Claus Bork
Saga
Die Tore nach RanaÜbersetzt von Susanne Richter Originaltitel Portene til Rana Copyright © 2015, 2019 Claus Bork and und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711800065
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Angicore
Der Jaranakaiser von Dynadan, der einzig wahre Herrscher.
Miran
Die Gemahlin des Kaisers.
Gaya
Der Baum des Lebens im Wispernden Park.
Skillion
Erzzauberer von Dynadan.
Die Maruder
Die kaiserliche Leibgarde.
Leso
Kardinal am kaiserlichen Hof.
Nafimo
Kaiserlicher Zauberer.
Skeletore
Der Diener des Todes.
Tarman
Ein Maruder.
Jinzo Yol
Ein Maruder.
Unter den Ereignissen, die sich in der Zeit nach Djin abspielten, war besonders eines, das in der Erinnerung blieb.
Es wurde von einer Generation der Jaranakaiser an die nächste überliefert, bis es schließlich niedergeschrieben und in die Familiengeschichte dieser Herrscher, in der kaiserlichen Bibliothek in Krilanta, aufgenommen wurde.
Dieses Ereignis, der ausmergelnde und einsame Kampf Kaiser Angicores I. gegen den Diener des Todes, Skeletore -wurde vom Volk Dynadans als Beweis dafür betrachtet, daß der Jaranakaiser mit Recht und für immer, den Titel "Der einzig wahre Herrscher" trug und tragen sollte.
In den Familienaufzeichnungen gibt es verblüffend wenige Aufzeichnungen über die einzelnen wahren Herrscher. Das deutet darauf hin, daß die Haltung, die der Erziehung der frühen Jaranaherrscher zu Grunde lag, den Nährboden für eine fast krankhafte Eifersucht bildete, die sich unter anderem darin äußerte, daß die einzelnen Kaiser Dokumentationen über groß artige Taten früherer Kaiser entfernten und vernichteten.
Der Sprung von dieser Schilderung zur Schilderung von Dizjan - "Dem Maruder" - übergeht also auch die Lebensbeschreibungen mehrerer Generationen von Jaranakaisern, die für alle Zeiten in Vergessenheit geraten sind.
Auszug aus Prinzessin Aylias Erinnerungen an den Erzzauberer Skillion.
Er stand auf dem Balkon und schaute über die Stadt.
Die Morgensonne fiel auf die roten, glasierten Dächer; sie spielte glänzend auf den farbigen Flächen, so, wie sie auch auf den Wellen auf dem smaragdgrünen Spiegel des Meeres weiter draußen spielte.
Die Masten, ein Wald aus schwarzen Stangen gegen das grüne Meer, schaukelten im Takt leicht hin und her.
Er lehnte sich schwerfällig auf die Brüstung des Balkons und fühlte sein Gewicht auf den Ellbogen. Zufrieden seufzte er und betrachtete seine sehnigen Hände. Diese Hände waren es, mit denen er die Welt aufgebaut hatte, über die er jetzt schaute. Diese beiden Hände hatten dies alles geschaffen.
Er blinzelte mit den Augen gegen das scharfe Sonnenlicht.
Die Falten um seine Augen und das etwas markige Gesicht enthüllten, daß er nicht mehr ganz jung war. Nur die lebhaften, blauen Augen zeugten davon, daß er immer noch jugendliche Stärke und Glut besaß.
Die Ledersandale knatschte etwas, als er sein Gewicht vom einen Bein auf das andere verlagerte.
Er legte den Kopf zurück, schloß die Augen und holte tief Luft. Er war glücklich, fühlte das Glück wie einen rieselnden Strom der Freude in seinem Innern. Er hatte es so gut gemacht, wie er konnte; er wußte, daß es wahr war. Keiner würde mehr verlangen können...
Er war Angicore, der Jaranakaiser. Herrscher von Dynadan und Protektor von Ergol - und Illemed, dem Land auf der anderen Seite des Meeres.
Eine Biene kam summend durch die Morgenhitze, setzte sich auf seinen Arm, und machte sich daran, mit ihren Vorderbeinen die Fühler zu putzen.
