Susann Teoman
Saga
Der Teufel ist blond Coverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 2008, 2019 Susann Teoman und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726255546
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
Seien wir doch mal ehrlich. Klamotten sind eine ernst zu nehmende Angelegenheit!
Letztes Jahr zu Weihnachten beispielsweise ist Tom losgezogen, um mir ein ganz besonderes Geschenk zu kaufen.
Mit freudig geröteten Wangen stand er vor dem Tannenbaum und sah mir beim Auspacken zu. Ich hoffte so sehr auf die schicke Gucci-Lederjacke, die ich ihm neulich gezeigt hatte, dass ich den Karton vor lauter Eifer beinahe in den Kamin fallen ließ, als er ihn mir überreichte. Mit klopfendem Herzen riss ich das hübsche Geschenkpapier vom Karton, öffnete den Deckel mit vor Aufregung klammen Fingern und schob das Seidenpapier beinahe ehrfürchtig beiseite. Ich runzelte angestrengt die Stirn. Es war kein Gucci in dem hübschen Paket.
Im Nachhinein frage ich mich noch immer, ob es meine Schuld war, dass er mich für »Roseanne« hielt. Klar, ich habe nun einmal meine Problemzonen, wie jede Frau, aber trotzdem trage ich Kleidergröße sechsunddreißig/achtunddreißig, das sieht doch wohl jeder! Okay, unten herum passt eine achtunddreißig so gut, dass ich manchmal auf eine Größe vierzig zurückgreife.
Jedenfalls beförderte ich aus dem schicken Karton eines elend teuren Ladens ein Zweimannzelt mit gelben und violetten Streifen.
Links unten prangte in fetzigem Schriftzug das Designerlabel, aber das machte die Sache auch nicht besser.
»Und?«, hatte Tom aufgeregt gefragt, »Gefällt es dir?«
Mehr als ein »Ähm ...« brachte ich nicht heraus, weil ich versuchte herauszufinden, was das für ein Ding war.
»Das ist ein Kleid«, half er mir schließlich weiter.
Darauf wäre ich wirklich nie im Leben gekommen.
»Nett, ehrlich, ist toll«, versicherte ich ihm hastig und musterte unauffällig das Etikett, auf dem die Konfektionsgröße vermerkt war.
Achtundvierzig!
»Zieh es doch mal an!«, bat Tom mit Dackelaugen, und ich versuchte auch, ihm den Gefallen zu tun. Es ist nur schwer, ein Kleid von der Größe eines Fallschirms auf dem Körper zu behalten.
»Passt wie angegossen«, strahlte ich ihn herzlich an, während Tom immer röter wurde und nachdenklich meinen abgestreiften, hautengen Rolli in die Hände nahm.
»Äh, ich dachte, besser man kauft es groß, dann hast du mehr Platz«, wand er sich zaghaft.
Platz wofür?, fragte ich mich. Um damit vom Kölner Dom zu springen?
Seither habe ich jedenfalls keine Kleider mehr von Tom geschenkt bekommen, was ich schade finde. Irgendwann hätte er den richtigen Weg beziehungsweise die richtige Konfektionsgröße schon gefunden, da bin ich mir sicher!
Tja, so war das damals. Und jetzt muss ich für unser Essen sofort einen tollen Fummel zum Anziehen finden, weil Tom mich gleich fragen wird, ob ich ihn heiraten möchte. Davon bin ich jedenfalls überzeugt. Anders kann ich mir seinen Anruf nicht erklären. Kaum ist er wieder auf Kölner Boden gelandet, da ruft er mich auch schon an und erklärt, er hätte etwas Wichtiges mit mir zu besprechen und zwar sofort! Naja, man muss kein Einstein sein, um zu wissen, was er mir sagen will, oder? Immerhin sind wir schon ziemlich lange zusammen und das wäre der nächste, logische Schritt.
Der Kleiderschrank betrachtet mich mit anklagend aufgerissener Schnauze.
Ich bin noch immer genauso weit wie vor einer Stunde. Was soll ich anziehen?
Lassen wir das erst einmal, ich werde mich erst um meine strohblonden Haare kümmern, denn die sind inzwischen knochentrocken. Das sind sie auch dann, wenn sie nass sind. Stahlwolle wird ja bekannterweise nicht richtig nass.
