Gutes Wetter bemesse ich nicht danach, was ich oberhalb der Knie, sondern was ich an den Füßen tragen muss. Wenn ich ohne Gummistiefel durch den Garten laufen kann, ist schönes Wetter. Aber wenn ich sorglos in meiner Anlage herumwerkeln und mit nur leichtem Schuhwerk unbekümmert von der Rabatte zum Weg zum Rasen springen kann, dann ist das Wetter perfekt.
Es heißt, das Gärtnern sei ein Kampf, den man gewinnen oder verlieren könne. Gemäß dieser Philosophie ist derjenige ein »guter« Gärtner, der über die Natur triumphiert. Er regiert mit harter Hand, unterstützt von Herstellern diverser Gifte und Gerätschaften zum Vernichten möglichst vieler Gartenprotagonisten, seien es Schnecken, Ameisen, Dickmaulrüssler, Giersch, Quecke, Wespen, Maulwürfe, Blattläuse, Kälte, Mehltau, Trockenheit oder Hallimasch – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Natur, so scheint es, ist nur darauf aus, die Glückseligkeit in unserem Heim zu ruinieren. Lediglich stete Wachsamkeit und natürlich dieses Wundermittel, das da so schön farbenfroh verpackt ist und so verführerisch beworben wird, können den Gärtner und sein Reich vor dem Untergang bewahren.
Das alles ist blanker Unsinn. Wir brauchen die Natur mehr, als sie uns braucht. Das ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Diene ihr und sie wird sich um dich kümmern. Missbrauche sie, und alles ist verloren.
Jedes lebende Wesen auf Ihrem Grund, ob Flora oder Fauna, gibt Ihnen etwas. Das müssen Sie zurückgeben. Die Bilanz muss ausgeglichen sein. Entnehmen Sie deshalb nie mehr, als Sie hineinstecken.
Nichts Schlechtes zu tun ist in der Regel wichtiger, als Gutes zu tun. Oftmals ist Nichtstun, Zusehen und Abwarten die beste Lösung. Seien Sie bescheiden in allen Dingen – auch beim Umweltschutz. Die Natur kommt im Allgemeinen ganz gut ohne Ihre Hilfe zurecht.
Bewahren Sie das Kostbare und Rare. Häufig sind es die Randgruppen – die Seltenen, die Kleinen, die Schwachen –, die sich als Erste verabschieden. Und wenn sie einmal fort sind, lassen sie sich nur schwer wieder zurückholen. Die Häufigen und Robusten dagegen überleben. Das heißt, dass die Zahl der Arten im Garten schneller zurückgeht als die Zahl der Einzellebewesen. Letztlich hat man zwar mehr Individuen, aber weniger Vielfalt. Diese Vielfalt jedoch, und nicht die Anzahl der Pflanzen oder Tiere, ist der Schlüssel zur ökologischen Gesundheit.
Pflegen Sie Ihre Insekten. Sie als »Mitesser« oder »Schädlinge« zu betrachten ist absurd. Sie sind das wichtigste sichtbare Tierleben im Garten und sollten entsprechend geschätzt werden. Schaffen Sie geeignete Lebensräume und versorgen Sie sie mit Nahrung, aber massakrieren Sie Insekten nie – niemals! – willkürlich.
Insekten sind das wichtigste sichtbare
Tierleben im Garten und sollten
entsprechend geschätzt werden.
Ehren Sie die Pilze. Gärtner neigen dazu, sie alle als schädlich abzutun. Haben Sie keine Angst vor ihnen. Nur ein Bruchteil ist schädlich, die allermeisten dagegen sind für das Leben im Garten unverzichtbar. Erde ohne Pilze ist öde und unfruchtbar. Pilzfäden erreichen Stellen, zu denen nicht einmal die kleinsten Wurzeln gelangen. Zudem bilden Pilze Symbiosen mit allen möglichen Gewächsen von Moosen bis zu Bäumen. Sie holen Stoffe von tief unten aus der Erde, damit Pflanzen davon profitieren, und dürfen sich dafür vom Zucker in den Pflanzen ernähren. Die oberirdisch sichtbaren Pilze sind lediglich die Fruchtkörper, mit denen sie ihre Sporen verbreiten.
Wir sind Ignoranten, und neue Erkenntnisse fördern nur zutage, wie wenig wir wissen. Ständig entdecken wir Erstaunliches, ja, Revolutionäres. Wir wissen beispielsweise nun, dass Bakterien in manchen Blättern Stickstoff binden und dass Bäume ihre Nährstoffe aus einer Entfernung von bis zu siebzehn Kilometern holen. Siebzehn Kilometer! Bleiben Sie offen für Neues, und klammen Sie sich nicht an überkommenes Wissen oder Gepflogenheiten.
