4 So viel von der Unwürdigkeit der Sache. Was soll ich aber nun, da die Würdigkeit sich bloß auf Menschen bezog, von den Religionsgebräuchen und den Auspizien sagen, wodurch dieser Unfug sich so ganz zu einer Verachtung und Beleidigung der unsterblichen Götter eignet? Wer weiß nicht, dass unsere Stadt auf Zustimmung von oben gebaut sei, dass nach diesen Auspizien sich die ganze Staatsverwaltung im Krieg und im Frieden, im Inneren und im Äußeren richte? Und wer hat nach der Einrichtung der Vorfahren diese Auspizien auszumitteln? 5 Ich sage geradezu, die Väter, denn bei der Wahl einer bürgerlichen Obrigkeit wird nach diesen Auspizien nicht einmal gefragt. 6 Uns sind die Auspizien so eigentümlich, dass nicht allein das Volk diejenigen patrizischen Obrigkeiten, die von seiner Wahl abhängen, nicht anders wählen darf, als wenn wir die göttliche Genehmigung eingeholt haben, sondern dass auch wir für uns, ohne alle Stimmenwahl des Volkes, bloß auf die Bewilligung von oben einen Zwischenkönig ernennen können, und also selbst außer dem Amt die Einholung des Götterwillens haben, die jenen dort nicht einmal als Obrigkeiten zukommt. 7 Wer also durch seine Wahl bürgerlicher Konsuln den Vätern die Auspizien, die sie allein besitzen, entzieht, was tut der anders, als dass er alle Befragung des Götterwillens im Staat abschafft? Mögen sie immerhin als Spötter der heiligen Gebräuche fragen: 8 Was ist es denn mehr, wenn einmal die Hühner nicht fressen, wenn sie nicht so geschwind aus dem Käfig kommen, wenn ein Vogelschrei eine Warnung sein soll? Dies sind Kleinigkeiten, aber als Nichtverächter dieser Kleinigkeiten haben unsere Vorfahren dem Staat diese Größe gegeben, 9 und wir, als bedürften wir der Gnade der Götter weiter nicht, verachten bereits die heiligen Gebräuche. So lasst uns denn Oberpriester, Vogelschauer, Opferkönige ohne Unterschied wählen, jedem, der nur Menschengestalt hat, den Kopfschmuck aufsetzen, den nur Jupiters Eigenpriester trägt; die Ancilien, des Reiches heilige Kleinode, die Götter selbst und die Sorge für die Götter in verbotene Hände geben. 10 Lasst uns ohne Einholung des Götterwillens Gesetze geben, ohne ihn Obrigkeiten wählen. Lasst uns die Genehmigung der Väter, wir mögen unsere Volkstage nach Zenturien oder nach Kurien halten, unnötig finden. Mögen Sextius und Licinius gleich einem Romulus und Tatius in der Stadt Rom gebieten, weil sie fremdes Geld, weil sie Ländereien verschenken. 11 So angenehm ist es, anderer Eigentum zu plündern; und niemand begreift, dass durch den einen Vorschlag, wenn wir die Besitzer von ihren Feldmarken treiben, unsere Ländereien zu wüsten Einöden werden, und durch den andern Treue und Glaube vernichtet wird, womit die ganze menschliche Gesellschaft aufgehoben wird. 12 In jeder Hinsicht müsst ihr, wie ich glaube, diese Vorschläge verwerfen. Geben die Götter zu eurem Tun ihren Segen.
