«Du meine Güte!», rief Maggie entsetzt. «Sag nur, die Franzosen kommen?»
«Franzosen?» Lena drehte sich um, durchschritt die Doppeltür und erschrak ein zweites Mal, weil Estrelle unbemerkt den Raum betreten hatte.
«Sie können unbesorgt sein, das sind nur Sklaven, die gegen das Gesetz verstoßen haben», erklärte die schwarze Dienerin nüchtern und hängte eins von Maggies frisch gebügelten Kleidern an den Schrank. «Mr. Hanson soll sie nach Kingston bringen, wo sie dem Richter vorgeführt werden.»
«Was haben sie denn verbrochen?», wollte Lena wissen.
«Master Edward weiß das weit besser als ich», erwiderte die Haussklavin tonlos. «Er ist soeben von seinen Ländereien in St. Thomas zurückgekehrt.» Als Lena sie weiterhin verständnislos anstarrte, fuhr sie unwillig fort: «In den letzten Tagen hat es Ärger mit Aufständischen gegeben. Aber nun ist alles wieder in Ordnung.»
Ihre Augen hatten plötzlich einen melancholischen Ausdruck, der Lena nicht gefiel. Doch Estrelle ließ sich nicht zu weiteren Erklärungen hinreißen.
«Sie werden sich noch erkälten, Missus», verkündete sie mit ernstem Gesicht. «Auch wenn es bei uns das ganze Jahr über warm ist, schützt Sie das nicht vor einem Schnupfen, wenn Sie mit feuchtem Haar und nur mit einem dünnen Hemd bekleidet umherlaufen. Soll ich Ihnen beim Ankleiden behilflich sein?»
Estrelle hielt Lena ein Kleid aus hellblauem Blümchenstoff entgegen, das so gar nicht zu ihrer Stimmung passte. Trotzdem protestierte sie nicht, sondern ließ die Frau gewähren. Nichts erschien ihr wertvoller, als eine Verbündete beim Personal zu besitzen, erst recht, wenn es sich um die erste Hausdame handelte.
Nachdem Lena in das Kleid geschlüpft war, dirigierte Estrelle sie zu einer Spiegelkommode, wo sie ihr das lange, hellblonde Haar ausbürstete, bis es fast trocken war.
«Soll ich Ihnen das Haar aufstecken, Missus?»
Estrelle sah sie mit einem undefinierbaren Blick an, der nicht verriet, was sie wirklich dachte.
Lena nickte stumm und verfolgte im Spiegel, wie die Sklavin sie mit routinierten Handgriffen in eine strenge, englische Lady verwandelte. Das Haar straff aus dem Gesicht gekämmt und zu einem schlichten Knoten auf dem Hinterkopf aufgetürmt, wirkte Lena nun nicht mehr wie das unbeschwerte Mädchen, das Edward in London zurückgelassen hatte, sondern wie eine echte Dame.
Gemeinsam halfen sie anschließend Maggie aus der Wanne. Lenas Gesellschafterin befand sich zwar sichtbar auf dem Weg der Besserung, war aber noch ziemlich wackelig auf den Beinen.
«Ich glaube, ich bin noch nicht so weit, dass ich Bäume ausreißen kann», verkündete Maggie mit erschöpfter Stimme.
Estrelle half ihr beim Abtrocknen, steckte sie in ein frisches Nachthemd und brachte sie wieder ins Bett.
«Ich denke auch, es ist besser, du schläfst noch ein wenig», sagte Lena und zog Maggie die Decke fast bis zur Nase.
«Estrelle, wären Sie bitte so freundlich, Sir Edward zu informieren, dass ich in meinem Zimmer auf ihn warte?»
Estrelle nickte ergeben und zog sich lautlos zurück. Danach wünschte Lena ihrer Freundin eine angenehme Ruhe, ging in den angrenzenden Raum und schloss die Verbindungstür. Gerade wollte sie ihre Perlenohrringe anlegen, die ihr Vater ihr zum Abschied geschenkt hatte, als die Tür zum Korridor aufflog. Es war Edward.
Lena ließ vor Schreck einen der Ohrringe fallen. Auf solch einen Überfall war sie nicht vorbereitet. Hastig bückte sie sich, um das Schmuckstück aufzuheben, obwohl sie ihrem Verlobten eigentlich vor Freude in die Arme fliegen sollte.
«Was ist das denn für eine Begrüßung?», beschwerte er sich prompt.
Das Gleiche könnte ich dich fragen, lag es Lena auf der Zunge, als sie sich aus der Hocke erhob und den Ohrring ansteckte. Von plötzlichem Unmut erfasst, dachte sie an die Strapazen, die sie auf sich genommen hatte, um zu ihm zu reisen.
