Claus Bork
Saga
Der schwarze Sigurd Originaltitel: Sorte Sigurd Übersetzt von Susanne Richter Copyright © 2015, 2019 Claus Bork und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711800027
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Jesper - ein ganz gewöhnlicher Junge.
der Schwarze Sigurd - Jespers Freund, der schwarze Rabe aus Abenteuerland.
Isabel - Prinzessin von Abenteuerland.
Dur - Prinz von Symphonien.
Merlin - der Zauberer.
Archimedes - Merlins kluge Eule.
Elektro - Kriegsprogramm von DOS.
Schatten - Sklave von Elektro.
der Hund - ein Hund mit Augen so groß wie Teetassen.
Sir Gawain - der noble Ritter aus Abenteuerland.
Abenteuerland - das Land in den Träumen, jenseits der Wirklichkeit.
Symphonien - die Welt der Musik, jenseits der Wirklichkeit
DOS - die Welt der Computerspiele, jenseits der Wirklichkeit.
Niemandsland - das Land, das man durchquert auf seinem Weg von der Wirklichkeit in die Traumwelt.
Er war eigentlich schon ein ganz gewöhnlicher Junge.
Er hieß Jesper. Hatte struppiges, blondes Haar und große braune Augen - denn irgendwo in der Familie seiner Mutter waren Zigeuner im Spiel gewesen. Und vielleicht war er gerade deshalb abenteuerlustig.
Er ging seine eigenen Wege und liebte die Spannung, wenn er Dinge erlebte, die nicht ganz gewöhnlich waren. Er war zehn Jahre alt und ein kleiner Spinner.
Es begann alles an einem kalten Abend im November.
Der Schnee senkte sich wie Löwenzahnsamen aus einem schweren, bedeckten Himmel. Es war zehn Minuten vor neun -Freitagabend.
"So, jetzt geht es ab ins Bett mit dir..." Seine Mutter sah ihn mit diesem üblichen - da gibt es keine Diskussionen - Blick an...
"Ich muß nur noch..." begann er. So ging es jeden Abend.
"Ab, junger Mann, und das zack - zack..."
"Nah, ja..." Er legte das Buch weg und erhob sich vom Sofa. Dann trottete er zur Treppe und schleppte sich hoch in den ersten Stock. Zehn Minuten später, genau um neun Uhr, lag er warm unter der Decke bei ausgeschaltetem Licht.
Durch die Fensterscheibe betrachtete er die Schneeflocken, die im Schein der Straßenlaterne herunterfielen.
"Gute Nacht, und schlaf gut..." flüsterte seine Mutter und schloß die Zimmertür.
Der Wecker tickte hart und metallisch aus der Ecke beim Schreibtisch. Tick - tack - ein ganz normaler Wecker zum Aufziehen.
Er schloß die Augen - und schlief ein. Und das war das letzte mal, daß er sich wie ein ganz gewöhnlicher Junge fühlte.
Sobald seine Augen sich geschlossen hatten, verließ er die Welt, die er so gut kannte und wirbelte davon. Er fühlte, wie ihn etwas anzog, ohne daß er wußte, wohin.
Weit weg, in der Ferne, wurde es hell. Er kam mit großer Geschwindigkeit auf das Licht zu, in es hinein und stand dann da - in einer anderen Welt, deren Namen er nicht kannte.
Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel. Als er an sich selbst heruntersah, bemerkte er, daß er immer noch seinen Schlafanzug an hatte.
Er stand auf einem Kiesweg mit einem Graben auf beiden Seiten. Am Rande der Gräben wuchsen die gelbesten Löwenzahnblüten, die er jemals gesehen hatte. Hinter den Gräben war auf der einen Seite ein Feld, auf der anderen Seite ein großer, düsterer Wald.
Über dem Feld sangen die Vögel vom Himmel. Im Wald dagegen war es ganz still.
Er stand etwas da und überlegte, wie er es anstellen sollte, an andere Kleidung zu kommen. Wenn ihn jemand sah, gekleidet mit einem Schlafanzug am helllichten Tag, würde er zum Gespött werden.
"Mach den Weg frei für die königliche Kutsche Ihrer Majestät..." rief eine schrille Stimme hinter ihm.