Er betrachtete sie eingehend und verfiel in Gedanken. Er verweilte lange in Erinnerungen. Selbst als die Biene abgehoben hatte, und über den Hof des Palastes weitergeflogen war, auf die verlockende Blumenfülle des Parks zu, stand er da, und versuchte, sich sein Gesicht in die Erinnerung zurückzurufen.
Er dachte, wie schon so oft vorher, an Skillion.
Es waren viele Jahre vergangen. Unendlich war die Zahl der Wellen, die seitdem an die Strände Dynadans gespült worden waren. Es waren zwanzig Jahre vergangen, und die Welt hatte sich verändert.
Dann, wie nach einer plötzlichen Eingebung, drehte er sich auf den Hacken um und ging durch die Säle hinein. Seine Schritte lärmten hart in der Stille, und die Maruderwächter an den zweiflügeligen Türen richteten sich auf und starrten leer in den Raum. Er fühlte, wie sie ihm mit den Augen folgten, aber ließ sich nichts anmerken.
Er lief weiter durch die Türen, und den Gang zu den kaiserlichen Gemächern entlang.
Die Maruder schloßen lautlos die Türen hinter ihm.
Am Ende des Ganges stand noch einer. Sie bewachten ihn, so pflichteifrig wie Ameisen über ihre Königin wachen. Und obwohl er das nicht für notwendig hielt, akzeptierte er es. Er hatte die Welt sich verändern gesehen, damals, vor langer Zeit.
Er wußte, daß es wieder geschehen konnte.
Er lief weiter durch die nächsten, endlosen Gänge unter den weißen Gewölben. Die Maruder waren nicht zu sehen, aber er wußte, daß sie irgendwo in den Schatten standen und seinen Bewegungen folgten.
Wieder hatte er diesen leichten Stich im Herz. Er dachte an die Biene, die auf seinem Arm gelandet war. Sie war frei, und konnte hinfliegen wohin ihr Wille es befahl, schweben wie ein kleiner, unbewachter Planet mitten im Himmelsraum über Dynadan, ohne daß wachsame Blicke jede einzelne ihrer Bewegungen überwachten.
Vor einer Nische in der Mauer blieb er stehen. Ganz schwach fühlte er das Blinken der Augen des Maruders in der Dunkelheit.
Angicore starrte hinein. Nur die klaren, blitzenden Augen und der vergoldete Schaft des Säbels waren zu sehen.
"Guten Morgen, Soldat," sagte er, an seinen schweigenden Bewacher gewandt.
Der Schatten bewegte sich nicht. Er wartete wie eine gespannte Stahlfeder in der Dunkelheit, wartete darauf, daß etwas geschah. Höchstwahrscheinlich würde es nie geschehen, aber er würde warten...
"Guten Morgen, Euer Gnaden." Die Stimme des Maruderfechters war metallisch und tief.
Angicore betrachtete den Schatten mit den blitzenden, harten Augen lange. Dann ging er weiter.
Die Säulen, die dies gewaltigste Dach der Welt trugen, waren behauen wie die Bäume im Wald beim Ebenholzfelsen. Zweige und Blätter breiteten sich über das Deckengewölbe, so naturgetreu wiedergegeben, daß das menschliche Auge nur schwer diese meisterhafte Nachahmung des Künstlers der Natur erkennen konnte.
Endlich sah er die Tür, schritt auf sie zu, und blieb dann stehen.
Er stand und horchte, aber es kamen keine Geräusche von drinnen. Der Türgriff quietschte ganz leise, als er ihn herunterdrückte, wie das Wispern der Schlangen in den Tempelkellern Ergols, das war alles.
Darauf schlich er hinein, schloß die Tür hinter sich und ging so lautlos er konnte zu dem Bett hinüber.
Der Junge lag mit dem Kopf auf dem Kissen und schlief. Er seufzte wieder, der Jaranakaiser, während sich ein kleines Lächeln über sein Gesicht breitete, von den Mundwinkeln bis zu den Falten um die warmen, blauen Augen.
Er warf einen hastigen Blick in den Raum. Über die Wände, die Möbel, zur Balkontür, wo das Sonnenlicht spielte und versuchte, durch die schweren, dunklen Gardinen zu dringen.
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