Zuversichtlich, aber weniger fröhlich als in seinen Jugendtagen zog Buquoy dem Kriegsschauplatze zu, von wo bald lauter böse Nachrichten einliefen. Er befinde in Böhmen alles anders, als man ihm ausgemalt habe, schrieb er unmutig und niedergeschlagen an den Kaiser; die Böhmen seien keineswegs so untüchtig in der Kriegführung und zusammengelaufene Haufen, als welche man sie in Wien habe darstellen wollen, sondern kämpften grimmig, sodass er ihnen nicht habe beikommen können. Für ein Gut in diesem Lande bedanke er sich, denn es liege ihm nichts daran, sich zwischen einer Herde von Wölfen seines Lebens zu wehren.
Durch ein geschicktes Zusammenwirken mit dem Obersten Dampierre hätte Buquoy sich wohl eher helfen können; allein diese beiden konnten sich durchaus nicht vertragen, da Dampierre sich dem Buquoy nicht unterordnen wollte und dieser jenen als einen rohen Menschen ohne adlige Sitte verachtete, und außerdem, da Dampierre, als eine Kreatur Ferdinands, den Krieg keineswegs so gelinde führen wollte wie der Feldmarschall des Kaisers, dem es auf eine schleunige Versöhnung mit dem Gegner ankam.
Zu diesen bedenklichen Nachrichten aus Böhmen kam nun im November noch das Erscheinen des Kometen, um den Kaiser zu ängstigen, der sich ohnehin, seit ihm Khlesl so unverhofft von der Seite gerissen war, trübseligen Befürchtungen hingab. Die Ärzte verordneten ihm, um seine Lebenskraft anzuspornen, bald eine Luftveränderung, bald ließen sie ihn purgieren, aber es blieb beim alten, nicht einmal das dünne Süpplein, das er durch ein Rohr einsog, schmeckte ihm mehr. Zuerst verschaffte es ihm eine gewisse Erleichterung, als im Dezember die fettleibige Kaiserin plötzlich starb; denn nun schien sich die Drohung des Kometen auf sie bezogen zu haben; aber andererseits vermisste er ihr freundliches, unterhaltliches Wesen und verging vor Kummer und Langerweile in den Stunden, wo er sonst mit ihr beim Brettspiel gesessen hatte. Auch verschwand der unheilvolle prophetische Finger nicht vom Himmel, sondern wies unverwandt auf ihn, das weltliche Haupt der Christenheit, als welcher mitsamt seinen verübten Freveln vom Erdboden hinweg müsse, vielleicht durch eine Sündflut sondergleichen weggeschwemmt.
Mansfeld lag, als Feldherr der böhmischen Stände, mit dem im Dienste des Herzogs von Savoyen angeworbenen Heere vor der Stadt Pilsen, die sich mit Berufung auf den Kaiser geweigert hatte, die Prager Direktoren anzuerkennen.