Er schaffte es gerade noch, sich umzudrehen, die heranbrausenden Pferde zu sehen, und sich aus dem Weg zu werfen -hinunter in den Graben - bevor die Pferde vorbeidonnerten und eine Wolke aus Staub aufwirbelten, die über das Feld fegte.
"Prrr..." rief der Kutscher. Die Pferde wieherten, die Ketten rasselten und die schweren Räder polterten und bremsten.
Jesper lag auf dem Boden des Grabens und starrte erschrocken zurück auf den Weg. Er konnte nicht richtig sehen, weil das Gras ihm die Sicht nahm.
Er kletterte etwas auf die Böschung und bog die Halme zur Seite. Und da, mitten auf dem Kiesweg, hielt eine vergoldete Kutsche mit Holzrädern mit Speichen und acht weißen, schnaubenden Pferden davor gespannt.
Die Pferde schlugen mit den Hufen, sodaß das Zaumzeug rasselte.
Der Kutscher, ein kleiner, dicker Mann mit roten Wangen, zog die Zügel stramm, um sie zum Stehen zu bringen.
Die Kutsche war aus Holz gebaut und so kunstfertig beschnitzt, daß es unmöglich etwas vergleichbares irgendwo anders auf der Welt geben konnte.
Das Dach wurde von zehn geschnitzten, vergoldeten Drachen mit gespaltenen Zungen getragen.
In den Fenstern war richtiges Glas, so fein geputzt, daß man es nur sah, wenn die Sonne in ihm leuchtete.
Ein Gesicht kam in einem Fenster zum Vorschein. Es war eine junge Frau. Sie war sehr hübsch mit tiefblauen Augen und langem, rabenschwarzem Haar. Sie starrte mit Verwunderung in ihrem Blick auf ihn herab. Dann lächelte sie und schob die Tür auf.
"Komm hierher, Junge - und laß mich dich ansehen..."
Jesper fand, sie war so schön, daß ihm ganz schwindelig wurde. Er erhob sich langsam und kletterte das letzte Stück aus dem Graben, bevor er über den Weg ging und vor der Wagentür stehenblieb.
Plötzlich lachte sie und hielt die Hand vor den Mund.
"Warum hast du dieses Zeug an...?" Er sah das Lächeln in ihren Augen, bevor er sich über den Schlafanzug ärgern konnte.
"Das ist mein Schlafanzug..." sagte er und lächelte sie an.
Sie sah mit leicht schrägem Kopf an ihm herunter.
"Was machst du hier draußen...?" fragte sie und machte einen Schmollmund.
"Ich gehe, wohin ich Lust habe.." antwortete Jesper.
"Du bist bestimmt eine schlimme, kleine Rübe..." lachte sie.
Er nahm die Hände an die Hüften und antwortete: "Wenn ich eine Rübe bin, was bist du dann...?"
Drüben vom Hinter Brett der Kutsche sprangen zwei Diener in roten Uniformen auf die Erde.
"Nein, laßt ihn..." rief sie und hob die Hand. Dann sah sie wieder zu ihm.
"Ich bin Prinzessin Isabel vom Abenteuerland..." Sie lachte wieder.
"Lachst du immer, wenn du redest...?" fragte Jesper.
"Nicht immer..." antwortete sie. Ein Schatten glitt über ihr Gesicht, worauf sie über das Feld starrte und schwieg.
"Na, ich muß weiter..." begann Jesper.
Der eine uniformierte Diener stellte sich vor ihn.
"Wenn man mit Prinzessin Isabel von Abenteuerland spricht, dann sagt man Ihre Majestät..." Er war rank und breitschultrig und schaute mit seinen freundlichen, aber bestimmten blauen Augen auf Jesper. Er roch nach Schuhwachs von den langschäftigen Stiefeln und die zwei Reihen blanker Knöpfe glänzten und funkelten auf der Jacke.
"Laß ihn, Rinze..." Sie sprach aus dem Wagen zu ihm.
Er trat zur Seite, worauf sie eine Hand zu Jesper streckte und ihn näher winkte. Er nahm ihre königliche Hand und hüpfte hinauf in die Kutsche.
Die Diener in den roten Jacken gingen um den Wagen und sprangen auf.
"Weiter..." rief Prinzessin Isabel, und der Wagen begann zu rollen.
Das Feld sauste draußen am Fenster vorbei.
"Was für eine Geschwindigkeit..." rief Jesper aus. "Hier ist es auch sehr schön..."
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