Joachim Wolf
Fälle und Lösungen zum Öffentlichen Recht
Methodische Fallbearbeitung
Mohr Siebeck GmbH & Co. KG
[Zum Inhalt]
In allen Teilbereichen des Jurastudiums – dem Zivilrecht, dem Strafrecht, dem Öffentlichen Recht, dem Europarecht und dem Völkerrecht – stellt die Methodik der Fallbearbeitung verglichen mit anderen Ausbildungsschwerpunkten die höchsten Anforderungen an die Studierenden. Der Grund liegt im Denkaufwand und in den hiermit verbundenen konkreten Formulierungsanforderungen, die jede gutachterliche Fallbearbeitung verlangt. Diese Schwierigkeiten lassen sich nur mit methodischen Fähigkeiten bewältigen. Auf sie kann man sich nicht durch Auswendiglernen eines Stoffes vorbereiten.
Wer sich diesen Schwierigkeiten von Anfang an bewusst stellt, wird mit einem erfolgreichen Studienverlauf und in aller Regel mit einem überdurchschnittlichen Studienabschluss belohnt. Das belegen langjährige Ausbildungserfahrungen. Auch hierfür lassen sich klare Gründe benennen. In erster Linie ist dies die Selbstständigkeit im juristischen Denken, die mit jeder zu Übungszwecken geschriebenen weiteren Klausur wächst. Mit ihr nimmt zugleich die Fähigkeit zu, auch neue und bislang selbst so noch nicht bearbeitete Fallkonstellationen selbstständig und erfolgreich zu bewältigen. Zugleich schärft sich der Blick und das Bemühen der Studierenden dafür, nicht nur nach Maßgabe der einschlägigen Gesetzesgrundlagen, sondern auch im Hinblick auf die tatsächlichen Betroffenheiten der Streitbeteiligten eines Falles überzeugende und in diesem Sinne „gerechte“ Lösungen zu erarbeiten. Zusammen genommen bilden diese beiden Faktoren und die Fähigkeiten, zu denen sie führen, das eigentliche Studienziel. Sicherlich müssen für eine erfolgreiche Klausurbearbeitung auch systematische Kenntnisse über einschlägige Gesetzesgrundlagen mitgebracht werden. Am besonderen Stellenwert methodischer Fähigkeiten ändert dies nichts.
Dies erklärt auch die Präsentation des Übungsstoffes in den in diesem Buch enthaltenen Fällen und Fallösungen. Bewusst wird nicht zwischen angeblich leichten Fällen für Anfänger, Fällen für Fortgeschrittene und Examensfällen unterschieden. Die methodischen Anforderungen sind „im Prinzip“ überall gleichermaßen anspruchsvoll und daher schwierig. Zusammen genommen sollen sie durch die exemplarische Auswahl der hier präsentierten Fälle die Grundlage für das gutachterliche Können bilden, das für ein erfolgreiches Studium benötigt wird. In einem besonderen Punkt gibt es von diesem Gleichrang der Anforderungen eine Ausnahme, die aber weniger in der Methodik, sondern eher in den materiellrechtlichen Sachanforderungen begründet ist. Das ist die zunehmende Überlagerung und Durchdringung des deutschen öffentlichen Rechts durch das Europarecht, das Gemeinschaftsrecht, das Unionsrecht und die zunehmende europarechtliche Integration des Grundrechtsschutzes. Einige Grundfragen dieser Problematik werden in Fall 2 behandelt. Es wird empfohlen, sich mit diesem Fall erst zu beschäftigen, wenn im Laufe des Studiums ausreichende europarechtliche Grundlagen erarbeitet worden sind.
