner Alten Museum steht der kunstvoll geschnitzte Kasten, der in vier zusammenhängenden Erzkrügen die einbalsamierten Eingeweide dieses lybischen Pharao aus der Zeit um 1000 vor Christus barg. Aber wo die Königsmumie selber, mit all dem Prunk, der sicher ihren Sarg umgab, ihren Ruheplatz gefunden hat, das war völlig unbekannt.“

„Unbekannt . . .“ stellte Dr. Nothomb stirnrunzelnd mit seinem Stift fest.

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