Unordentlich sein ist eine Tugend
Seien Sie unordentlich. Lassen Sie langes Gras stehen, Blätter liegen, altes Holz faulen, Gras zwischen Ritzen hervorlugen, Moos auf Steinen wachsen. Sie sind alle entscheidende Lebensräume für wichtige Bestandteile eines gesunden Gartens.
Irgendwo in Ihrem Garten sollte immer ungemähtes Gras vor sich hin wachsen. Nichts nützt Insekten mehr als langes Gras. Ideal wären Wiesen verschiedener Höhe, aber schon ein Quadratmeter, auf dem die Halme ungehindert sprießen dürfen, ist Gold wert.
Würmer sind vorzügliche Indikatoren für Bodengesundheit und -fruchtbarkeit. Allein in Großbritannien gibt es über 25 Regenwurmarten, die alle eine wichtige Rolle beim Umarbeiten des Bodens spielen. Ihre Produktivität ist beeindruckend: Würmer arbeiten jährlich 100 bis 200 Tonnen Erde pro Hektar um – so viel wie ein Pflug. Ob es uns gefällt oder nicht, die Erde bewegt sich unter unseren Füßen.
Nach wie vor neigen wir dazu, alles, was den Boden »stört«, also Regenwürmer, Maulwürfe oder Ameisen, als Schädlinge zu betrachten, die dezimiert oder gleich ganz ausgemerzt werden müssen. Aber diese unterirdischen Lebewesen spielen eine wichtige Rolle bei der Lockerung des Bodens und dem Einarbeiten von organischer Substanz in die Erde. Wenn also das nächste Mal ein Maulwurf die Architektur ihres Rasens neu interpretiert, verfluchen Sie ihn nicht, sondern seien Sie dankbar für die Arbeit, die er für Sie erledigt.
Die meisten sogenannten »Schädlinge« sind fast nie die Krankheit, sondern nur das Symptom. Statt sie zu bekämpfen, finden Sie lieber heraus, warum sie sich bei Ihnen so wohlfühlen. Vermutlich haben Sie das sich selbst regulierende Gleichgewicht, das sie im Zaum hält, gestört. Das allein ist – noch – nicht schlimm. Man kann das Gleichgewicht wieder herstellen. Aber nicht, indem man Schädlinge auslöscht.
Halten Sie sich Bienen. Keine Bienen = kein Garten = keine Menschen. Sie müssen keine Bienenstöcke haben, es reicht, die Tiere in Ihren Garten zu locken. Bienen mögen breite, offene Blüten. Kultiviert man sie so lange wie möglich, also von Frühjahr bis Herbst, versorgt man die Insekten beständig mit Nektar.
Behandeln Sie Ihren Garten so, wie Sie behandelt werden möchten. Der Planet ist nichts Weltfernes, er ist Realität. Die Erde ist Ihr Garten. Machen Sie also das Richtige. Jeder profitiert davon.
Hummeln fliegen auf Knautia macedonica
Versuchen Sie nicht, Ihren Garten exakt so zu gestalten wie andere Gärten auf dieser Welt. Kopieren Sie, stehlen Sie Ideen, imitieren Sie und lassen Sie sich so sehr inspirieren, wie Sie möchten – aber nur, um etwas Einzigartiges, Eigenes zu schaffen, das den Geist des Orts atmet. Ansonsten landen Sie mit Ihrem Garten im Nirgendwo.
Beseelen Sie Ihr Stück Land mit Ihrem Leben, mit dem, was Sie lieben, Ihren Marotten und Ihren Schwächen. Drücken Sie ihm Ihren Stempel auf.
Jeder Garten braucht seine eigene Persönlichkeit, seine unverwechselbare Atmosphäre und eine greifbare geografische Identität, die ihn von Gärten anderswo unterscheidet. Verwenden Sie daher immer zuerst Heimisches – Stein, Holz, Pflanzen. Geben Sie Ihrem Garten Lokalkolorit.
Wir sind vergänglich und schaffen Dinge, die keinen Bestand haben. Orte dagegen bleiben. Durch die Beziehung – die Spannung – zwischen diesen Gegensätzen entsteht etwas Interessantes.
Wir bringen nichts in diese Welt und nehmen nichts mit. Im Garten jedoch können Sie etwas von sich hinterlassen. Drücken Sie ihm Ihren Stempel auf. Gärtnern Sie Ihre eigene Geschichte.
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