Die neun Weltbilder verdeutlichen also, worauf die Antreiber und das Selbstbild basieren.
Weiterhin gibt das Weltbild Einblick, was beim jeweiligen Typ mit unangenehmen Gefühlen und Erinnerungen verbunden ist. Am Beispiel Eins: Unzulänglichkeiten, Fehler, Unvollkommenes lösen bei Einsen Unruhe, Zorn und einen starken inneren Handlungsimpuls aus, sich einzubringen.
Einsen sehen beispielsweise schief hängende Bilder und können diese in ihrer eigenen Umgebung nicht unkommentiert lassen. Schaut man unter die Oberfläche des Verhaltens (siehe Eisberg-Modell, S. 23) und in die Ebene Lebensrucksack, zeigt sich, dass Einsen als eine prägende Kindheitserfahrung verinnerlicht haben, dass es nicht in Ordnung ist, Fehler zu machen und mit negativen Folgen bis hin zu Bestrafung zu rechnen ist. Das erklärt, weshalb es Einsen so wichtig ist, ob etwas richtig oder falsch ist, und sie für ihr Selbstbild, alles richtig zu machen, festhalten.

Abb. 4: Die Flügel sind die Typen rechts oder links direkt neben dem Haupttypen.
Der Typ unmittelbar vor bzw. nach, also links oder rechts neben dem Haupttypen auf dem Kreis wird „Flügel“ genannt. Im jeweiligen Typenkapitel-Abschnitt unter „Flügel“ lesen Sie, wie sich der Nachbartyp auf den Charakter des Haupttyps auswirkt. (Abb. 4)
Leidenschaft und Laster gehören zusammen. Sie sind die typerhaltenden Gefühle und Gedanken, die die neun Persönlichkeitstypen als typprägende „Altlast“ in ihrem Lebensrucksack tragen. Diese Gedanken und Gefühle laufen unbewusst und automatisch ab.
Das unter dem Stichwort „Leidenschaft“ genannte Gefühl offenbart die sogenannte emotionale Fixierung, die das typbedingte Verhaltensmuster erhält. „Fixierung“ bedeutet in diesem Zusammenhang einen unbewussten inneren Automatismus, der dazu führt, dass der Typ sich auf immer gleiche Art, also „typisch“ und vorhersehbar verhält. Die Leidenschaft ist schwer loszulassen, weil sie die Persönlichkeitsmerkmale zu dem Gesamtbild des Typen zusammenfügt und erhält. Sie treibt die Person an und setzt sie typspezifisch unter Druck, ihr „typisches“ Verhalten zu wiederholen.
Das Laster entspricht der mentalen Fixierung. Wenn die eigene innere Überzeugung bedroht wird, holt einen das unter „Laster“ genannte Gefühl ein. Da der jeweilige Typ den unter Laster beschriebenen Aspekt empfindet, spürt er den Automatismus, sich entsprechend seinem Antreiber zu verhalten und Antworten auf die unter „Aufmerksamkeit“ beschriebenen Fragen zu suchen. Bei Leidenschaft und Laster ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass wir Menschen, wenn wir im Persönlichkeitstyp verstrickt sind, einem inneren, unbewussten Automatismus folgen. Unser Handeln ist dann nicht bewusst und intentional, sondern unbewusst und intuitiv. Wir reagieren auf im Langzeitgedächtnis abgelegte Erinnerungen und Erfahrungen, indem wir das Verhalten wiederholen, das uns bisher (scheinbar) die Haut gerettet, das Leben erleichtert und dabei geholfen hat, unangenehme Situationen zu überwinden.
Das „Laster“ hat die Funktion, das Weltbild und damit die Konstruktion der erworbenen Persönlichkeit, das Ego, zu erhalten. Es ist daher besonders schwer zu überwinden.
Unter dem Stichwort „Abwehr“ geht es darum, zu verstehen, was bei den Persönlichkeitstypen die unter „Leidenschaft“ beschriebenen Gefühle auslöst. Den unter „Abwehr“ genannten Zustand fürchten die jeweiligen Typen zutiefst, sie versuchen ihn unter allen Umständen zu vermeiden. Sie wehren den angstauslösenden Moment ab, indem sie mit dem entsprechenden typbedingten Verhaltensmuster (siehe Abschnitt „Aufmerksamkeit“) gegensteuern und somit ihr Selbstbild aufrechterhalten.
Hier lesen Sie das typbedingte Verhalten der neun Persönlichkeitstypen, das Sie als Spitze des Eisbergs beobachten können, wenn Sie sich das jeweilige Arbeitsverhalten anschauen. Das Handeln läuft als innerer und unbewusster Automatismus ab und wird gesteuert vom Ego. Seine Funktion besteht darin, das jeweilige Selbstbild aufrecht zu halten. Als Beispiel, Typ 5, Handeln: Wissen anhäufen; Selbstbild: Ich blicke durch. Typisch für Fünfen ist ihre ausgeprägte Lust am Durchdringen von Themen, die sie interessieren. Im Rausch ihres Spezial-Sujets eignen sie sich so viel Wissen an und beschaffen sich so viele Informationen, bis sie in ihrer Sache der Experte sind und ihnen so schnell keiner mehr etwas vormachen kann.