(42) Die Rede des Appius bewirkte nur so viel, dass die Annahme der Vorschläge noch aufgeschoben wurde. 2 Sextius und Licinius, zum zehnten Mal wieder zu Tribunen gewählt, setzten den Vorschlag durch, Zehnmänner des Gottesdienstes zur Hälfte aus den Bürgerlichen zu wählen. Man wählte fünf aus den Vätern und fünf aus dem Bürgerstand, und durch diesen Schritt schien der Weg zum Konsulat schon gebahnt zu sein. 3 Zufrieden mit diesem Sieg gab der Bürgerstand, ohne jetzt von den Konsuln weiter zu reden, den Vätern darin nach, dass Kriegstribunen gewählt werden sollten. Man wählte die beiden Cornelier Aulus und Marcus, beide zum zweiten Mal, den Marcus Geganius, Publius Manlius, Lucius Veturius, Publius Valerius zum sechsten Mal.
4 Von der Belagerung von Velitrae, deren Ausgang mehr zögernd als zweifelhaft war, abgesehen, hatten die Römer von außen Ruhe, als das unerwartete Gerücht von einem einbrechenden Gallischen Krieg den Senat bewog, den Marcus Furius zum fünften Mal zum Diktator zu ernennen. Er ernannte den Titus Quinctius Pennus zu seinem Magister Equitum.
5 Claudius76 berichtet, man habe mit den Galliern in diesem Jahr am Fluss Anio gekämpft, und jener berühmte Zweikampf auf der Brücke, in welchen sich Titus Manlius mit dem ihn herausfordernden Gallier einließ, ihn im Angesicht beider Heere erschlug und ihm die Halskette abnahm, habe damals stattgefunden. 6 Die Mehrzahl der Angaben bestimmt mich zu der Annahme, dass jene Begebenheit volle zehn Jahre jünger, das Treffen dieses Jahres aber unter dem Diktator Marcus Furius im Gebiet von Alba geliefert sei. So groß der Schrecken war, den die Gallier den Römern durch die Erinnerung an die frühere Niederlage mitbrachten, 7 so war dennoch für diese der Sieg weder zweifelhaft noch schwer. Tausende von Barbaren fielen in der Schlacht, Tausende wurden nach Eroberung ihres Lagers niedergemacht. 8 Die Übrigen, welche größtenteils nach Apulien hinüberstreiften, sicherten sich vor dem Feind teils durch die Flucht in die Ferne, teils dadurch, dass sie vor Bestürzung und Schrecken sich hier- und dorthin versprengten. Dem Diktator wurde einstimmig von den Vätern und Bürgern der Triumph zuerkannt.
9 Kaum hatte er diesen Krieg beendigt, so machte ihm im Inneren ein weit heftigerer Aufstand zu schaffen, in welchem Diktator und Senat, nach harten Kämpfen besiegt, die tribunizischen Vorschläge annehmen mussten; und es kam trotz des Widerspruches des Adels eine Konsulwahl zustande, nach welcher Lucius Sextius als der erste Konsul aus dem Bürgerstand gewählt wurde. 10 Aber auch dies machte den Streitigkeiten noch kein Ende. Weil die Patrizier ihre Bestätigung verweigerten, kam es beinahe zu einer Auswanderung des Bürgerstandes und zu anderen schrecklichen Drohungen bürgerlicher Streitigkeiten. 11 Doch wurden noch vom Diktator die Zwistigkeiten auf Grund eines Vertrages beigelegt, und vom Adel dem Bürgerstand ein bürgerlicher Konsul, von den Bürgern dem Adel ein aus den Vätern zu wählender Prätor zugestanden, der die Rechtspflege in der Stadt handhaben sollte. 12 Da nun nach dieser auf die lange Erbitterung erfolgten Rückkehr der Stände zur Eintracht der Senat erklärte, dieses Ereignis verdiene, durch prächtige Spiele und Verlängerung der dreitägigen latinischen Festlichkeiten um einen Tag gefeiert zu werden, 13 und man werde sich zu diesem den unsterblichen Göttern zu erweisenden Ehrendienst mehr als je verpflichtet fühlen, verweigerten die Ädilen diesen Dienst, während die jungen Patrizier durch einmütigen Ruf versprachen, sie wollten dies gern zur Ehre der unsterblichen Götter tun, wenn man sie zu Ädilen mache. 14 Von allen wurde ihnen Dank gesagt, und der Senat beschloss, dass der Diktator beim Volk auf die Ernennung zweier Ädilen aus den Vätern antragen, und die Väter alle Wahlen dieses Jahres bestätigen sollten.
