(40) Als den übrigen vor Unwillen staunenden und verstummenden Vätern jede Antwort auf diese trotzende Rede der Volkstribunen erstarb, 2 soll Appius Claudius Crassus, der Enkel des Dezemvirn, mehr von Hass und Zorn als von Hoffnung beseelt, als Gegenredner aufgetreten sein und etwa folgende Rede gehalten haben:
3 Es wäre mir nicht neu, nicht unerwartet, ihr Quiriten, wenn man den Hauptvorwurf, den aufrührerische Tribunen unserer Familie immer gemacht haben, auch mir jetzt anzuhören gäbe, dass uns Claudiern gleich von Anfang an im Staat nichts wichtiger gewesen sei als die Ehre der Väter, und dass wir uns immer den Vorteilen des Bürgerstandes widersetzt hätten. 4 Das Eine will ich nicht in Abrede stellen, es nicht widerlegen, dass wir von der Zeit an, wo wir zugleich in das Bürgerrecht und unter die Väter aufgenommen wurden, uns angelegentlich bestrebt haben, dass man uns mit Wahrheit nachsagen könne, die Ehre der Geschlechter, unter denen ihr uns unseren Platz angewiesen habt, sei durch uns eher gehoben als herabgesetzt. 5 Hinsichtlich des Zweiten, ihr Quiriten, glaube ich für mich und meine Vorfahren behaupten zu dürfen, wenn nicht etwa jemand das, was man zum Besten des Ganzen tut, als nachteilig für den Bürgerstand ansehen will, gerade als ob dieser eine andere Stadt bewohnte, dass wir wissentlich, wir mochten ohne Amt oder im Amt sein, nie etwas getan haben, was mit dem Wohl des Bürgerstandes unverträglich wäre, und dass man uns mit Wahrheit keiner Tat oder Rede zeihen könne, die euren Vorteil bestritten hätte, sollte sie auch zuweilen euren Willen bestritten haben. 6 Oder sollte ich – gesetzt, ich wäre nicht vom claudischen Stamm, nicht von patrizischem Blut entstammt, sondern ein Quirit wie jeder andere, und wäre mich nur meiner Abkunft von zwei freien Eltern, meines Daseins in einem freien Stand bewusst –, 7 sollte ich dann dazu schweigen können, wenn so ein Lucius Sextius und Caius Licinius, diese, Gott sei’s geklagt, immerwährenden Tribunen, in den neun Jahren, in denen sie herrschen, sich mit der Frechheit so vertraut gemacht haben, dass sie euch ankündigen, sie würden euch weder über die Wahlen noch über die Annahme von Vorschlägen das Recht der freien Stimme gestatten? 8 Nur unter Bedingungen, spricht so ein Mensch, sollt ihr uns zum zehnten Mal zu Tribunen wiederwählen können. – Was sagt dies anders, als was andere suchen, das ist uns so sehr zum Ekel, dass wir es ohne eine große Bewilligung nicht annehmen mögen. – 9 Und worin besteht nun diese Bewilligung, unter der wir euch immer zu Tribunen haben sollen? – Darin, dass ihr unsere sämtlichen Anträge, sie mögen euch gefallen oder nicht, euch nützlich oder schädlich sein, ohne sie zu trennen, annehmt. – 10 Setzt den Fall, ich bitte euch, ihr Tarquinier in Tribunengestalt, ich riefe mitten aus der Versammlung als einzelner Bürger zu euch: Habt doch die Gnade, uns zu erlauben, dass wir von diesen Vorschlägen diejenigen auswählen, die wir uns für zuträglich halten, und mit den anderen es beim Alten lassen. – 11 Nein, spricht er, das wird nicht erlaubt. Nicht wahr, dann würdest du die Vorschläge, an denen ihr alle teilnehmt, ich meine die über die Schulden und Ländereien, gutheißen, ließest aber den Gräuel nicht zur Wirklichkeit kommen, der euch mit Unwillen, mit Abscheu erfüllt, dass die Stadt der Römer so einen Lucius Sextius und einen Caius Licinius als ihre Konsuln ansehen soll? Genehmigt sie entweder alle, oder ich schlage nichts vor. – 12 Geradeso als ob man einem von Hunger Gequälten mit der Speise Gift hineinsetzte und von ihm verlangte, entweder sich des Gedeihlichen zu enthalten, oder mit dem Gedeihlichen das Todbringende zusammenzuschütten. Das ist’s, was ich sage: Wenn der Staat frei wäre, würden euch dann nicht viele zurufen: Fort mit dir und deinen Tribunaten und Vorschlägen! Oder meinst du, wenn du nicht einen Vorschlag machtest, in dessen Annahme das Volk seinen Vorteil sähe, dass ihn zu machen sich niemand finden werde? – 13 Wenn ein Patrizier, oder was nach ihrer Meinung noch gehässiger klingen soll, wenn ein Claudier spräche: Entweder nehmt alles an, oder ich habe gar keine Vorschläge zu machen! – Quiriten, wer von euch würde das ertragen? 