Ich wusste seinen Vertrauensvorschuss zu schätzen, ganz besonders nach Jaz’ Meinung über mich.
Natasha sah mich wieder an. Oder eher meine Ringe. „Ist das klug?“, fragte sie. „Cristiano hinterließ den Eindruck, dass dies eine arrangierte Ehe ist. Ich bin mir sicher, dass er seine Geschäfte nicht in die Hände einer Frau legen würde, der er kaum über den Weg trauen kann.“
„Und ich bin mir sicher, dass er es nicht begrüßen würde, dass Sie so mit mir sprechen“, sagte ich.
Ich war genauso überrascht wie sie, als sie mich daraufhin ansah.
Cristiano würde mich jetzt an meine Geisteshaltung erinnern. Natasha hatte die falsche Haltung mir gegenüber. Genau wie ich auch. Cristiano würde von mir erwarten, dass ich in einer Situation wie dieser, die Dinge anpackte.
„Señora de la Rosa hat viele Berater“, versicherte Alejandro.
Natashas Blick glitt über mich zu ihm zurück. „Ich bin mir sicher, Sie wollen wissen, was passiert ist. Können wir irgendwo reden?“
Waren sie und Cristiano … zusammen gewesen? Heute Abend? Am Telefon hatte er davon nichts erwähnt. Aber warum sollte er auch? Auf jeden Fall konnte ich mich im Moment nicht damit belasten lassen. Cristianos Zustand war viel wichtiger.
„Wir können jetzt reden. Hier“, sagte ich.
Der Aufzug kam und wir betraten ihn. „Vielleicht ist es besser, wenn Sie uns die Sache besprechen lassen“, sagte Natasha zu mir. „Es ist nichts für sanfte Gemüter.“
Ich würde den Elfenbeinturm besitzen und von dort heraus regieren. Das hatte Cristiano mir an dem Tag versichert, an dem wir unsere Gelübde ablegten. Wenn ich nicht selbst daran glaubte, dass ich in seiner Abwesenheit die Dinge leiten konnte, dann würde ich es nie tun. „Ich muss bei allen Unterredungen anwesend sein.“
Sie sah zu Alejandro, als ob er seine Erlaubnis erteilen müsste. „Cristiano vertraut ihr“, sagte er. „Und bei allem Respekt, Natasha, aber Sie sind die Fremde hier.“
Der Aufzug hielt im obersten Stockwerk des Hauses und die Türen öffneten sich. „Nenn mich Tasha. Das macht Cristiano auch“, sagte sie und verließ die Kabine.
Ich versuchte, mit Alejandro mitzuhalten, als er den Flur entlang zu unserem Schlafzimmer ging. Bis er abrupt an der Türschwelle anhielt und sich mit finsterem Blick zu mir drehte.
„Was ist?“, fragte ich.
„Du darfst dich weder von ihr noch irgendwem einschüchtern lassen.“ Er sah sich um. „Sollte Cristiano nicht überleben … hast du hier das Sagen. All das hier gehört dir. Und das meine ich nicht im übertragenen Sinn. Er hat darauf bestanden, dass eure Heirat legal ist.“
Noch bis vor Kurzem hätte ich gedacht, um mich zu quälen. Jetzt fragte ich mich, ob Cristianos Gründe tieferer Natur gewesen waren. Ein Drang, sich auf einer Ebene mit mir zu verbinden, obwohl ich nichts mit ihm zu tun haben wollte. Ein Versuch, mich zu beschützen, auch noch, wenn ihm etwas zustoßen sollte.
„Du hast meine Loyalität, Natalia“, sagte Alejandro und las meine Gedanken. „Cristiano würde es so wollen.“
Ich schluckte und blickte zur Tür. Der zerbrochene Spiegel war fort. Ich nahm an, dass die Leiche am Strand auch verschwunden war. Alejandro und seine Leute arbeiteten schnell.
Mein Blick ging zu Cristiano, der jetzt im Bett lag.
„Wir sollten nicht so über ihn reden, als wäre er schon fort. Noch ist er hier.“
Das Ärzteteam arbeitete so zügig, ich konnte die vier kaum auseinanderhalten, geschweige denn näher als einen Meter an das Bett herankommen. Ruckzuck hatten sie Cristiano an einen Herzmonitor angeschlossen, der aus dem Nichts aufgetaucht war, an einen Tropf gehängt und ihm Spritzen verpasst. Weiße Pflaster klebten auf seinem Oberkörper und überall an ihm hingen Schläuche. An seiner Brust, seinen Armen und Händen. Sein dunkles, zerzaustes Haar klebte an der feuchten Stirn und ich widerstand dem Drang, ihm die Strähnen aus den Augen zu streichen.
