Susanne Danzer - Der Teufel von London

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Mit Band 4 dürfen sich alle Freunde der Reihe «Montgomery & Primes» auf einen neuen Fall freuen:
London, 1888 – Opium überschwemmt die Metropole London und fordert zahlreiche Opfer.
Dr. Celeste Montgomery und Detective Inspector Archibald Primes von Scotland Yard machen sich auf die Suche nach dem Schuldigen, den sie hinter all dem vermuten: den Teufel von London.

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Der Teufel von London

Ein Fall für Montgomery und Primes

Kriminalroman

von

Susanne Danzer & Thomas Riedel

Bibliografische Information durch

die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://dnb.de abrufbar

bereits erschienen:

Eine Leiche zum Lunch, IBSN 978-3-7418-3121-8

Der blinde Zeuge, IBSN 978-3-7418-0000-0

Der tödliche Engel, IBSN 978-3-7418-8018-6

1. Auflage

Covergestaltung:

© 2017 Buchcoverdesign: Sarah Buhr – www.covermanufaktur.deunter Verwendung von Bildmaterial von:

unter Verwendung von Bildmaterial von Andrey Yurlov / www.shutterstock.com

ImpressumCopyright: © 2017 Susanne Danzer & Thomas Riedel

https://www.facebook.com/MontgomeryPrimes

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN siehe letzte Seite des Buchblocks

Für Sabrina Z.

»Rauschgift:

Eine unverriegelte Tür

im Gefängnis der Identität.

Sie führt auf den

Gefängnishof«

Ambrose Gwinnett Bierce (1842-1914)

Kapitel 1

Er gehörte ohne Zweifel zu denen, die bisher nur die Schattenseiten des Lebens kennengelernt hatten. Doch alles, was er bis jetzt erlebt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, wie es im Augenblick um ihn stand.

Charles Morrison klimperte mit seinen letzten Münzen, als er im Londoner Hafen zum Dock XIII hinüberschlenderte und nach einem geeigneten Platz suchte, an dem er die kommende Nacht verbringen konnte. Selbst für das bescheidenste Zimmer reichte der klägliche Inhalt seiner Taschen nicht mehr aus.

Hier im geschäftigsten Hafen der Welt, dessen Ankerplätze sich ohne Unterbrechung fast elf Meilen an der Themse entlangzogen, schlief Charles nicht zum ersten Mal. Inzwischen kannte er sich ganz einigermaßen gut aus. Er wusste natürlich, dass es für ihn nicht ungefährlich war einfach in einen der zahlreichen Lagerschuppen zu kriechen. Wenn man ihn dort erwischte, würde man ihn nicht gerade mit Samthandschuhen anfassen und ganz sicher die Polizei alarmieren – auf keinen Fall wollte er sich in einer Zelle wiederfinden.

Aber zwischen all den vielen Kisten und Fässern am Ladekai, deren Zahlen in die Tausende gingen, war zumeist noch irgendwo ein sicheres Plätzchen für ein halbwegs passables Nachtlager zu finden, das seinen geringen Ansprüchen genügte.

Es dauerte keine zehn Minuten und hatte gefunden, was er gesucht hatte.

Aus dem geeigneten Kistenstapel zog er eine der unteren heraus und verschaffte sich so einen Platz, der gerade groß genug war, dass er sich ausstrecken konnte. Es war zwar nicht das › Savoy ‹-Hotel, aber es war gemütlicher, als es den Anschein hatte.

Die nächste Gaslaterne war immerhin vierzig Yards entfernt, sodass er auf der einen Seite schwer zu entdecken und andererseits nicht durch das Licht gestört werden würde.

Charles Morrison kroch in den entstandenen Hohlraum und machte es sich bequem. Bevor er sich ausstreckte, breitete er eine Zeitung unter sich aus, um seinen einzigen und deshalb besten Anzug nicht noch mehr zu beschmutzen. Die Tageszeitung hatte er auf seinen Streifzug durch die Stadt auf einer Parkbank gefunden, wo sie jemand hatte liegen lassen.

Nachdem er sich auf seinem Lager ausgestreckt hatte, verschränkte er die Hände hinter dem Kopf und blickte nachdenklich hinauf in die Dunkelheit. Vielleicht konnte er sich am nächsten Morgen irgendwo wegen Arbeit anstellen – Tagelöhner wurden schließlich immer gebraucht und gerade hier an den Docks fehlte es stets an fest zupackenden Händen. Wenn einer allerdings schon aussah wie ein völlig heruntergekommener Vagabund, dann verringerte das die Chance immens, auch nur für ein paar Stunden arbeiten zu dürfen. Und am Abschluss eines Tages waren ein paar Münzen auf der Hand allemal besser als keine.

