Ausführungsermächtigungen geben grundsätzlich (nur) die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwanges in Form von (einfacher) körperlicher Gewalt, die begriffsnotwendig zur ordnungsgemäßen Durchführung der jeweiligen Maßnahmen erforderlich ist. Dass die Durchführung der Maßnahme selbst (z. B. Durchsuchung der Wohnung; Einsperren der in Gewahrsam genommenen Person) eine rein tatsächliche Tätigkeit ist, die, sofern nicht physischer Widerstand gebrochen werden muss, nicht unter das Zwangsmittel des „unmittelbaren Zwanges“ fällt, ist mithin (allgemein) anerkannt. Zwar wird nach der sog. BeugungstheorieZwang immer dann angenommen, wenn durch die polizeilichen Maßnahmen ein entgegenstehender Wille gebeugt wird. Fraglich ist indes, ob diese Beugungstheorie (generell) geeignet ist, eine Differenzierung zwischen dem Handeln auf der ersten Ebene (Grundmaßnahme) und auf der zweiten Ebene (Verwaltungszwang) vorzunehmen. So wird z. B. in der Rechtsfolgeermächtigung des § 43 PolG NRW (Sicherstellung) ausdrücklich das Wegnehmen eines Gegenstandes gegen den Willen des Betroffenen erfasst. Sofern keine darüber hinausgehenden Handlungen vorgenommen werden, ist das Handeln von § 43 PolG NRW erfasst. Eine Zwangsprüfung kann dann entfallen. So stellt nach hier vertretender Auffassung das bloße aus der Hand nehmen eines Gegenstandes eines Betroffenen noch keine Zwangsmaßnahme dar. Diese Handlung ist vielmehr Teil der Durchführung der Sicherstellung. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Betroffene am Unterarm kurz festgehalten wird, um ihm so einen Gegenstand aus der Hand nehmen zu können. Insoweit ist zumindest die erste Handlung als Beugung anzusehen (Zwang).
II. Formelle Rechtmäßigkeit
Die Maßnahme dient der Durchsetzung der Grundverfügung, mithin der Gefahrenabwehr. Eine Anhörung kann unterbleiben (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW).
III. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Zulässigkeit des Zwanges (§ 50 Abs. 1 PolG NRW)
Gem. § 50 Abs. 1 PolG NRW kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat (gestrecktes Verfahren). Ein gestrecktes Verfahren kommt nur in Betracht, wenn ein wirksamer VA vorliegt, der auf Handeln, Dulden oder Unterlassen gerichtet ist. Das ist durch die Aufforderung der Polizeibeamten, die Wohnungstür zu öffnen, der Fall. Der nach § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene Suspensiveffekt (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, wenn es sich um unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten handelt. Grundsätzlich hat das Rechtsmittel der Klage aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 VwGO. Hier soll aber eine (gegenwärtige) Gefahr abgewendet werden. Eine zeitliche Verzögerung, um den Rechtsweg zu ermöglichen, kann nicht hingenommen werden. Es handelt sich um eine unaufschiebbare Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten, § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Voraussetzungen des sog. gestreckten Zwangsverfahrens nach § 50 Abs. 1 PolG NRW liegen vor.
Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren):§ 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels (§ 51 PolG NRW)
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW). 32 Ersatzvornahme ist die Ausführung einer (vertretbaren) Handlung durch die Polizei oder einen Dritten anstelle des Pflichtigen. Ersatzvornahme scheidet naturgemäß im Hinblick auf Duldungen und Unterlassungen aus. 33 Ersatzvornahme ist die Ausführung der eine vertretbare Handlung gebietenden Verfügung auf Kosten des Verantwortlichen. 34 Das Wort „vertretbar“ wird hier nicht im Sinne von verhältnismäßig oder angemessen verwandt. Eine vertretbare Handlung ist immer dann gegeben, wenn sie nicht ausschließlich von dem Pflichtigen selbst, sondern auch von einem anderen vorgenommen werden kann. Die Ersatzvornahme ist demnach für unvertretbare Handlungen ausgeschlossen; diese können nur mit Zwangsgeld oder mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
Die Kosten der Ersatzvornahme trägt der Pflichtige, § 52 Abs. 2 PolG NRW. 35 Der Kostenanspruch ist Kehrseite des Umstandes, dass nach der zu vollstreckenden polizeilichen Verfügung der Adressat auf eigene Kosten zur Vornahme der Handlung verpflichtet ist. Daher soll der die Kosten auch dann tragen, wenn er die Handlung pflichtwidrig nicht vornimmt und daher statt seiner die Behörde oder ein Dritter in ihrem Auftrag tätig werden muss. Der Anspruch gegen den Bürger entsteht für die vollstreckende Behörde bzw. deren Träger, nicht hingegen für den Unternehmer. 36
Die Polizeibeamten haben die Tür des A von einem Schlüsseldienst öffnen lassen und haben dadurch genau den Zustand hergestellt 37 , den auch A herbeigeführt hätte, wenn er die Tür von innen geöffnet hätte. Daher liegt eine Ersatzvornahme in der Form einer Fremdvornahme vor. 38
3. Art und Weise des Verwaltungszwangs
Das Öffnen der Tür mittels Schlüsseldienst wurde angedroht (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW).
