Christoph Keller - Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen

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Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen: краткое содержание, описание и аннотация

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Kluge Aufteilung des Lernstoffes
Seit der 3. Auflage des Lehrbuchs zum Eingriffsrecht NRW haben sich zahlreiche Neuerungen ergeben, die eine vollständige Überarbeitung und viele Ergänzungen erforderten. Die 4. Auflage behält das Grundkonzept der bewährten Fallsammlung bei. Aufgrund der Fülle des Stoffs hat der Autor die Fallsammlung in zwei Bände mit jeweils 15 Fällen aufgeteilt. Ein dritter Band mit weiterführenden Erläuterungen ist geplant. Inhaltlich orientiert sich das Buch an den curricularen Inhalten der Studiengänge für den Polizeivollzugsdienst. Alle Bände erleichtern nicht nur die Vor- und Nachbereitung der Unterrichtseinheiten, sondern bieten auch effektive Hilfe bei der Klausurvor- und -nachbereitung.
Die Inhalte
Band 2 enthält in 15 Fällen und Lösungen die Lehrbereiche, die den Studierenden in Nordrhein-Westfalen im weiterführenden Studium vermittelt werden:
Zwang
Besonderes Polizei- und Ordnungsrecht (Versammlungs-, Waffen-, Gewerberecht)
Verdeckte Eingriffsmaßnahmen (u.a. Einsatz technischer Mittel, Maßnahmen im Hinblick auf terroristische Gefährder)
Band 3 folgt
Band 3 wird Hinweise zu Methodik und Technik der Fallbearbeitung und vertiefende Ausführungen zu den Inhalten der Fälle aus Band 1 und Band 2 bieten. Dabei handelt es sich um grundsätzliche Probleme des Polizeirechts und des Strafprozessrechts, die sowohl für die Theorie als auch für die Praxis von besonderer Bedeutung sind.
Lernen mit System
Alle Bände zusammen bilden einerseits eine inhaltliche Einheit. Dadurch werden die Zusammenhänge der Rechtsmaterie klar und die Bearbeitung von Klausuren wird erleichtert. Andererseits kann Band 3 auch alleine zur Vor- und Nachbereitung der Unterrichtsinhalte genutzt werden.
Einfacher Einstieg, umfassende Erläuterungen
Die ersten Falllösungen folgen streng den im Buch dargestellten Aufbauschemata, um den Studierenden die Orientierung zu erleichtern. Im weiteren Verlauf sind die Lösungen problemorientiert aufgebaut, sodass die Aufbauschemata – schon aus Platzgründen – nicht Punkt für Punkt abgearbeitet werden.
Die Lösungstexte enthalten darüber hinaus vertiefende Hinweise, Ergänzungen, Urteile sowie weitere (prüfungs-)relevante Beispiele. Diese sind mit einem Symbol gekennzeichnet und durch graue Balken hervorgehoben.
Zahlreiche Fußnoten mit Literaturhinweisen in den Sachverhaltslösungen ermöglichen außerdem ein vertiefendes (Selbst-)Studium. Hierbei wurden, soweit ersichtlich, die am meisten verbreiteten Lehrbücher berücksichtigt.
Den Lösungen und den weiterführenden Erläuterungen liegt – soweit es um präventiv-polizeirechtliche Maßnahmen geht – nordrhein-westfälisches (Landes-)Recht zugrunde. Auf die Parallelvorschriften der Länder wird aber jeweils explizit hingewiesen.
Optimaler Lernbegleiter für …
… Kommissaranwärterinnen und Kommissaranwärter der Polizei Nordrhein-Westfalen.
Tipp! Günstiger Kombinationspreis:
"Fälle und Lösungen zum Eingriffsrecht in Nordrhein-Westfalen, Band 1 + 2"

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Fall 2: Ruhestörung

Schwerpunkte:Generalklausel, Betreten von Wohnungen, Zwang, Ersatzvornahme, Zufallsfunde (BtM), Gewahrsam zwecks Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten

Sachverhalt: 1

An einem Sonntagabend, 23.30 Uhr rufen Anwohner des Mehrfamilienhauses Hansastraße 56 in A-Stadt telefonisch wegen Ruhestörung und überlauter Musik die Polizei. Bei Eintreffen der Polizeibeamten POK B und POK C wird überlaute Musik festgestellt. Es befinden sich mehrere Mietparteien des Mehrfamilienhauses auf ihren Balkonen, weil diese sich durch die Musik gestört fühlen. Auch an angrenzenden und gegenüberliegenden Wohnhäusern fühlten sich Personen gestört. Die Musik geht von der Wohnung des Fachhochschulstudenten A aus. Die Beamten klingeln an der Wohnungstür des A. Als dieser die Tür öffnet, wird er aufgefordert, die Musik leiser zu stellen. Dieser zeigt sich einsichtig. Die Musik wird leiser gestellt. Kurz nachdem sich die Polizeibeamten wieder entfernt haben, gehen erneut mehrere Anrufe bei der Leitstelle der Polizei in A-Stadt ein. Wieder beschwerten sich Anwohner über die überlaute Musik aus der Wohnung des A. POK A und POK B werden erneut zur Hansastraße 56 entsandt. Am Einsatzort nehmen die Beamten vor dem Wohnhaus erneut überlaute Musik wahr. Die Beamten entschließen sich, die Wohnung des A zu betreten, „um endgültig für Ruhe zu sorgen“, nötigenfalls auch durch Mitnahme der Musikanlage. Auf Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür reagiert niemand. Als auf erneutes Klopfen an der Wohnungstür mit „Zurückklopfen“ und Beschimpfungen reagiert wird, fordern die Polizeibeamten den A lautstark auf, die Tür zu öffnen und die Musik leiser zu stellen. A gibt den Beamten zu erkennen. dass er die Tür keinesfalls öffnen werde. Vielmehr beschimpft er die Beamten als „Spaßverderber“ und gibt ihnen zu erkennen, dass „sie schon sehen werden, was sie davon haben“, wenn sie seine Wohnung betreten würden. Schließlich habe er in der BLÖD-Zeitung gelesen, dass man „einmal im Jahr feiern dürfe“. Als die Beamten androhen, die Tür nötigenfalls auch zwangsweise öffnen zu lassen, ernten sie Gelächter. Sodann wird die Musik noch lauter gestellt. Zu allem Überfluss wird nunmehr auch noch gegen die Wand zur Nachbarwohnung getrommelt.

Die Beamten verständigen über die Leitstelle einen Schlüsseldienst, der die Wohnungstür des A öffnet. Die Beamten betreten die Wohnung des A und halten hierbei auch Ausschau nach der Musikanlage. In der Wohnung des A befinden sich mehrere angetrunkene Personen. A erklärt den Beamten unaufgefordert, er werde „die Musik sowieso wieder aufdrehen“, wenn die Beamten die Wohnung verlassen hätten. Schließlich habe er „Geburtstag und einmal im Jahr dürfe man laut Gesetz auch feiern“. Als POK A die Sicherstellung der Musikanlage in Aussicht stellte, erklärt A, man könne auch ohne Musikanlage Musik machen, z. B. durch „Rhythmisches Trommeln“. Die Beamten schließen nun aus diesem Verhalten, das A und seine „Gäste“ gewillt waren, auch weiterhin in jedem Fall Lärm zu machen und die Nachbarn zu stören. Die Betroffenen werden schließlich zur Wache mitgenommen und am nächsten Morgen entlassen. A erhob später über seinen Rechtsanwalt gegen das seiner Meinung nach „willkürliche Vorgehen“ der Polizei Beschwerde. Schließlich habe er am Samstag Geburtstag gehabt und „einmal im Jahr“ dürfe man schließlich auch lauter feiern.

Aufgabe:

1. Beurteilen Sie rechtsgutachtlich die polizeilichen Maßnahmen:

– Klingeln an der Wohnungstür des A und Ermahnung zur Ruhe

– Klingeln und Klopfen an der Wohnungstür des A und Aufforderung, die Wohnungstür zu öffnen (Betreten der Wohnung)

– Öffnen der Wohnungstür mit Schlüsseldienst

2. In der Wohnung des A sehen die Beamten auf dem Küchentisch einen Beutel mit Haschisch. Darf dieses Betäubungsmittel als Zufallsfund sichergestellt werden?

3. Nehmen Sie problemorientiert Stellung zur Gewahrsamnahme des A und seinen Gästen.

Hinweis:Die örtliche Zuständigkeit als formelles Erfordernis kann unterstellt werden.