Charles fand in einer seiner Taschen noch ein paar zerknautschte Zigaretten und glücklicherweise ein Päckchen Zündhölzer. Er riss eines der wenigen Hölzchen an einem der Kopfpflastersteine und steckte sich eine der völlig verbogenen Kippen an. Genüsslich nahm er einen tiefen Zug und sah nachdenklich zur Hallendecke.

Es schien eine warme Nacht zu werden. Wärmer als erwartet. In der Nähe lag ein Frachter aus Schweden. Durch einen Spalt in der Holzwand konnte er die Deckwache gut erkennen.

Ihr habt es gut, dachte er bei sich, immer genug zu essen, in jedem Hafen eine süße Braut und gute Bezahlung. Aber zur See fahren? Ist nicht gerade ungefährlich. Schwimmen kann ich auch nicht – im Fall der Fälle. Nein, das ist nichts für mich. Will ja nicht als Fischfutter enden.

Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Schritte waren zu hören. Charles bewegte sich keinen Inch mehr. Auf keinen Fall wollte er entdeckt werden und seinen Platz verlieren, denn das Loch, in dem er die Nacht zuzubringen gedachte, gefiel ihm.

Durch eine Ritze in der Wand konnte er zwei Männer erkennen, die zielstrebig an ihm vorbeigingen und unter einem schmächtigen Kran stehen blieben – aber es waren nur grobe Umrisse im Halbdunkel.

Einer der Männer schien Matrose zu sein, der Kleidung nach zu urteilen, die er trug, und dem breitbeinigen Gang, der den meisten Seeleuten nach Jahren auf einem Schiff zu eigen war. Der andere trug einen dunklen Anzug aus Tweed, wie Charles unbewusst registrierte.

Etwas Besonderes fiel ihm auf. Der Mann im feinen Zwirn trug einen schwarzen Bowler, keinen Zylinder, und Charles fand dies ungewöhnlich. Jeder, der irgendetwas auf sich hielt und keinen Geldmangel hatte, trug zurzeit einen Zylinder wie es in Mode war.

Schon bald war Charles‘ Interesse an den beiden Männern verflogen. Sein Magen knurrte vernehmlich, denn seit dem Morgen hatte er nichts mehr zu sich genommen. Allerdings war er daran gewohnt, dass Mahlzeiten eher unregelmäßig in seinem Bauch landeten.

London war nicht das richtige Pflaster für ihn, wie er sich resigniert eingestand. Die Stadt hatte es ihm noch nie leicht gemacht. Bereits bei seiner Ankunft lief alles daneben und er schien vom Pech verfolgt zu sein. Über diesen Gedanken nickte er schließlich ein.

Wie lange er bereits in dem Kistenstapel gelegen hatte, konnte er später nicht mehr sagen.

Er wachte aus einem Halbschlaf auf, als er ganz in seiner Nähe Stimmen hörte. Jemand machte sich an den neben und über ihm gestapelten Kisten zu schaffen. Sehen konnte er nichts, denn die Männer standen in seinem Rücken, und sein Versteck war so eng, dass er sich nicht umdrehen konnte, ohne Gefahr zu laufen, bemerkt zu werden.

»Los, rauf mit der Kiste«, hörte er einen Mann leise sagen. »Und dann nichts wie weg von hier. Ich will auf keinen Fall erwischt werden. Dafür ist die Kohle nicht genug.«

Charles bewegte sich auch jetzt nicht.

Was habt ihr Gangstertypen nur vor? , fragte er sich.

Er hörte, wie sie unmittelbar über ihn eine Kiste hoch wuchteten und zog unwillkürlich den Kopf ein.

Charles bekam nur einen von den Männern zu sehen – den mit dem dunklen Anzug und dem Bowler. Er schien zu denen zu gehören, die sich an dem Kistenstapel zu schaffen gemacht hatten.

Insgesamt waren sie zu viert, wie Charles feststellte – drei Männer und eine Frau. Er hatte den Eindruck, dass sie sehr in Eile waren.

Charles Morrison ahnte nicht, dass ihn dieses Erlebnis noch lange beschäftigen würde. Er wusste nur, dass sie keine der Kisten mitgenommen hatten. Also störte ihn die Sache nicht weiter – und selbst wenn, dann wäre es nicht seine Angelegenheit gewesen. Es war besser, sich nur um sich selbst zu kümmern.

Wo sie ihn nun schon aus seinem sanften Schlummer gerissen hatten, steckte er sich noch eine Zigarette an, obwohl er sie sich eigentlich für den nächsten Tag aufbewahren wollte. Er wusste nie, wann er wieder etwas zum Rauchen bekam – und dann war da noch der Hunger, der ihn nicht so rasch wieder einschlafen lassen wollte. Ein knurrender Magen war kein gutes Schlaflied.

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