Inhalt
Die obrigkeitlichen Ämter wurden um zwei neue vermehrt, die Prätur und das Kurulische Ädilenamt. Die Stadt wurde von einer Pest heimgesucht, welcher des Furius Camillus Tod eine Denkwürdigkeit gab, und da man, um zu genesen und die Pest zu vertreiben, neue heilige Feierlichkeiten anstellte, gab dies den Spielen der Schaubühne den Ursprung. Als der Volkstribun Marcus Pomponius den Lucius Manlius wegen seiner Härte bei der Werbung und weil er seinen erwachsenen Sohn Titus Manlius ohne Schuld auf das Land verwiesen habe, vor Gericht forderte, kam der Jüngling selbst, dessen Verweisung man dem Vater zum Vorwurf machte, in des Tribuns Schlafzimmer und zwang ihn mit gezücktem Schwert, ihm den Eid nachzusagen, dass er die Klage nicht fortsetzen wolle. Das ganze Vaterland gerät durch einen Erdfall in der Stadt Rom in den größten Schrecken, und man wirft in den tiefen Schlund Kostbarkeiten aller Art. In seiner Rüstung zu Pferd stürzt Curtius sich hinein, und der Abgrund schließt sich. Der junge Titus Manlius, der seinen Vater von der Plackerei des Tribuns gerettet hatte, trat gegen einen Gallier, der die römischen Soldaten herausforderte, zum Zweikampf auf, nahm dem Erlegten eine goldene Halskette ab, die er nachher selbst trug, und bekam davon den Namen Torquatus. Zu den Bezirken kommen zwei neue hinzu, der Pomptinische und Publilische. Licinius Stolo wird Kraft des von ihm selbst vorgeschlagenen Gesetzes verurteilt, weil er mehr als 500 Morgen Land besaß. Marcus Valerius erschlägt als Kriegstribun einen Gallier, von dem er herausgefordert war, mit Hilfe eines Raben, der sich ihm auf den Helm setzt und den Feind mit Krallen und Schnabel anfällt, und bekommt davon den Namen Corvus, und wird das Jahr darauf in einem Alter von dreiundzwanzig Jahren seiner Tapferkeit wegen zum Konsul gewählt. Geschlossener Freundschaftsvertrag mit Karthago, weil die Campaner, von den Samniten mit Krieg bedrängt, die bei dem Senat gesuchte Hilfe gegen sie nicht erhalten, übergeben sie ihre Stadt und ihr Land dem römischen Volk; dies bewirkt den Entschluss, sie als nunmehriges römisches Eigentum mit den Waffen gegen die Samniten in Schutz zu nehmen. Als das Heer unter Zuführung des Konsuls Cornelius in einer nachteiligen Stellung in große Gefahr geriet, wurde der Kriegstribun Publius Decius Mus dessen Retter. Durch Besetzung eines Hügels, der die Höhe beherrschte, auf welcher sich die Samniten gelagert hatten, gab er dem Konsul Gelegenheit, sich auf einen vorteilhafteren Platz zu ziehen, er selbst schlug sich durch die ihn umschließenden Feinde. Als die zur Besatzung in Capua gelassenen römischen Soldaten sich verschworen hatten, die Stadt für sich in Besitz zu nehmen, und nach Entdeckung ihres Anschlages aus Furcht vor der Strafe vom römischen Volk abfielen, wurden sie durch den Diktator Valerius Corvus, dessen Klugheit sie von ihrer Verblendung zurückrief, dem Vaterland wiedergegeben. Außerdem enthält dieses Buch Siege über die Herniker, Gallier, Tiburtiner, Privernaten, Tarquinier, Samniten und Volsker.
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