35Allen Managementmodellen, auch den daraus abgeleiteten Steuerungsmodellen für die öffentlichen Verwaltungen, war gemeinsam, dass sie sich hauptsächlich auf interne Unterstützungsleistungen beschränkten und räumlich-zeitliche Dimensionen sowie Interdependenzen der einzelnen Faktoren weitgehend ausblenden. Bereits in den 1970er Jahren schlussfolgert F. Malik, dass es unabdingbar ist, eine Reihe von Illusionen aufzugeben, die Illusion der Prognostizierbarkeit und die Illusion der Machbarkeit. Beides sind Grundpostulate von Managementmodellen ( vgl. Malik, 1994, S. 14). Um die Anforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können, prognostizierte er, dass es vor allem auf neue Denkweisen und Methoden ankommt, die in einem kybernetischen Management wirksam werden müssen ( vgl. Malik, 2006, S. 29). Kybernetische Managementmodelle finden sich heute beispielsweise im Projektmanagement, wenn die herkömmliche Wasserfall-Methode durch agile Methoden, wie Scrum, ersetzt wird. Grundannahme ist dabei, dass bereits einfache nichtlineare Systeme irreguläres Verhalten erzeugen können (vgl. Argyris et al., 2010, S. 22). Es ist für das Management im Allgemeinen, ebendo für das Personalmanagement wichtig, mit geeigneten Methoden systematisch Instabilititäten zu schaffen, um diesem Problem Rechnung zu tragen (vgl. Luhmann, 1994, S. 23).
36Die Frage, wie ein Personalmanagement der Zukunft ausgestaltet werden muss, ist eng verknüpft mit den Rahmenbedingungen, unter denen das Verwaltungshandeln Wirkung entfalten soll. Zur Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns muss die Prüfung der Risiken bei der Analyse verschiedener Wirkszenarien mit betrachtet werden, denn unzureichende Berücksichtigung von Veränderungen der Rahmenbedingungen können erwünschte Wirkungen verfehlen oder zu unerwünschten Wirkungen führen. Die schematische Anpassung von Verwaltungsprozessen genügt den sprunghaften Veränderungen meist nicht.
Die Aufgabe besteht darin, ein Mindset zu entwickeln, das es ermöglicht, die sich rasch wandelnden Rahmenbedingungen nicht nur als Herausforderung anzunehmen, sondern deren Entwicklung zu antizipieren und die größtmögliche Kongruenz zwischen den inneren und äußeren Schnittstellen (vgl. Abb. 6 „anzustrebender Bereich“) durch eine methodische Durchdringung interner Prozesse und äußeren Faktoren herzustellen. Eine solche Denkweise kann eine Emergenz zwischen den Systemen erzeugen, die im praktischen Verwaltungshandeln auch in einer transformative Führungs- und Kommunikationskultur sowie in einer höheren Transparenz von Entscheidungsprozessen ihren Ausdruck findet. Der in Teilen der Bevölkerung empfundenen fehlenden Transparenz politischer Entscheidungsprozesse ist mit rechtlichen Argumenten nicht zu begegnen. Bedeutet Transparenz und Beteiligung doch nicht ein Abweichen von verwaltungsrechtlich vorgezeichneten Abläufen. Vielmehr stellt es das Grundprinzip einer legitimierten partizipativen öffentlichen Verwaltung dar, die ihr Tun auf die Bedürfnisse des Gemeinwesens ausrichtet. Vereinzelt ist zu beobachten, dass in Kommunalverwaltungen aus Überlastungsgründen, Fragen von Stadträten an die Verwaltung unter Bezugnahme auf formaljuristische Anwendung kommunalrechtlicher Regelungen zurückgewiesen werden. Wird diese Art der politischen Kommunikation gewählt, muss den betreffenden Akteuren klar sein, dass dies erhebliche Auswirkungen nach innen auf das Werteverständnis, die Einstellungen der Verwaltungsbediensteten zu ihrer Tätigkeit und Arbeitsmotivation hat.