„Was ist passiert?“, fragte ich, wer auch immer antworten würde. „Wurde er angeschossen?“
Tasha drehte sich mit verschränkten Armen zu mir. „Messerstiche.“
So nah konnte ich sehen, dass Cristianos Blut ihr rotes Kleid besudelt hatte. Sie hatte geholfen, sein Leben zu retten, während man mir vorhielt, ich hätte es in Gefahr gebracht. Hätte ich die Energie gehabt, hätte ich sie dafür gehasst, dass sie Informationen über meinen Ehemann hatte, die ich wollte. Und für ihr spitzes Kinn, das ihrem Gesicht eine charmante Herzform verlieh, und ihre sinnlichen, osteuropäischen Gesichtszüge und den sanften, unauffälligen Akzent, der so exotisch klang.
Alejandro bat uns, an den Kamin zu gehen und weg von den Ärzten.
„Erzähl uns, was vorgefallen ist“, sagte er zu Tasha.
„Cristiano ist den falschen Leuten auf den Schlips getreten, mit seinem kleinen Unternehmen“, sagte sie.
Sie kannte die Wahrheit und wusste also, was in den Badlands vor sich ging. Sie und Cristiano standen sich nah. Aber wie nah? Nah genug, dass sie über unsere Ehe geredet hatten, aber nicht nah genug, dass sie wusste, dass es nicht nur eine Scheinehe war.
„Cristianos Unternehmen ist alles andere als klein“, sagte ich.
Sie hob eine gezupfte Augenbraue. „Du weißt darüber Bescheid?“
„Über die Geschäfte meines Ehemanns? Ja.“ Auf der anderen Seite des Raums versammelten sich die Ärzte an Cristianos Kopfende. Ich drehte an meinem Diamantring und fügte hinzu: „Wir wissen bereits, dass Belmonte-Ruiz dahintersteckt.“
„Sie haben uns hier auch angegriffen“, erklärte Alejandro. „Du hast gesagt, du hast ihm das Leben gerettet?“
„Cristianos Angreifer ist tot“, sagte sie. „Ich hatte keine Zeit, es nachzuprüfen, aber die Männer meines Vaters haben es mir bestätigt. Sie kümmern sich jetzt um die Leiche.“
„Unsere Leute sind unterwegs, um nach Max und Daniel zu suchen.“ Alejandro sah auf sein Handy. Ich hatte nicht mitgezählt, wie oft schon. „Hast du sie gesehen?“
„Nur auf der Veranstaltung“, sagte sie. „Einer von ihnen bewachte die Tür, während Cristiano und ich uns auf dem Balkon allein unterhielten.“ Sie leckte sich über die Unterlippe und hielt Alejandro im Blick. „Cristiano ging vor mir. Als ich herauskam, sah ich einen der Männer vom Parkdienst mit einem Messer in der Hand über ihm stehen. Auf Cristiano wurde mehrmals eingestochen. Der Mann war gerade dabei, ihn zu töten.“
„Und? Was dann?“, fragte ich.
Tasha nahm sich die Zeit, ihre schmale Clutch aus Schlangenleder zu öffnen. Sie zog eine kleine Handfeuerwaffe hervor, die gerade so in ihre Handfläche passte. „Elena. Benannt nach meiner Großmutter. Keine von beiden hat mich je im Stich gelassen.“
„Du hast ihn erschossen?“, fragte ich.
Sie warf sich die kastanienfarbigen Locken über die Schulter. „Hättest du das etwa nicht, Darling?“
Ich wurde rot. Cristiano hatte mir nicht erlaubt, eine Waffe zu haben. Wo war die White Monarch jetzt? Immer noch in seinem Büro vom La Madrina ? Ich hatte nur die nächstbeste Alternative. Meinen goldenen und silbernen Ehering mit Perlmutteinlage, entworfen nach der eleganten Neunmillimeter, der vor ein paar Stunden auch als Waffe verwendet worden war.
„Wir telefonierten gerade, als es passierte“, sagte ich. Ich hatte das Lächeln in seiner Stimme gehört, als ihm klar wurde, dass ich anrief, weil ich mir Sorgen um ihn machte. Nach Wochen des Widerstandes meinerseits, wie fürchterlich musste es für ihn gewesen sein, zu denken, dass er mich endlich am Haken hatte, dass die einzige Gefahr das übliche Minenfeld unserer Unterhaltungen war, um dann … mit einem Messer attackiert zu werden.
„Hast du sein Handy gesehen, Tasha? Es ist aus“, sagte Alejandro. „Hatte er es in der Hand?“
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