Damit ein Führen vorliegt, muss die tatsächliche Gewalt außerhalbder eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums oder einer Schießstätte ausgeübt werden, wobei es darauf ankommt, dass sich der Inhaber der tatsächlichen Gewalt außerhalb dieser Räumlichkeiten befindet.
Die Begriffe der Wohnung etc. lehnen sich an § 123 StGB an:
• Als Wohnungwerden alle Räume bezeichnet, deren Hauptzweck darin besteht, Menschen zur ständigen Benutzung zur Verfügung zu stehen, ohne dass sie in erster Linie Arbeitsräume sind. Diese Räume können Teil eines Hauses, aber auch von Fahrzeugen sein.
• Geschäftsräumesind Räume, die hauptsächlich für eine gewisse Zeit oder auf Dauer zur Ausübung von Geschäften bestimmt sind. (Dabei ist zu beachten, dass es sich um eigeneGeschäftsräume handeln muss, also um Räume dessen, der die tatsächliche Gewalt ausübt.) – Bei unselbstständiger Arbeit ist dies idR. nicht der Fall, da die Arbeitsräume Räume des Arbeitgebers sind.
• Das befriedete Besitztumist im Gegensatz zu Wohnungen und Geschäftsräumen immer eine unbewegliche Sache. Befriedetist das Besitztum, wenn es in äußerlich erkennbarer Weise mit zusammenhängenden Schutzwehren gegen das willkürliche Betreten durch andere gesichert ist. Über ein eigenesBesitztum verfügt nicht nur der Eigentümer, sondern auch jeder Inhaber des Hausrechts.
• „ Schießstätten“sind nach der Legaldefinition in § 27 Abs. 1 Satz 1 Anlagen, die ausschließlich oder neben anderen Zwecken dem Schießsport oder sonstigen Schießübungen mit Schusswaffen, der Erprobung von Schusswaffen oder dem Schießen mit Schusswaffen zur Belustigung dienen.
Merke:
Auch Fahrzeugekönnen im Einzelfall Wohn- oder Geschäftsräume darstellen.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sie zur ständigen Benutzung zu Wohnzwecken oder als Betriebs- und Arbeitsstätte speziell hergerichtet sind (zB. Wohn-, Betriebs- oder Verkaufsanhänger).
Unabhängig von der geschäftlichen Nutzung fallen jedoch nichtdarunter der private PKW oder der gewöhnliche Dienstwagen. 37Gleiches gilt für die gesamte Fahrerkabine von LKW. 38
Das Führen ist besonderen Regelungen unterworfen:
• besondere Ausweispflicht (§ 38)
• Verbot für öffentliche Veranstaltungen (§ 42 Abs. 1)
• Verbot des Führens von Hieb- und Stoßwaffen (§ 42a Abs. 1 Nr. 2)
→ Beachte die Ausnahmen vom generellen Verbot des Führens nach § 42a Abs. 2
Merke:
Der Transportist eine Sonderform des Führens. Allerdings handelt es sich um ein erlaubnisfreies Führen, soweit die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 3 Nr. 2erfüllt sind:
• Waffe nicht schussbereit, vgl. Anl. 1 Abschn. 2 Nr. 12
• Waffe nicht zugriffsbereit, vgl. Anl. 1 Abschn. 2 Nr. 13
• Transport der Waffe von einem Ort zum anderen
• zu einem vom Bedürfnis des Führenden umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit
Zudem ist erforderlich, dass der Transport Ausgangs- und Zielorte miteinander verbindet, an denen ein rechtmäßiger Umgang mit der Waffe erfolgt und insgesamt nicht im Widerspruch zu waffengesetzlichen Erlaubnispflichten steht. 39
5.Verbringen einer Waffe oder von Munition
Eine Waffe oder Munition verbringt, wer diese Waffe oder Munition über die Grenzezum dortigen Verbleib oder mit dem Ziel des Besitzwechselsin den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes zu einer anderen Person oder zu sich selbst transportieren lässt oder selbst transportiert.
Der Transport von Waffen oder Munition innerhalbDeutschlands ist daher nichtvom Begriff des Verbringens (→ S. 183 f.) erfasst.
Sofern die Waffen oder die Munition im Auftrag des endgültigen Empfängers von einem gewerbsmäßigen Beförderer, zB. einem Spediteur, über die Grenze transportiert werden, ist auch der Auftraggeber Verbringer iSd. Gesetzes.