Abb. 6:Überblick über die Schnittstellen Umwelt-Behörde, eigene Darstellung
Das Personalmanagement kann diesen Imageschaden durch kein Seminar zum Thema bürgernahe Verwaltungsarbeit wieder ausbügeln. Wie in erfolgreichen Unternehmen auch muss vom Management vorgelebt und von jedem Mitarbeiter verinnerlicht werden, dass die Kunden und ihre Vertreter im Mittelpunkt aller Tätigkeit stehen. Will künftig der öffentliche Dienst in einer digitalen selbstregulierenden Welt noch eine Rolle spielen, muss er Lösungen für Probleme der Bürger anbieten, die kein Unternehmen besser und kostengünstiger anbieten kann. Nur unter dieser Voraussetzung kann der öffentliche Dienst mit seinen rechtstaatlichen Prinzipien erhalten bleiben. Seine bisherigen Kennzeichen der Neutralität und Legalität werden ergänzt um die Ausrichtung auf ethische Grundwerte und die Lösungs- und Ergebnisorientierung bei der Realisierung von Bürgeranliegen, Qualität und Service. Das ist kein Widerspruch. Die Interaktion von Behörde und Bürgern wird nicht mehr durch Distanz bestimmt, sondern durch die Betrachtung des Bürgers als Kunden mit spezifischen Bedürfnissen und Interessen. Die Unterstützung durch das Personalmanagement erfolgt durch die professionelle Gestaltung der Kommunikationsprozesse zwischen Behörde und Kunde sowie die Entwicklung von Innovations- und Akzeptanzkonzepten. Beispiele für kundenspezifische Maßnahmen können sein:
• Förderung von Kundenvorhaben (Unterstützung von Bürgerprojekten durch Bekanntmachen auf der kommunalen Internetplattform nach dem Prinzip: Der bürgerschaftlichen Eigeninitiative ein Gesicht geben);
• interaktive Kommunikationsplattform Bürger-Verwaltung, nicht nur mit der Möglichkeit, online Formulare zu bearbeiten, sondern mit einem virtuellen Ansprechpartner, der sprachbasiert überregional durch Behörden navigiert und Fragen beantwortet;
• organisationsübergreifende Leistungsvergleiche, an denen die Verwaltungskunden aktiv mitgestalten können.
37Die Rahmenbedingungen des Personalmanagements müssen auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet werden. Eine Gliederungsmöglichkeit sind die Bezugsgrößen auf Makro- und Mesoebene.
Entsprechend der Gliederung in Abbildung 7beeinflussen Rahmenbedingungen mittelbar die Gestaltung von Maßnahmen des Personalmanagements und können neben positiven Wirkungen auch Risiken mit sich bringen. Die Wirkungen treten jedoch nicht kausal im Sinne eines Ursach-Wirkungs-Zusammenhangs ein. Das Personalmanagement kann jedoch die Wirkung von Verwaltungsentscheidungen in Bezug auf Kundenzufriedenheit mediieren.
Beispielsweise trifft die Kommunalverwaltung auf der Grundlage prognostizierter steigender Geburtenraten und des für den Betrachtungszeitraum erwarteten Auslastungsgrades die Entscheidung, den Bau weiterer Kindertagesstätten in Auftrag zu geben. Der Bau weiterer Betreuungseinrichtungen hat nicht unmittelbar eine höhere Kundenzufriedenheit zur Folge.
Die Wahrscheinlichkeit erhöht sich jedoch, wenn das Personalmanagement einen Personalaufbau und zielgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen für diese Einrichtungen plant und realisiert. Wird hingegen die Entscheidung getroffen, vorhandenes Personal aus anderen Einrichtungen abzuziehen und auf die Neubauten zu verteilen, wird die Wahrscheinlichkeit für steigende Unzufriedenheit wegen eines ungünstigeren Personalschlüssels größer sein als der Vorteil durch den Neubau.
Abb. 7:Übersicht über Rahmenbedingungen des Personalmanagements und Risikofaktoren, eigene Darstellung
In diesem Abschnitt werden die Einflussfaktoren dargestellt und anhand praktischer Beispiele Handlungsoptionen für das Personalmanagement aufgezeigt.
38 a) Externe Faktoren.Zu den externen Einflussfaktoren gehören u. a. die im Beispiel genannte bevölkerungsstrukturabhängige Entwicklung der Leistungsnachfrage, die Einnahmeentwicklung, die Übertragung gesetzlicher Aufgaben. Interne Einflussfaktoren sind die Personalbestandsentwicklung (Fluktuation), die Entwicklung der Leistungsanforderungen, das Leistungsvermögen, altersstrukturbedingte Besonderheiten.
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