14 Werdet ihr denn nie lernen, lieber auf die Sache als auf den Angeber zu sehen, sondern immer alles, was das Tribunat euch vorzutragen hat, mit geneigtem Ohr, und was wir euch sagen wollen, mit Abneigung zu vernehmen? – 15 Ja, sagt ihr, schon eure Sprache hat einen so unbürgerlichen Ton. – So? Wie steht’s denn um den Vorschlag, dessen Verwerfung sie euch so übelnehmen? Ja, freilich, Quiriten, der klingt so leutselig als möglich. Ich trage darauf an, so lautet er, dass ihr nicht die Konsuln ernennen dürft, die ihr wollt. 16 Könnte jemand seinen Antrag anders abfassen, wenn er euch befehlen wollte, den einen Konsul vom Bürgerstand zu nehmen und das Recht, zwei Patrizier zu wählen, euch untersagte? 17 Wenn wir jetzt solche Kriege hätten, wie der Etruskische war, als Porsenna das Janiculum besetzt hatte, oder wie der Gallische kürzlich, da außer dem Kapitol und der Burg dies hier alles in Feindeshänden war, und es bewürbe sich mit Marcus Furius hier oder mit jedem anderen aus den Vätern so ein Lucius Sextius um das Konsulat, würdet ihr es dann nicht unerträglich finden, dass Sextius unbezweifelt Konsul sein müsste, Camillus aber Gefahr liefe, abgewiesen zu werden? 18 Heißt das, die Ehrenämter gemeinsam machen, wenn aus dem Bürgerstand zwei Konsuln erwählt werden dürfen, aus den Patriziern aber nicht? Wenn man den einen schlechterdings aus dem Bürgerstand nehmen muss, bei beiden Stellen aber die Patrizier unbeachtet lassen kann? Wo bleibt hier die Gemeinschaft, wo die Gleichstellung? Ist dir das zu wenig, dass du Anteil an einer Sache bekommst, an der du bis dahin nicht den geringsten Anteil hattest, wenn du nicht auch, indem du nach dem Anteil greifst, zugleich das Ganze an dich reißt? – 19 Ja, spricht er, ich fürchte, wenn ihr zwei aus den Patriziern wählen dürft, dass ihr gar keinen Bürgerlichen wählt. – Was heißt das anders, als, weil ihr mit gutem Willen Unwürdige nicht wählen werdet, so will ich euch die Notwendigkeit auferlegen, die zu wählen, die ihr nicht wollt. 20 Und was wird die Folge davon sein? Dass der eine Bürgerliche, wenn er mit zwei Patriziern sich bewirbt, seine Wahl nicht einmal als Wohltat dem Volk zu verdanken hat, sondern behaupten kann, er sei nach dem Gesetz, nicht weil man für ihn gestimmt habe, gewählt worden.
(41) Sie legen es nur darauf an, sich Ehrenämter zu erzwingen, nicht, darum anzuhalten; sie suchen sich in den Besitz der höchsten Stellen zu setzen, ohne sich auch nur die für die kleinsten schuldigen Verpflichtungen aufzuerlegen, wollen also lieber von den Zeitumständen als vom Verdienst unterstützt, sich um die Ehrenstellen bewerben. 2 Fühlt sich jemand zu stolz dazu, sich als Bewerber beobachten, sich beurteilen zu lassen, meint er, er allein müsse unter den mit ihm sich wagenden Bewerbern mit Sicherheit auf die Ehrenstelle rechnen dürfen, will er sich eurem Gutachten entziehen, will er eure gutwillig zu gebenden Stimmen zu erzwungenen, eure freie Wahl zu einer sklavischen machen – 3 den Licinius und Sextius nenne ich nicht, da ihr die Jahre in ihrem fortdauernden Amt geradeso wie auf dem Kapitol 75 die Regierungsjahre der Könige zählt –, wer wäre wohl in unseren Tagen in der Bürgerschaft noch so niedrig, dem nicht der Zutritt zum Konsulat durch die Gunst dieses Gesetzes leichter würde als uns und unseren Kindern? Wird es doch Fälle geben, wo ihr uns nicht einmal werdet wählen können, wenn ihr auch wolltet, und jene wählen müsst, auch wenn ihr nicht wollt.
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