Ich bin übrigens eine Kreuzung aus Whitney Houston, Madonna und Carrie aus Sex and the City, nur mal so nebenher bemerkt. Nicht, dass ich ihre besten Attribute teile! Im Gegenteil, meine Haare wirken enorm afroamerikanisch, ich bin haargenau so klein wie Madonna und besitze deshalb, genau wie Carrie, eindeutig zu viele, zu teure Schuhe mit viel zu hohen Absätzen.
Auf dem Spülkasten im Badezimmer liegt das niegelnagelneue Glätteeisen Clairol 2034, das laut Packungsaufschrift eigens für besonders störrische Haare entwickelt wurde. Das habe ich noch nicht ausprobiert und deshalb natürlich sofort gekauft. Und ich habe in meinem Leben schon eine ganze Menge versucht, um meine Haare zu glätten.
Als kleines Mädchen habe ich beispielsweise einmal auf dem Friedhof zur Walpurgisnacht eine Serie von Hexentänzen im Mondschein veranstaltet, von denen ich in einem Buch gelesen hatte. Meine beste Freundin Mia war natürlich dabei, wie immer völlig wider Willen und schlotternd vor Angst. Dieses etwas unorthodoxe Mittel der Haarglättung hätte vielleicht auch geholfen, wenn wir nicht eines Nachts vom Friedhofswächter verfolgt und dann auf die Polizeiwache geschleppt worden wären, wo man uns eindringlich ins Gewissen redete. Meine Mutter und Mias Vater holten uns dann ab und danach durfte Mia eine ganze Weile nicht mehr bei mir übernachten.
Sieben plattgequetschte Strähnen weiter riskiere ich einen angestrengten Blick auf meine Armbanduhr. Mensch, dauert das lange! Aufgeben kommt für mich aber nicht mehr infrage, zumal eine Seite nun matschiger ausschaut als die andere und ich so nicht vor die Tür gehen kann. Aber wozu bin ich schließlich Frau? Multitasking ist gefragt! Mit einer Hand klemme ich mir fix eine weitere Strähne ins Glätteeisen, und mit der andern Hand schminke ich mich. Na bitte, wer sagt’s denn!
Ich überlege weiterhin, was ich anziehen könnte.
Etwas, das meine Kehrseite kaschiert, wäre vielleicht empfehlenswert. Mein Körper ist okay, ich sehe wirklich ganz gut aus. Nur unterhalb der Taille bin ich vielleicht normaler als beispielsweise Heidi Klum. Ich habe nämlich einen rechtwinkeligen Po. Manchmal habe ich das Gefühl, er läuft einen Meter hinter mir her und ich muss aufpassen, dass ich ihn nicht in den Türspalt klemme, wenn ich einen Raum betrete und die Tür schließen will.
Während ich eine neue Strähne in das Haarbügeleisen zwänge, lackiere ich mir mit der freien Hand die Fußnägel. Ich puste sie trocken und halte plötzlich inne. Ich schnüffle angestrengt. Merkwürdig riecht es hier. Meine Nachbarin kocht sicher wieder eine perverse Köstlichkeit wie geräucherten Pansen für ihren Rottweiler. Ich schenke dem Geruch keine weitere Beachtung.
Irgendwie riecht es hier nun doch stärker ... nach etwas Verbranntem ... das ist doch nicht ... Mistmistmist!
Habe mir eine Haarsträhne abgeflammt! Hektisch haue ich mir auf den Kopf und hoffe so, die Rauchschwaden, die von meiner Kopfhaut emporschweben, zu ersticken. Ich muss husten und meine Augen tränen, als hätte ich gerade hundert Kilo Zwiebeln geschält. Endlich lässt der Qualm ein wenig nach. Kritisch beäuge ich mich im Spiegel und atme tief ein. Ob Tom die paar frisch verbrannten Stoppeln wohl bemerkt? Es schwelt noch immer. Wusste gar nicht, dass verbrannte Haare so intensiv stinken können. Was soll’s! Bei so vielen Haaren fällt die eine Strähne mehr oder weniger bestimmt nicht auf.
Schon Viertel vor acht!
Nur mit meinem knallrosa Glückstanga bekleidet, renne ich zurück in das Krisengebiet Schlafzimmer und luge sehr viel panischer als eben in den Kleiderschrank. Die Zeit rast wie Schumi zu Glanzzeiten. Langsam wird’s eng. Und noch immer kein passendes Kleidungsstück in Sicht.
Читать дальше