Aufbauend auf den oben erklärten Antreibern und Selbstbildern beschäftigt jeden der neun Typen eine bestimmte (unbewusste) Frage. Diese bindet seine Aufmerksamkeit und bewegt ihn dazu, sich entsprechend seinem Persönlichkeitsmuster zu verhalten.
Sprachstil und Äußeres charakterisieren das typische Erscheinungsbild der Typen. Anhand dieser beiden Punkte können Sie grob sondieren, ob Sie oder jemand anderes diesen bestimmten Persönlichkeitstyp haben könnte.
Die Art und Weise, wie sich jeder der neun Persönlichkeitstypen bevorzugt ausdrückt und mitteilt, ist unter „Sprachstil“ charakterisiert. Typische körpersprachliche oder durch den Kleidungsstil wahrnehmbare Merkmale finden Sie unter dem Stichwort „Äußeres“.
Stress- und Entwicklungspunkt
Jeder Typ hat einen sogenannten „Stresspunkt“ und einen „Entwicklungspunkt“. Der Typ, der vom Haupttypen weg zeigt, also der nachfolgende Typ in der Zahlenkette 9 - 6-3 und 1 - 4-2 - 8-5 - 7 ist der Stresspunkt. Der Typ, der auf den Haupttypen zeigt, also der vorherige Typ, ist der Entwicklungspunkt. (Abb. 5)

Abb. 5: Stresspunkt der Acht ist Typ 5, Entwicklungspunkt ist Typ 2.
Der Stresspunkt gibt Hinweise, wie sich der jeweilige Haupttyp verhält, wenn er unter Druck ist und an seine persönlichen (Ego-) Grenzen kommt, was zum Beispiel der Fall ist, wenn derjenige unter den gegebenen Umständen sein Selbstbild nicht mehr durch das eigene Handeln aufrecht erhalten kann. In einer solchen Situation übernehmen die neun Typen die tendenziell negativen Verhaltensmuster des unter „Stresspunkt“ genannten Persönlichkeitstypen.
Die positiven Aspekte des Entwicklungspunktes sind der Schlüssel zum Auflösen der Typen-Fixierung, also der Antreiber. Der Entwicklungspunkt beantwortet die Fragen: Was hilft dem Typen, sich zu entwickeln? Welche anderen Verhaltensweisen nutzen, um aus den typeigenen Automatismen auszusteigen? Wie kann man seine Antreiber entlarven und schachmatt setzen? Wodurch kann innere Ausgeglichenheit und Gelassenheit erreicht werden?
TYPMUSTER ERKENNEN
Menschen zu erkennen ist faszinierend. Die Aussicht auf eine verständnisvolleres, effektiveres Miteinander ist reizvoll. Doch bitte nehmen Sie sich Zeit, Ihre Hypothesen, der Kollege könnte Typ X haben, anhand der in den folgenden Kapiteln erläuterten Tiefenstruktur (Antreiber, Aufmerksamkeit, Handeln) zu überprüfen. Mithilfe dieses oder anderer Bücher können Sie lediglich Hypothesen aufstellen, mit welchem Typ Sie es zu tun haben. Dabei helfen ihnen eine Reihe von Indikatoren, die ich Ihnen gleich vorstellen werde. Bevor Sie sich jedoch auf Ihre persönliche Erkundungsreise begeben und Ihre Umgebung erforschen, empfehle ich Ihnen: Beginnen Sie bei sich selbst und stehen Sie für die mit Ihrem Persönlichkeitstyp verbundenen Aspekte und Ausprägungen, die Sie vielleicht auch mal als Schwächen bewerten, von Herzen ein. Wer sich selbst gegenüber wohlwollend ehrlich und wertschätzend selbstreflexiv ist, sieht auch andere in ihrem Wesenskern einfühlsamer und bewertet weniger. Wie würden Sie sich fühlen, würde Ihnen ein Kollege auf den Kopf zusagen: Alles klar, Sie sind Typ X, das erkenne ich auf den ersten Blick! Würden Sie sich nicht auch wünschen, Ihr Gegenüber nähme Sie in ihrer Vielschichtigkeit wahr? Fänden Sie es nicht auch viel angenehmer und kollegialer, er würde mit Ihnen über persönlichkeitsrelevante Themen sprechen, sich mit Tiefgang für Ihre Sichtweise und Motive interessieren, statt sich anhand von Oberflächlichkeiten eine Meinung zu bilden und vorschnell zu urteilen? Nutzen Sie Gelegenheiten wie Weiterbildungen, Dienstreisen, Ausflüge und Feiern, Ihre Kollegen von verschiedenen Seiten kennenzulernen. Menschenkenntnis resultiert aus der Kenntnis vieler Menschen. Um den persönlichen Austausch mit Ihren Kollegen kommen Sie nicht herum, wenn Sie an einer guten Zusammenarbeit interessiert sind.
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