4. Ermessen (§ 3 PolG NRW) / Übermaßverbot (§ 2 PolG NRW)
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Ersatzvornahme war zweifelsohne (auch) geeignet. Mit der Heranziehung des Schlüsseldienstes wählten die Polizeibeamten auch ein milderes Mittel, als wenn sie z. B. die Wohnungstür eingetreten hätten. Im Verhältnis zu den bedrohten Rechtsgütern war die Ersatzvornahme auch angemessen.
Die strafprozessuale Sicherstellung von sog. Zufallsfunden ist geregelt in § 108 StPO. 39 Diese Norm geht über §§ 94, 98 StPO insoweit hinaus, als dadurch eine sofortige, vorläufige Zugriffsmöglichkeit auf Beweismittel für ein anderes Verfahren geschaffen wurde. Zufallsfunde sind solche Gegenstände, die nicht zur Anlasstat der jeweiligen Durchsuchung gehören, sondern zufällig bei der Durchsuchung aufgefunden werden. § 108 StPO stellt eine Erweiterung, nicht aber eine Einschränkung des allgemeinen Beschlagnahmerechts nach den §§ 94 ff. StPO dar. Zufallsfunde dürfen mithin auch dann nach § 108 StPO vorläufig sichergestellt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO nicht vorliegen. Das ist – obwohl es in der Praxis kaum vorkommen dürfte – dann der Fall, wenn die durchsuchenden Polizeibeamten nicht Ermittlungspersonen der StA sind oder keine Gefahr im Verzuge besteht und die Beamten deshalb nach § 98 Abs. 1 StPO zur Anordnung einer Beschlagnahme nicht befugt sind, oder dann, wenn der vollstreckende Beamte die Beweisbedeutung des Gegenstands für ein anderes Verfahren nicht abschätzen kann und nicht weiß, ob ein solches anderes Verfahren bereits eingeleitet ist. Die Sicherstellung nach § 108 setzt also insbesondere nicht voraus, dass bereits jetzt davon ausgegangen werden kann, der Gegenstand könne i. S. des § 94 als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein. Liegt ein solcher Ausnahmefall indes nicht vor, so bilden auch § 94 Abs. 1, Abs. 2 und § 98 Abs. 1 StPO eine gesetzliche Grundlage für die Beschlagnahme. Str. ist, ob es sich um eine strafprozessuale Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) handeln muss oder ob auch eine polizeirechtliche Durchsuchung (§§ 41, 42 PolG NRW) in Frage kommen kann. Dagegen spricht die Stellung des § 108 StPO im Zusammenhang mit den Durchsuchungsvorschriften der StPO, die auf eine ausschließlich nach der StPO vorgenommen Durchsuchung hindeutet. Indes spricht der Wortlaut des § 108 StPO („bei Gelegenheit einer Durchsuchung“) dafür, auch polizeirechtliche Durchsuchungen mit einzubeziehen. Unter Zugrundelegung der teleologischen Auslegung des § 108 StPO will die Beschlagnahme von Zufallsfunden verhindern, dass die Polizei zwar von solchen Gegenständen anlässlich einer rechtmäßigen Durchsuchung Kenntnis nimmt, sie aber nicht beschlagnahmen kann und im Nachhinein, wenn die Erkenntnisse für eine Sicherstellung vorliegen, diese nicht mehr möglich ist, da die Gegenstände zwischenzeitlich beiseitegeschafft wurden. Letztlich sind auch Durchsuchungen aus präventiv-polizeilichen Gründen erfasst. Es kommt mithin nur auf die Rechtmäßigkeit der Anlassdurchsuchung an, d. h. eine Durchsuchung nach dem PolG NRW reicht tatbestandlich aus. 40 Anordnungsgefugt sind Polizeibeamte. Gefahr im Verzuge i. S. von § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO oder die Eigenschaft als Ermittlungsperson (§ 152 GVG) ist nicht erforderlich. Die StA ist in Kenntnis zu setzen (§ 108 Abs. 1 Satz 2 StPO).
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