Reiner Sörries - Vom guten Tod

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Was ist ein «guter Tod»? Gibt es den überhaupt? Reiner Sörries nimmt die neu entbrannte Debatte um die Sterbehilfe zum Anlass, um über diese alte Menschheitsfrage nachzudenken. Er nimmt uns mit auf einen spannenden Streifzug durch die Kulturgeschichte von der Antike über das mittelalterliche «Memento mori», die romantische Idealisierung im 19. Jahrhundert bis in unsere Gegenwart mit ihrem radikalen Protest, aber auch mit ihren illusorischen und zuweilen gefährlichen Tendenzen.
Die aktuelle Debatte um ein Recht auf Selbstbestimmung auch im Sterben bekommt durch diesen kundigen Blick in die Geschichte eine ganz neue Orientierung.

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Reiner Sörries

Vom guten Tod

Reiner Sörries

Vom guten Tod

Die aktuelle Debatte und ihre kulturgeschichtlichen Hintergründe

Butzon & Bercker

„Orientierung durch Diskurs“Die Sachbuchsparte bei Butzon & Bercker, in der dieser Band erscheint, wird beratend begleitet von Michael Albus, Christine Hober, Bruno Kern, Tobias Licht, Cornelia Möres, Susanne Sandherr und Marc Witzenbacher.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Gesamtprogramm von Butzon Bercker finden Sie im Internet unter - фото 1

Das Gesamtprogramm von Butzon & Bercker finden Sie im Internet unter www.bube.de

ISBN 978-3-7666-1945-7

E-Book (Mobi): ISBN 978-3-7666-4284-4

E-Book (PDF): ISBN 978-3-7666-4285-1

E-Pub: ISBN 978-3-7666-4283-7

© 2015 Butzon & Bercker GmbH, Hoogeweg 100, 47623 Kevelaer, Deutschland, www.bube.de

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Christoph M. Kemkes, Geldern

Satz: Schröder Media GbR, Dernbach

Printed in Germany

Inhalt

Vorwort

I. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall!“

II. Der Tod als Baustein der Evolution – Alte und neue Gedanken

Der Sinn des Todes in der Evolution

Deine Nachkommenschaft wird zahlreich sein wie die Sterne am Firmament

Der Fortbestand der sozialistischen Menschengemeinschaft

Das Weib triumphiert über den Tod

III. „Es hat Gott gefallen …“

IV. Der gute und der jähe Tod – im Mittelalter

ars moriendi – die Kunst zu sterben

Der heilige Christophorus bewahrt vor dem jähen Tod

Jesus, Maria und Josef

Seelgeräte

V. Der sanfte und der selige Tod – Gedanken der Reformation

Anweisungen für einen guten Tod

Testament, Versöhnung und Vorsorge

VI. Das scheußliche Gerippe – nicht nur im katholischen Barock

Der Sensenmann

Irdisches Leiden und himmlische Freuden

VII. Bruder Tod – Wandlungen der Aufklärung

Hypnos und Thanatos

Tod ist nicht Tod, ist nur Veredelung sterblicher Natur

Esoterische Todesgedanken

VIII. Der Selbstmord – kein guter Tod?

Selbstmord, Freitod, Suizid

Der egoistische und der altruistische Selbstmord

Freiheit, Versklavung oder Tod

Suizid und Sterbehilfe

Der rituelle Selbstmord

IX. Der Opfertod – ein guter Tod?

Sterben für andere

Euthanasie und Organspende

X. Todesangst, Todestrieb und Todeslust – im 19. Jahrhundert

Der schöne Tod der Liebenden

Der Tod als Paradox

XI. Die Skandalisierung des Todes – im 20. Jahrhundert

XII. Euthanasia und Euthanasie – Ihre Pervertierung im Nationalsozialismus

Euthanasia als Hilfe zum Guten Tod

Euthanasie als Instrument der Auslese

Euthanasie als Instrument zur Ausmerzung der Schwachen

Die Tabuisierung der Euthanasie

Euthanasie als Recht auf den eigenen Tod

Die Neubewertung unwerten Lebens

Vom Selbstbestimmungsrecht des Menschen

Euthanasie und Ökonomie

XIII. Sterben lernen – im Hier und Jetzt

ars moriendi nova – ars vivendi

Das Lernziel Sterben

Kinder lernen sterben

Friedhofspädagogik und Death Café

Sterbebegleitung

XIV. Die Autonomie des Menschen oder die Debatte um die Sterbehilfe

Definitionen der Sterbehilfe

Erlaubte, nicht erlaubte und praktizierte Sterbehilfe

Regelungen der Sterbehilfe im europäischen Ausland

Sterbehilfe zum guten Tod?