Lösung zu Aufgabe 1

A. Klingeln an der Wohnungstür des A und Ermahnung zur Ruhe

I. Ermächtigungsgrundlage

Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es bei einem Grundrechtseingriff einer Ermächtigungsgrundlage, welche auf ein verfassungsmäßiges Gesetz zurückzuführen ist. Ein Eingriff ist jede durch Hoheitsakt bewirkte, nicht absolut geringfügige Beeinträchtigung eines Grundrechtes. Durch die Verfügung an A („zur Ruhe ermahnt“) wird eingegriffen in die Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). 2 Die polizeiliche Verfügung („Ermahnung zur Ruhe“) erfolgte erkennbar zur Gefahrenabwehr (Verhinderung von Ordnungsstörungen/Ordnungswidrigkeiten, §§ 9, 17 LImSchG NRW). 3

II. Formelle Rechtmäßigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1, 3 PolG NRW i. V. m. § 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW. Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Gefahrenabwehr). Gefahr ist eine Sachlage, die einen Schaden für die öffentliche Sicherheit erwarten lässt. Das ist insbesondere gegeben, wenn ein tatsächliches Geschehen den Schluss rechtfertigt, dass möglicherweise individuelle Rechte wie Leib, Leben, Gesundheit usw. einer Person oder das Sicherheitsgut „Rechtsordnung“ zu Schaden kommen könnten. 4 Durch den Lärm werden die Nachbarn in ihrer Nachtruhe gestört und damit in ihrer körperlichen Integrität (§ 223 StGB) beeinträchtigt. Die Ruhestörung beeinträchtigte nicht nur die objektive Rechtsordnung, sondern auch die subjektiven Rechte und Rechtsgüter der Nachbarn. Durch die fortgesetzte massive Ruhestörung zur Nachtzeit ist vorliegend das individuelle Sicherheitsgut Gesundheit anderer Personen in Gefahr. Derartige Ruhestörungen sind Ordnungswidrigkeiten (§§ 9, 10, 17 LImSchG NRW), sodass hier auch eine Gefahr für das Sicherheitsgut der Allgemeinheit „Rechtsordnung“ besteht.

картинка 10Gem. § 9 Abs. 1 LImSchG NRW sind von 22 bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Für das Verbot kommt es nicht darauf an, dass tatsächlich eine Störung der Nachtruhe eintritt, sondern es genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die entsprechende Handlung zu einer Störung führen kann („geeignet sind“). Ziel der Nachtruhe ist es, einen gesunden Schlaf zu gewährleisten. Gem. § 10 Abs. 1 LImSch NRW dürfen Geräte, die der Schallerzeugung oder Schallwiedergabe dienen (Musikinstrumente, Tonwiedergabegeräte und ähnliche Geräte), nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden. Tongeräte in diesem Sinne sind neben Musikinstrumenten auch Radios, Fernsehgeräte, Kassettenrekorder, Plattenspieler, CD-Player, Tonbandgeräte, Megafone usw. Nach Nr. 10.1 VV LImschG NRW gilt diese Vorschrift zudem für Verstärker und Lautsprecher. Es sei erwähnt, dass das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 5 dem Wohnungsinhaber nicht das Recht gibt, „einmal im Monat durch lautstarkes Feiern die Nachtruhe zu stören“. Der Wohnungsinhaber ist vielmehr dafür verantwortlich, dass von einer von ihm darin veranstalteten Geburtstagsfeier kein Lärm ausgeht, der die Nachtruhe zu stören geeignet ist. 6

Es besteht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Auch liegt öffentliches Interesse vor. Ein solches ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn es um die Abwehr von Gefahren für die Rechtsordnung geht. Dabei spielt der Umstand, dass die Gefahr im privaten Bereich verursacht wurde, keine Rolle. Die Beamten sind subsidiär zuständig; ein Handeln der an sich zuständigen (Ordnungs-)Behörde ist nicht oder nicht rechtzeitig möglich (§ 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW). Soweit Polizeibeamte gestützt auf § 8 Abs. 1 PolG NRW Verwaltungsakte erlassen, sind die allgemeinen Regeln des VwVfG NRW zu berücksichtigen, insbesondere die §§ 28, 37 Abs. 2 VwVfG NRW. Der Verwaltungsakt ist entsprechend § 41 Abs. 1 VwVfG NRW bekannt zu geben, er wird dann wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG NRW).

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