«Wäre es nicht angebrachter, sich zunächst nach meinem Wohlergehen zu erkundigen, anstatt zu erwarten, dass ich dir ohne Wenn und Aber um den Hals falle?», bemerkte sie spitz. «Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für deine gestrige Abwesenheit?»
«Du siehst zauberhaft aus», stieß er hervor, wobei er ihre Verärgerung schlichtweg ignorierte. Sein verlangender Blick heftete sich wie gebannt auf ihre Brüste, die appetitlich verpackt aus dem Ausschnitt ihres Kleides hervorlugten. «Viel besser, als ich dich in Erinnerung hatte.»
«Danke», sagte sie trocken, nicht wissend, was sie von einem solch fragwürdigen Kompliment halten sollte.
Er selbst hatte es offenbar nicht für nötig erachtet, sich zu waschen, zu rasieren und standesgemäß zu kleiden, bevor er ihr seine Aufwartung machte. Nur den Hut hatte er abgenommen. Mit seinem schwarzen Bartschatten und dem zerzausten, dunklen Haar, das ihm verschwitzt und staubig am Kopf klebte, sah er geradezu wild und leidenschaftlich aus. Obwohl sie sich innerlich dagegen wehrte, erlag Lena augenblicklich seinem ungezähmten Äußeren und erwischte sich bei einer Reihe von sündigen Gedanken, die ihr äußerst unangebracht erschienen.
Auch Edward war offensichtlich nicht entgangen, welche Wirkung er auf sie hatte. Mit zwei langen Schritten war er bei ihr und umarmte sie heftig. Ehe Lena es sich versah, presste er seine Lippen auf die ihren, und seine Zunge drang tief in ihren Mund ein. Zugleich packte seine große Hand ihren Hintern und drückte ihren flachen Bauch fordernd an sein spürbar geschwollenes Glied.
Lena vergaß zu atmen. Die Hitze zwischen ihren Schenkeln vernebelte ihren Verstand. Und so ließ sie es zu, dass sich seine andere Hand in ihren Ausschnitt drängte und gierig ihren Busen knetete. Als Edward eine Brust anhob, um an dem rosigen Nippel zu saugen, stieß Lena einen kleinen, spitzen Schrei aus. Er musste das als Aufforderung aufgefasst haben, denn er drängte sie aufs Bett.
«Du duftest so gut», murmelte er, während er selbst den Geruch von Schweiß, Pferd und dem Staub der Straße verströmte. «Ich muss dich unbedingt haben, jetzt und hier. Ich kann nicht länger warten.»
Rücklings fiel sie mit ihm in die seidenen Laken und erlag seinen hingebungsvollen Küssen. Seine Rechte suchte sich derweil den Weg unter ihre Röcke und schob sie allesamt mit einer gezielten Bewegung so weit nach oben, dass er Lenas nackte Scham entblößte. Erst als er sich keuchend darüberbeugte und begann, den blonden, noch unschuldigen Flaum zwischen ihren Schenkeln zu küssen, kam sie wieder zu Verstand.
«Nicht hier und nicht jetzt!», stieß sie schwer atmend hervor und schob ihn mit unerwarteter Kraft von sich weg.
Edward hielt verdutzt inne. «Was hast du denn?», fragte er hitzig.
«Es ist …», sie stockte, nach einer Begründung ringend, «… weil wir noch nicht verheiratet sind.»
«Kein gutes Argument», protestierte er ärgerlich und richtete sich halb sitzend auf. Lena registrierte mit Schrecken, dass seine Hose bereits geöffnet war und sein hart geschwollenes Geschlecht ans Tageslicht drängte. Sofort spürte sie, wie ihr die Schamesröte heiß den Hals hinaufkroch, und sie sprang fluchtartig vom Bett.
«Um Gottes willen, was wäre, wenn uns jemand so sieht», stieß sie mit erstickter Stimme hervor und dachte an Estrelle oder Maggie, die jeden Moment hätten hereinkommen können.
Edward brach unvermittelt in schallendes Gelächter aus. «Wir sind so gut wie verheiratet», antwortete er amüsiert. «Denkst du wirklich, meine Dienerschaft würde sich etwas daraus machen, wenn sie ihre Herrschaft im Bett erwischt?»
«Nicht die Dienerschaft», gab Lena klein bei, obwohl sie anderer Auffassung war, «aber vielleicht Maggie, die direkt nebenan schläft. Wenn du der Gentleman bist, als den ich dich kennengelernt habe, bedeckst du dich augenblicklich», forderte sie leise. «Mein Vater würde es ebenfalls nicht gutheißen, wenn ich nicht jungfräulich in die Ehe ginge.»
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