Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Buch wurde im Rahmen des Programms NEUSTART KULTUR aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.
Titel der Originalausgabe:
Cette grenade dans la main du jeune Nègre est-elle une arme ou un fruit?
Zuerst erschienen 1993.
© 2015 Dany Laferrière
© 2016 Éditions Grasset & Fasquelle, Paris
© 2021 Verlag Das Wunderhorn GmbH
Rohrbacherstraße 18, D-69115 Heidelberg
www.wunderhorn.de
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Gestaltung und Satz: philotypen/Dortmund
eISBN: 9783884236604
Granate oder Granatapfel was hat der Schwarze in der Hand?
Dany Laferrière
Aus dem Französischen
übersetzt von Beate Thill.
Gewidmet
dem Romanautor James Baldwin, * * Gewiss, Baldwin starb in Frankreich, aber die tödliche Wunde wurde ihm in Amerika zugefügt.
dem Musiker Miles Davis,
dem jungen Maler Jean-Michel Basquiat,
alle drei sind in Amerika gestorben.
In der Neuen Welt herrscht Krieg.
* Gewidmet dem Romanautor James Baldwin, * * Gewiss, Baldwin starb in Frankreich, aber die tödliche Wunde wurde ihm in Amerika zugefügt. dem Musiker Miles Davis, dem jungen Maler Jean-Michel Basquiat, alle drei sind in Amerika gestorben. In der Neuen Welt herrscht Krieg. * Gewiss, Baldwin starb in Frankreich, aber die tödliche Wunde wurde ihm in Amerika zugefügt.
Gewiss, Baldwin starb in Frankreich, aber die tödliche Wunde wurde ihm in Amerika zugefügt.
Ich verleugne meine Herkunft nicht, ich verstehe mich nur nicht mit den anderen Schwarzen.
Ich finde, Schwarzsein ist nicht alles im Leben.
Graffito in einer New Yorker U-Bahn .
SCHREIBEN IN NORDAMERIKA SCHREIBEN IN NORDAMERIKA I Dies ist kein Roman. Hier denke ich an Magritte, der eine Pfeife zeichnete und darunterschrieb „Dies ist keine Pfeife“. Ich verfasse dieses Buch nach Notizen, die ich mir an vielen Orten in Nordamerika gemacht habe. Im Zug Richtung Vancouver, in dem eine dicke Frau mir gegenüber saß und mich während der ganzen Fahrt anstarrte, weil sie dachte, ich zeichnete ihr Porträt (was übrigens stimmte). Im Bus Richtung Süden (Key West) an einem sonnigen Freitag, mit der schrecklichen Bläue des Meers beiderseits der nicht endenden Brücke. Im vegetarischen Restaurant in San Francisco, wo ich nichts gegessen habe, wegen eines winzigen Fettkrümels im Mundwinkel der Langen, drei Tische links von mir. Im Taxi vor einem Nachtclub in Manhattan, um drei Uhr morgens (wir suchten verzweifelt nach Bagels). In der Toilette des Shade (eine modische Bar in Montréal, am Boulevard Saint-Laurent, angesagt bei jungen Schauspielerinnen mit metallischen Brüsten, die dir ihr Laserzwinkern zuwerfen), wo eine grünhaarige Frau heulte, weil sie die Vene nicht finden konnte, um sich den ganzen Dreck in den Leib zu fixen. In Amerika ist man pausenlos unterwegs. Der weite Raum Amerikas ruft nach Geschwindigkeit.
DIE KUNST, BERÜHMT ZU WERDEN OHNE ZU ERMÜDEN
I. TEIL WO?
II. TEIL DIE REISE
III. TEIL AMERICANA
IV. TEIL WARUM?
V. TEIL WIE? (RÜCKBLENDE)
VI. TEIL DREI AMERIKANISCHE PAARE
VII. TEIL DAS MATERIELLE LEBEN
VIII. TEIL EIN PAAR REGELN, UM IN AMERIKA ZU ÜBERLEBEN
IX. TEIL AUCH DAS IST AMERIKA
X. TEIL DIE PARALLELWELT
XI. TEIL HALL OF FAME (ZEHN ZEITGENÖSSISCHE AFROAMERIKANISCHE HELDEN)
XII. TEIL AMERIKA IST EIN RIESIGER FERNSEHER MIT WIMMELBILDERN
XIII. TEIL DIE RÜCKKEHR
SCHREIBEN IN NORDAMERIKA
I
Dies ist kein Roman. Hier denke ich an Magritte, der eine Pfeife zeichnete und darunterschrieb „Dies ist keine Pfeife“.