6.Mitnahme einer Waffe oder von Munition
Eine Waffe oder Munition nimmt mit, wer diese Waffe oder Munition vorübergehend auf einer Reise ohne Aufgabe des Besitzes zur Verwendung über die Grenzein den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes bringt.
Die Mitnahme (→ S. 183 f.) umfasst zunächst das Tragen der Waffe oder der Munition am Körper, aber auch das Mitführen in einem Kraftfahrzeug oder einem nicht motorisierten Fahrzeug. Entscheidend ist, dass die Waffe oder Munition vorübergehendauf einer Reise ohne Aufgabe des Besitzes zur Verwendungmitgeführt wird.
Merke:
Das Tatbestandsmerkmal „ohne Aufgabe des Besitzes“ ist auch erfüllt, wenn Waffen auf einer Flugreise den Beförderungsvorschriften entsprechend als Gepäck aufgegeben werden. 40
Hier reicht ausnahmsweisedie Ausübung des mittelbaren Besitzes nach bürgerlichem Recht für die Annahme waffenrechtlichen Besitzes aus.
Fall 6:Der deutsche Jäger J wohnt in Aachen. In Frankreich kauft er sich bei einem dort ansässigen Waffenhändler eine Schrotflinte, die er in seinem Auto nach Hause transportiert.
Im Fall 6 gibt der J zwar nicht den Besitz an der Waffe auf, allerdings hat er die Waffe nicht nur vorübergehend bei sich, sondern der Vorgang ist auf Dauer angelegt. Es liegt daher ein Verbringenvor.
Fall 7:Der niederländische Sportschütze S fährt mit zwei halbautomatischen Kurzwaffen im Gepäck für drei Tage nach Deutschland, wo er in Osnabrück unter Verwendung dieser an einem Wettkampfschießen teilnimmt.
Eine typische Mitnahmekonstellation betrifft Fall 7. Der Vorgang ist auf drei Tage angelegt und damit vorübergehend. Zudem hat S die Waffe durchgängig bei sich und möchte diese selbst nutzen. Er gibt den Besitz an der Waffe daher nicht auf und es liegt ein Mitnahmevorgangvor.
Fall 8:Der belgische Jäger J besucht einen Geschäftsfreund in Neuwied. Er hat zwei Jagdlangwaffen im Gepäck. Gemeinsam mit seinem Geschäftsfreund möchte er an einer Treibjagd teilnehmen, die an zwei aufeinanderfolgenden Tagen stattfindet. Anschließend möchte er wieder zurück nach Belgien fahren.
Auch im Fall 8 ist der Vorgang vorübergehender Natur und J möchte den Besitz an der Waffe nicht aufgeben. Auch hier liegt eine Mitnahmevor.
Fall 9:Der dänische Brauchtumsschütze D fährt mit seiner Brauchtumswaffe im Kofferraum seines Kfz nach Deutschland, weil er mit dieser in drei Tagen an einer Brauchtumsveranstaltung in Schleswig teilnehmen möchte. Zuvor möchte er bei einem in Schleswig ansässigen Büchsenmacher Verzierungen am Schaft der Waffe anbringen lassen. Dies wird voraussichtlich zwei Tage in Anspruch nehmen.
Im Fall 9 ist der Vorgang vorübergehender Natur und der D möchte mit der Waffe auch in Deutschland an einer Brauchtumsveranstaltung teilnehmen. Von daher könnte hier zunächst eine Mitnahme im Raum stehen. Allerdings soll die Waffe hier für zwei Tage einem Büchsenmacher überlassen werden. Dadurch überträgt der D seinen unmittelbaren (zivilrechtlichen) Besitz zumindest vorübergehend auf den Büchsenmacher und ist für den Zeitraum der Verzierungsarbeiten seinerseits nur noch mittelbarer Besitzer nach bürgerlichem Recht. Der mittelbare Besitz reicht regelmäßig nicht für die Annahme waffenrechtlichen Besitzes aus. Zumindest vorübergehend findet also eine Besitzaufgabe (bezogen auf den waffenrechtlichen Besitz) statt. Dass der Büchsenmacher dem D gegenüber zur Rückübertragung des Besitzes aus Rechtsgeschäft verpflichtet ist, ändert hieran nichts. Im Ergebnis liegt daher ein Verbringensvorgangund keine Mitnahmekonstellation vor.
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