Der Oktober war licht, lauter und überreich an Früchten, es fehlte nicht an Nahrung im Lager. Ein Häuflein Soldaten lagerte um die Geschütze herum, die sie zu bedienen hatten, und verspottete, nach der Mauer blickend, den Feind, der nicht treffen könne. Nur der Scharfrichter, hieß es, verfehle nie das Ziel, weshalb man glaubte, dass er im Besitze von Freikugeln sei. Mit diesem hatte Mansfeld eine verhängnisvolle Begegnung gehabt: da er sich nämlich einmal der Mauer allzu sehr näherte, ritt ein Leutnant dicht an ihn heran und bat ihn, sich zurückzuziehen, damit ihn nicht der Scharfrichter, der auf der Wache sei, aufs Korn nehme. Mansfeld, der ungern vor einer Gefahr zurückwich, rief zürnend nach der Mauer hinüber: »Seid ihr ehrliche Bürger und Bauern, dass ihr an eines Scharfrichters Seite schießen mögt?«, worauf augenblicklich eine Stimme, nämlich die des Scharfrichters, zurück höhnte: »Kämpft ihr doch gar unter einem Bastard!« Über diesen Vorfall plauderten die bei den Geschützen, als ein junger Mensch namens Blasius aus Graz prahlte, er fürchte den Henker nicht und wolle sich kalten Bluts dicht an den Festungsgraben stellen und der Besatzung auf der Mauer zutrinken. Die Kameraden schüttelten zweifelnd den Kopf, andere meinten, er sei vielleicht fest oder trage irgendein Amulett bei sich, das ihn schütze. Er trage allerdings einen Georgentaler, sagte Blasius, aber er sei bereit, denselben vorher abzulegen, wenn die Kameraden nach glücklich vollbrachtem Wagnis drei Taler darauflegen wollten. Nachdem sie über die Wette einig geworden waren, ergriff er einen vollen Krug, ging hurtigen Schrittes bis zum Graben und schwenkte ihn gegen die Mauer, wobei er herausfordernde Worte rief. Sofort rührte es sich auf dem Wall, und einige Schüsse fielen, Blasius jedoch drehte sich geschickt auf den Fersen um, bückte sich, raffte eine Kugel auf, warf sie in die Luft und verbeugte sich wie nach einem gelungenen Kunststück gegen die Stadt; dann ging er wieder dem Lager zu, wobei er Bedacht nahm, einen gemessenen Schritt einzuhalten. Der Zufall wollte, dass Mansfeld dazukam, als die Kameraden den jungen Wagehals glückwünschend umringten; er lächelte beifällig und reichte ihm ein paar Dukaten, indem er hinzufügte, er habe gerade Geld aus Turin erhalten und sei nicht gewohnt, das schwere Metall lange in der Tasche zu behalten.
Bei den Geschützen wurde auf diesen Glücksfall hin gewürfelt und gezecht. Schon drehte sich die Ampel der Sterne im Schoße der Nacht, als ein Zank unter den Spielern entstand, weil der Blasius einen anderen beschuldigte, falsche Würfel untergemengt zu haben. Dieser verteidigte sich durch die Gegenbeschuldigung, Blasius habe trotz des Georgentalers noch irgendeinen Teufelszauber bei sich gehabt, und jeder von ihnen hätte auf diese Weise den Mutigen spielen und den Gewinn davontragen können. »Wenn ich einen Zauber hätte«, rief Blasius, »so brauchtet ihr nicht neidisch zu sein. Ihr könntet euch auch einen verschaffen, wenn ihr den Mut hättet.« Wie sie nun in ihn drangen, das Geheimnis zu bekennen, er sich weigerte, sie ihn zwingen wollten, wurde der Streit toller, und die Raufenden kamen erst zur Besinnung, als Blasius erstochen war.
Geheul und Geschrei zog den Profosen herbei, der Miene machte, Hand an die Schuldigen zu legen, aber einlenkte, als ihm ein paar von Mansfelds Goldstücken in die Hand geschoben wurden. Er hatte früher in einer Türkenschlacht ein Auge verloren und pflegte über die leere Höhle kreuzweise zwei Streifen schwarzer Seide zu kleben; aus dem übriggebliebenen Auge schoss er jetzt einen schnellen Schlangenblick auf den ärgsten Raufer, wie um ihm ein Merkmal einzuätzen, und beschloss, ihn bei der nächsten Gelegenheit, die nicht ausbleiben würde, zu hängen. Ein gleichfalls herbeigeholter Pfarrer bückte sich über den verscheidenden Blasius und hörte dessen geflüsterte Beichte: es habe ihm kürzlich eine Zigeunerin geweissagt, er werde nicht vor dem Feinde, sondern bei einem Zwist mit Freunden fallen, das habe ihn so kühn gemacht; verbotene Künste habe er nicht getrieben, sondern sterbe als ein guter Christ in Erwartung der himmlischen Seligkeit.
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