d) Exkurs: Die rechtliche Einstufung von Messern.Besonders schwierig gestaltet sich in der Praxis die rechtliche Einstufung von Messern. Hier gilt es, bloße Gebrauchsmesser von solchen mit Waffeneigenschaft abzugrenzen. Die Komplexität dieses Themenfeldes spiegelt sich nicht zuletzt in dem Umstand wieder, dass das BKA in zahlreichen Fällen durch Feststellungsbescheid festzulegen hat, ob ein Messer als Gebrauchsmesser oder aber als Hieb- und Stoßwaffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a einzustufen ist.
Zur Klärung der Zweckbestimmung eines Messers kann zunächst auf Herstellerangabenzurückgegriffen werden. Diesen kommt eine erhebliche Indizwirkungzu. Allerdings sind die Herstellerangaben vor dem Hintergrund der konstruktiven Merkmaledes in Rede stehenden Messers auf ihre Plausibilitätzu prüfen. Der Umstand, dass ein Messer als „Gebrauchsmesser“ vertrieben wird, führt nicht zwingend dazu, dass es sich tatsächlich auch um ein solches handelt. Allerdings müssen für den Fall einer Einstufung als Waffe entgegen den Herstellerangaben konstruktive Merkmale vorliegen, die rechtfertigen, nicht der Herstellerdeklaration folgend von einem Gebrauchsmesser, sondern von einem Messer mit Hieb- und Stoßwaffeneigenschaft auszugehen.
In der polizeilichen Praxis werden häufig Messer waffenrechtlich einzustufen sein, zu denen es keine expliziten Herstellerangaben gibt. In diesen Fällen kann allein auf die Konstruktionsmerkmale als Informationsquelle zur Zweckbestimmung des Messers zurückgegriffen werden. Die Beurteilung kann im Einzelfall komplex ausfallen.
Als Hauptindizien für eine Waffeneigenschaft zählen:
• beidseitiger Klingenschliff
und
• Parierstange oder sonstige konstruktive Vorrichtungen, welche das Abrutschen der das Messer führenden Hand in die Klinge bzw. Verletzungen im Falle sich kreuzendender Klingen verhindern sollen.
Merke:
Als Faustformel für die Praxis kann gelten, dass ein beidseitiger Klingenschlifffür die Waffeneigenschaft eines Messers spricht. Das Gleiche gilt für hinzutretende konstruktive Vorrichtungen, welche das Abrutschen der das Messer führenden Hand vom Griff in die Klinge im Falle des Zustoßens bzw. Verletzungen im Falle sich kreuzendender Klingen verhindern sollen ( „Parierstange“oÄ.).
Andere Kriterien lassen jeweils für sich genommen keinen Rückschlussauf die Zweckbestimmung zu.
Solche Kriterien sind etwa:
• der Klingenrücken verjüngt sich zur Spitze hin. Klinge hat also nicht die Form eines typischen Gebrauchsmessers
• Klinge ist nicht auf beiden Seiten vollständig geschliffen, sondern lediglich im vorderen Teilbereich zweiseitig angeschliffen
• Griff ist so ergonomisch ausgearbeitet, dass im Falle des Zustechens ein Abrutschen der das Messer führenden Hand in die Klinge verhindert wird
• Farbgebung der Klinge (etwa Tarnfarben/„Camouflage“)
• Messer ist so konstruiert, dass es mit der das Messer führenden Hand aufgeklappt und arretiert werden kann (Einhandmessereigenschaft)
Auch die Klingenlängekann isoliert für sich betrachtet nichtals bestimmendes Kriteriumzur Beurteilung der Waffeneigenschaft herangezogen werden.
Auch wenn diese Kriterien einzeln betrachtet keinen zwingenden Rückschluss auf den Bestimmungszweck eines Messers zulassen, so sind sie doch stets in eine Gesamtschau mit einzubeziehen und können kumulativ die Einstufung eines Messers als Hieb- und Stoßwaffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a begründen.