Beurteilung der Sterbehilfe in den Religionen

XV. Und der Tod wird nicht mehr sein – in Zukunft?

Die Brücke zur Unsterblichkeit

Makrobiotik und Athanasia

Die Schaffung des unsterblichen Menschen

Vom Unglück des Sterblichen ein Unsterblicher zu werden

XVI. Vorläufige Gedanken zum Schluss

Anmerkungen

Weiterführende Literatur

Vorwort

„Dann wirft er die Fessel von sich, und er tut das nicht bloß in der äußersten Not; sondern sobald das Schicksal anfängt, ihm verdächtig zu werden, geht er gewissenhaft mit sich zu Rate, ob er sofort ein Ende machen soll.“ In seinem vierten Brief an Lucilius argumentiert der römische Philosoph und Staatsmann Seneca mit diesen Worten für die Berechtigung der Selbsttötung, und er hat dabei in erster Linie den weisen Menschen im Blick, der über seinen Zustand und das, was ihn noch erwartet, reflektieren kann. Sein Bekenntnis zum überlegten Entschluss, dem Leben ein Ende zu setzen, blieb auch zu seiner Zeit nicht unwidersprochen, doch seinen Gegnern, welche für ein Verbot der Selbsttötung eintraten, antwortete er in einem weiteren Brief an Lucilius: „Wer so spricht, sieht nicht, dass er der Freiheit den Weg versperrt. Wie hätte das ewige Gesetz besser verfahren können, als uns nur einen Eingang ins Leben zu geben, aber viele Ausgänge?“ Ungeachtet dessen, welche Einstellung zum Tod aus eigener Entschlossenheit man haben mag, ist es richtig, dass das Leben viele Ausgänge haben kann. Doch welcher ist der richtige, der beste? Und kann es einen falschen geben?

Angeregt ist dieses Buch durch die Ankündigung der Ende 2013 ins Amt gekommenen schwarz-roten Bundesregierung, die mehrfach verschobene Gesetzgebung zur Sterbehilfe nun auf den Weg zu bringen. Dabei solle nach Möglichkeit eine fraktionsübergreifende Regelung gefunden werden, wobei ein Fraktionszwang nicht gelten dürfe. Jeder Abgeordnete sei in dieser Frage allein seinem Gewissen verpflichtet, denn es gehe um elementar persönliche Einstellungen in dieser Menschheitsfrage. Trotz dieser Ausgangslage will das Buch kein weiteres zum Thema Lebenspflicht und Sterberecht sein, sondern es befasst sich mit dem Ausgang des Lebens und stellt sich der Frage, ob es angesichts der bitteren Weisheit vom Sterben-Müssen einen guten Tod geben kann.

Die Quintessenz lautet, dass es nicht nur viele Ausgänge des Lebens gibt, sondern ebenso viele Vorstellungen vom guten Tod . Ein Gang durch die Kulturgeschichte lässt deutlich werden, welch unterschiedliche Auffassungen dazu miteinander um die Wahrheit kämpften. Daran hat sich nichts geändert. Der Unterschied von heute zu früher besteht allenfalls darin, dass diese Frage nicht mehr ausschließlich von religiösen oder philosophischen Eliten beantwortet wird, sondern jeder bildet sich dazu seine eigene Meinung. Im Wissen um die freie Meinungsbildung, die mit jener Autonomie verschwistert ist, die jedem das Recht einräumen will, sein Ende nach eigenem Willen zu gestalten, erhebt dieses Buch nicht den Anspruch, das Kriterium für den guten Tod gefunden zu haben. Vielleicht kann es sensibilisieren, Argument und Gegenargument verständlich machen, vielleicht ist es auch nur ein lesenswerter Gang durch die Kulturgeschichte, denn die Vorstellungen vom guten Tod sind ein Teil von ihr. Zumindest wird dann verständlich, dass es für die Wertebestimmung des guten Todes keine überzeitlichen, unhinterfragbaren und quasi menschheitsimmanenten Kriterien gibt. Was wir für einen guten Tod halten, ist Teil eines kulturellen Lernprozesses, der von der Welt abhängig ist, in der wir leben.

Freilich werden dann auch wir zum Ende in der Gegenwart angekommen sein und der aktuellen Debatte um die Sterbehilfe begegnen, die manche aus bitterer Erfahrung als Euthanasie ablehnen oder als Inbegriff des Selbstbestimmungsrechts des Menschen als Euthanasia herbeisehnen und einfordern, denn im Wortsinn geht es nur um den guten Tod . Das ist jedoch nur der vorletzte Schritt, denn es stehen ja die Wünsche im Raum, den Tod vermeiden zu können. Für Trans- und Posthumanisten stellt sich die Frage nicht mehr, was ein guter Tod ist, denn es wird ihn dann nicht mehr geben. Bis es allerdings so weit ist, bleibt es der Gesellschaft, der Politik und dem Einzelnen kaum erspart, Regelungen zu finden, die für alle gelten.

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