Ich verfasse dieses Buch nach Notizen, die ich mir an vielen Orten in Nordamerika gemacht habe. Im Zug Richtung Vancouver, in dem eine dicke Frau mir gegenüber saß und mich während der ganzen Fahrt anstarrte, weil sie dachte, ich zeichnete ihr Porträt (was übrigens stimmte). Im Bus Richtung Süden (Key West) an einem sonnigen Freitag, mit der schrecklichen Bläue des Meers beiderseits der nicht endenden Brücke. Im vegetarischen Restaurant in San Francisco, wo ich nichts gegessen habe, wegen eines winzigen Fettkrümels im Mundwinkel der Langen, drei Tische links von mir. Im Taxi vor einem Nachtclub in Manhattan, um drei Uhr morgens (wir suchten verzweifelt nach Bagels). In der Toilette des Shade (eine modische Bar in Montréal, am Boulevard Saint-Laurent, angesagt bei jungen Schauspielerinnen mit metallischen Brüsten, die dir ihr Laserzwinkern zuwerfen), wo eine grünhaarige Frau heulte, weil sie die Vene nicht finden konnte, um sich den ganzen Dreck in den Leib zu fixen. In Amerika ist man pausenlos unterwegs. Der weite Raum Amerikas ruft nach Geschwindigkeit.
Ich habe den Auftrag, für ein hochangesehenes Magazin an der Ostküste eine große Reportage zu schreiben. Sie wollen offenbar eine Sondernummer über Amerika herausbringen.
„Was kümmert es mich, ob Amerika 500, 400 oder 600 Jahre alt ist!“
Das sagte ich dem Typen am Telefon, der mich in meiner Bude aufgespürt hatte.
„ Fuck Amerika, Alter, hier ist das Geld, und zwar ein schönes Päckchen, nimm’s, sonst kriegt es ein Anderer.“
„Warum ich?“ (Wie lange man diese dämliche Frage schon stellt!) „Tja, vielleicht bist du ‚das Parfüm des Monats‘ für sie.“
„Wieso?“
„Sie haben dich anscheinend überall gesucht und jetzt …“
„Was ist mit dir?“
Kurzes Schweigen.
„Sagen wir mal, ich bin schon ‚das Parfüm des Monats‘ gewesen.“
„Lange?“
„Ja … gut drei, vier Monate.“
„Nur!“
„Hier geht das sehr schnell“, erwiderte er mit einem trockenen Lachen.
„Was wollen die genau?“
„Keine Ahnung … Ich nehme an, sie wollen einen Schwarzen, der nicht hier lebt, sich hier aber gut auskennt, du weißt, was ich meine …“
„Warum keinen schwarzen Amerikaner?“, fragte ich ganz unschuldig.
„Afroamerikaner heißt das jetzt, das hat sich auch geändert.“
„Wenn man seine Identität in den Wörtern sucht … Dennoch, warum keiner von denen?“
„Sie wollen wohl keine Schwierigkeiten … nicht jemanden, bei dem sich alles um den Gegensatz zwischen Weiß und Schwarz dreht, das interessiert sie nicht.“
„Dann ist es schon vorbei, denn es ist das Einzige, was mich an Amerika interessiert.“
„Bei dir“, sagte er lachend, „ist das eher der Zusammenprall der Weißen Frau mit dem Schwarzen Mann.“
„Auch eine Art, sich dem Problem zu nähern …“
„Möglich, aber das gehört in die Freizeit. Wenn nicht von Geld die Rede ist, fühlt sich der Weiße nicht angesprochen.“
„Du meinst, der Reiche.“
„Kein linkes Gewäsch, Alter, hier ist der Reiche weiß.“
„Ich hasse Auftragsarbeit.“
„Du entscheidest … Passt ‚das Parfüm des Monats‘ nicht zu dir? Du fährst auf ihre Kosten ein wenig herum und schreibst deine Eindrücke auf, und die zahlen verdammt gut, Alter … das ist Amerika!“, schloss er mit einem lauten, bitteren Lachen.
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