Schließlich stellt auch die objektive Gefährlichkeiteines Messers kein brauchbares Kriterium für die Klärung der Waffeneigenschaft dar. Der Zweck muss hier strikt von der Eignung getrennt werden.So können etwa hochwertige Küchenmesser unter objektiven Gesichtspunkten als besonders gefährlich gelten und sind doch klar als Gebrauchsmesser einzustufen. Umgekehrt verliert ein beidseitig geschliffener Dolch nicht seine Waffeneigenschaft, weil er etwa qualitativ minderwertig hergestellt ist und deshalb nur ein begrenztes Verletzungspotenzial aufweist.
Merke:
Bei der Einstufung eines Messers als Gebrauchsmesser oder Waffe nach § 1 Abs. 2 Nr. 2a sind neben den Herstellerangaben auch stets die Konstruktionsmerkmalein die Beurteilung mit einzubeziehen.
Nur eine Gesamtschau der Konstruktionsmerkmaleermöglicht im Einzelfalleine Schlussfolgerung auf die Wesensbestimmung des Messers und damit auf seine Waffeneigenschaft iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 2a.
Überblick:
Tragbare Gegenstände iSd. § 1 Abs. 2 Nr. 2a und b |
iSd. Nr. 2a (Waffen im technischen Sinn )→ stets vom WaffG erfasst (Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 1) Merke: Die Aufzählung ist nicht abschließend, auch hier nicht genannte bewegliche Gegenstände sind vom WaffG erfasst, soweit es sich um Waffen im technischen Sinn handelt! |
iSd. Nr. 2b ( Waffen im nichttechnischen Sinn)→ nur vom WaffG erfasst, soweit im Gesetz genannt! (Anl. 1 Abschn. 1 UA 2 Nr. 2) Merke: Nur die hier aufgezählten beweglichen Gegenstände sind vom WaffG erfasst! |
1.1 Hieb- und Stoßwaffen(Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb-, Stoß-, Stich-, Schlag- oder Wurf-Verletzungen beizubringen) |
2.1 Messer2.1.1 Springmesser (Klinge schnellt auf Knopf- oder Hebeldruck hervor und kann hierdurch oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden) 2.1.2 Fallmesser (Klinge schnellt beim Lösen einer Sperrvorrichtung durch Schwerkraft oder Schleuderbewegung aus dem Griff und kann selbsttätig oder durch Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden) 2.1.3 Faustmesser (Zeichnet sich durch einen quer zur feststehenden oder feststellbaren Klinge verlaufenden Griff aus; wird bestimmungsgemäß in der geschlossenen Faust geführt oder eingesetzt) 2.1.4 Butterflymesser (Faltmesser mit zweigeteiltem, schwenkbarem Griff) |
1.2 Gegenstände, die 1.2.1 Elektroimpulsgeräte 1.2.2 Reizstoffsprühgeräte 1.2.3 a) Geräte, die Reizstoffe in einem Wirkungskreis von mehr als 2 m versprühen und daher keine Reizstoffsprühgeräte iSd. Gesetzes sind, b) Geräte, die bei Menschen in einer Entfernung von mehr als 2 m durch eine andere als kinetische Energie, insbesondere durch gezieltes Ausstrahlen von elektromagnetischer Strahlung, eine angriffsunfähig machende Wirkung hervorrufen. 1.2.4 Flammenwerfer 1.2.5 Molotow-Cocktails oder 1.2.6 Würgewerkzeuge sind. |
2.2 Gegenstände, die bestimmungsgemäß unter Ausnutzung einer anderen als mechanischen Energie Tieren Schmerzen beibringen (zB. Elektroimpulsgeräte), mit Ausnahme der ihrer Bestimmung entsprechend im Bereich der Tierhaltung oder bei der sachgerechten Hundeausbildung Verwendung findenden Gegenstände (zB. Viehtreiber). Hinweis:Tierabwehrsprays fallen nicht hierunter und sind daher nicht vom WaffG erfasst. |
1.3 Präzisionsschleudernsowie Armstützen uÄ. für dieselben. Dies sind Schleudern, die zur Erreichung einer höchstmöglichen Bewegungsenergie eine Armstütze oder vergleichbare Vorrichtung besitzen. Herkömmliche Schleudern („Zwillen“) sind hiervon nicht erfasst. |
|
Merke:
Tierabwehrsprays unterliegen nicht den Regelungen des WaffG.
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