„Die Hilfe ist in der Regel im Inland zu erbringen, sie darf nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfeziels im Einzelfall erforderlich ist.“
Insgesamt werden erlebnispädagogische Projekte im Ausland nur dann vereinbarungsfähig sein, wenn sie bestimmte qualitative Standards gewährleisten.
Waren es am 31. Dezember 1991 erst 457 junge Menschen, welche die Erziehungshilfe „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung“ erhielten, stieg diese Zahl 2017 auf 4.815 neubegonnene Hilfen an (Statistisches Bundesamt 1997/2018b).
Flexible Erziehungshilfen
Bei Kindern, Jugendlichen sowie deren Angehörigen, welche Erziehungshilfen in Anspruch nehmen, ist nicht nur das familiäre System zu berücksichtigen, sondern ebenso das System der praktizierten Erziehungshilfe bzw. die Systeme mehrerer Erziehungshilfen, wenn diese gleichzeitig oder aufeinanderfolgend gewährt werden. Alle mit einem bestimmten Kind befassten helfenden Systeme müssen miteinander kooperieren, sie sind im Idealfall als Netzwerk zu verstehen. Diese Kooperation erscheint nicht nur wesentlich, um Absprachen tätigen zu können und um Gegensätzliches zu vermeiden, sondern auch, weil die Mitglieder aller beteiligten Systeme ihre jeweiligen Interaktionen und Reaktionen im konkreten Zusammenhang mit dem Hilfeprozess verstehen müssen. Das KJHG sieht bei der Gewährung erzieherischer Hilfen, die voraussichtlich über einen längeren Zeitraum andauern werden, auch aus dieser Begründung heraus, Erziehungskonferenzen vor.
Alle Systeme wollen verändernd auf das Kind und seine Familie sowie das Lebensumfeld einwirken. Wenn sie dies in isolierter Vorgehensweise praktizieren, dann sind weitere Schwierigkeiten und pädagogische Misserfolge zu erwarten. Eine Kooperation zwischen Familie und unterschiedlichen Hilfen zur Erziehung setzt nicht nur Absprachen und gemeinsame Zielfindungsprozesse voraus, sondern ebenso das Verständnis, dass die verschiedenen Systeme gemeinsam ein großes Sozialisationsfeld bilden, in welchem die individuellen Handlungen und Reaktionen sich ständig wechselseitig beeinflussen. Entsprechend muss die Partizipation der Kinder, Jugendlichen und Familien an der fortlaufenden Ausgestaltung und Passung der Hilfen berücksichtigt werden.
Negative Effekte könnten eintreten, wenn verschiedene Formen voneinander relativ isoliert vorgehender Erziehungshilfen sich als notwendig erweisen. Andere Organisationsformen könnten negative Auswirkungen wie z. B. Informationsmängel, mangelnde Transparenz und Absprachen, gegensätzliche Interventionen und Abbrüche entweder verringern oder in ihrer Entstehung möglicherweise auch ganz verhindern. Es bietet sich daher an, verschiedene erzieherische Hilfeformen von einer Institution aus zu praktizieren, sodass Betroffene kontinuierlich durch ein kleines Team von Fachkräften betreut werden. Mit einem notwendigen Wechsel der Erziehungshilfe wären dann kein Wechsel der Institution und keine „Abbrüche“ mehr verbunden.
„Ziel ist es, Spezialisierungen und Separierungen einzelner Hilfeformen aufzubrechen und diese wieder zusammenzuführen“ (Frankfurter Kommentar 2019, S. 361) .
Wie bereits in den 1970er-Jahren öffnen sich Träger und Institutionen der Heimerziehung auch aktuell wieder für neue Aufgabengebiete. Unter dem Kostendruck der öffentlichen Haushalte und der Notwendigkeit stabiler Belegungszahlen ist diese Öffnung auch unter dem Gesichtspunkt einer Überlebensstrategie zu verstehen. So bieten beispielsweise Heime Dienste in ambulanter Erziehungsberatung an. Es werden in einem bestimmten Stadtteil Kurse der Sozialen Gruppenarbeit praktiziert, die Mitarbeiterin einer Tagesgruppe übernimmt für eine vorübergehende Zeit die Aufgaben der Sozialpädagogischen Familienhilfe für ein Kind aus ihrer Gruppe und für dessen Familie. Ein Erzieher einer Wohngruppe wird zeitweise freigestellt, weil er für zwei Jugendliche ambulante Aufgaben der Intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung wahrnimmt. Von verschiedenen Heimen werden die zuvor beschriebenen Konzepte Familien unterstützender oder -aktivierender Interventionen realisiert. Mit dieser Aufgabenerweiterung wird auch vom Begriff „Heim“ Abstand genommen, wenn sich eine solche Institution nun beispielsweise „Erziehungshilfezentrum“ nennt.
Die im Kinder- und Jugendhilfegesetz in den §§ 28 bis 35 aufgeführten Hilfearten haben keinen ausschließenden Charakter. Es können auch andere Erziehungshilfen als Leistungsangebot realisiert werden und es ist abzuleiten, dass Übergangsformen und Mischformen möglich sind. Mit der jeweiligen Art der Erziehungshilfe ist auch nicht notwendigerweise die Zuordnung zu einer ganz bestimmten Institution verbunden, von der nur alleine diese Hilfe ausgeübt werden könnte. Bei den vorgenannten Beispielen der Öffnung und Erweiterung der Heimerziehung auch für ambulante Erziehungshilfen, die bislang weder traditionell noch originär zu den Aufgaben dieses sozialpädagogischen Arbeitsfeldes zählten, liegt insofern ein flexibler Umgang mit Erziehungshilfen vor.
Flexible Erziehungshilfen zielen darauf ab „durch eine Flexibilisierung der Hilfen und ihrer Organisationsstruktur, Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, Integration zu gewährleisten und die lebensweltorientierten Ressourcen als Ausgangspunkt der Hilfen zu sehen“ (Hamberger/Köngeter/Zeller 2008, S. 347).
Inzwischen ist die flexible Erziehungshilfe nach § 27 KJHG ohne die Verbindung zu einer im Weiteren aufgeführten Hilfe auch in der Statistik der Kinder- und Jugendhilfe erfasst. Dies ermöglicht die Installierung einer passgenauen Hilfe bei der zwischen verschiedenen Formen, auch der ambulanten und (teil-)stationären Hilfe, für den spezifischen Bedarfsfall kombiniert werden können. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 33.819 flexible Hilfen zur Erziehung neu begonnen (Statisches Bundesamt 2018b).
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