Bochum, im Februar 2018 Prof. Dr. Joachim Wolf
[Zum Inhalt]
|IX|Abkürzungsverzeichnis
Abs. |
Absatz |
AEUV |
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
Alt. |
Alternative |
AltPflG |
Altenpflegegesetz |
Art. |
Artikel |
BauGB |
Baugesetzbuch |
BauNVO |
Baunutzungsverordnung |
BauO |
Bauordnung |
BFH |
Bundesfinanzhof |
BGH |
Bundesgerichtshof |
BPolG |
Bundespolizeigesetz |
BR-Drs |
Bundesrats-Drucksache |
BT-Drs |
Bundestags-Drucksache |
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
BVerfGG |
Bundesverfassungsgerichtsgesetz |
BVerwG |
Bundesverwaltungsgericht |
DÖV |
Die Öffentliche Verwaltung |
DVBl |
Deutsches Verwaltungsblatt |
EGGVG |
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz |
etc. |
et cetera |
EU |
Europäische Union |
EuGH |
Europäischer Gerichtshof (Luxemburg) |
FGO |
Finanzgerichtsordnung |
GG |
Grundgesetz |
Ggf. |
Gegebenenfalls |
h.M. |
herrschende Meinung |
hrsg. |
herausgegeben |
IFG |
Informationsfreiheitsgesetz |
i.S.d. |
im Sinne des |
i.V.m. |
in Verbindung mit |
JVKostO |
Justizverwaltungskostenordnung |
JZ |
Juristenzeitung |
LG |
Landgericht |
NJW |
Neue Juristische Wochenzeitschrift |
NRW |
Nordrhein-Westfalen |
NVwZ |
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
NVwZ-RR |
Rechtsprechungs Report |
NWVBl |
Nordrhein-westfälisches Verwaltungsblatt |
OB |
Oberbürgermeister |
OBG |
Ordnungsbehördengesetz |
OLG |
Oberlandesgericht |
PolG |
Polizeigesetz |
PresseG |
Pressegesetz |
PUAG |
Gesetz über die Parlamentarischen Untersuchungsausschüsse |
Rn. |
Randnote |
S. |
Seite |
Slg. |
Sammlung |
sog. |
sogenannt |
TA Lärm |
Technische Anleitung Lärm |
u.a. |
unter anderem |
UrhG |
Urhebergesetz |
VGH |
Verwaltungsgerichtshof |
VwGO |
Verwaltungsgerichtsordnung |
VwVfG |
Verwaltungsverfahrensgesetz |
ZPO |
Zivilprozessordnung |
[Zum Inhalt]
|1|Kapitel 1: Grundlagen
|3|I. Unterschätzte Bedeutung der Methodik der Fallbearbeitung für das Studium
Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat gesagt: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“.[1] Dieser Satz enthält zwei für die juristische Fallbearbeitung wichtige Grundaussagen. Erstens kann der Mensch die Welt niemals in ihrer Gesamtheit erkennen, sondern immer nur „von Fall zu Fall“, das heißt in Form von Ausschnitten, die seiner eigenen Beobachtung und Erfahrung zugänglich sind. Zweitens ist die Anzahl möglicher Beobachtungsausschnitte, also auch die Anzahl der Fälle, schon für jeden einzelnen Menschen unendlich, eben weil es um die gesamte Welt geht. Nimmt man hinzu, dass es auf unserer heutigen Welt rund 7 Milliarden Menschen gibt und jedem einzelnen von ihnen unzählige Einzelfälle offenstehen, potenziert sich diese Vielfalt ins Unermessliche. Selbst wenn man sich nur auf strikt juristische Streitfälle beschränkte, wäre es von vornherein völlig utopisch, die Gesamtheit dieser Fälle erfassen zu wollen. Auch dem Gesetzgeber, der zur Lösung juristischer Streitfälle abstrakte Rechtsregeln aufstellt, ist eine solche gesamthafte Erfassung unmöglich.
Für die juristische Fallbearbeitung im Studium und im Examen folgt hieraus: ohne juristische Methodik ist die Fülle des ausbildungsrelevanten Rechtsstoffs nicht zu bewältigen. Juristische Methodik setzt sich zusammen aus einem am Gesetz ausgerichteten Denken, einer Bearbeitung von Streitfällen, die auf einschlägigen Gesetzesgrundlagen aufbaut, sowie einer am gerichtlichen Streitentscheidungsverfahren orientierten juristischen Argumentationsweise.
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