Karl May
Weihnacht von Karl May
5 historische Kapitel auf über 200 Seiten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Karl May Weihnacht von Karl May 5 historische Kapitel auf über 200 Seiten Dieses ebook wurde erstellt bei
Weihnacht von Karl May Weihnacht von Karl May Inhalt: • Einleitung • Der Prayer-man • Old Jumble • »Sti-i-poka« • Im Schnee
Einleitung
Der Prayer-man - Kapitel 1
Der Prayer-man - Kapitel 2
Der Prayer-man - Kapitel 3
Old Jumble - Kapitel 1
Old Jumble - Kapitel 2
»Sti-i-poka« - Kapitel 1
»Sti-i-poka« - Kapitel 2
Im Schnee - Kapitel 1
Im Schnee - Kapitel 2
Im Schnee - Kapitel 3
Impressum neobooks
Inhalt:
• Einleitung
• Der Prayer-man
• Old Jumble
• »Sti-i-poka«
• Im Schnee
Weihnacht!
Welch ein liebes, liebes, inhaltsreiches Wort! Ich behaupte, daß es im Sprachschatze aller
Völker und aller Zeiten ein zweites Wort von der ebenso tiefen wie beseligenden Bedeutung
dieses einen weder je gegeben hat noch heute giebt. Dem gläubigen Christen ist es der
Inbegriff der heißersehnten Erfüllung langen Hoffens auf die Erlösung aller Kreatur, und auch
für den Zweifler bedeutet es eine alljährlich wiederkehrende Zeit allgemeiner Festlichkeit, der
Familienfreude und der strahlenden Kinderaugen. Jenem leuchtet in der tiefsten Tiefe seines
Herzens der Wahrspruch »Jesus Christus gestern und heut und derselbe in alle Ewigkeit!« und
dieser stimmt wohl unwillkürlich auch mit ein oder läßt wenigstens seine Kinder einstimmen
in den Frohgesang
»Welt ging verloren,
Christus ward geboren;
Freue dich, o Christenheit!«
Unter Palmen ging der längst erwartete Zweig Isais, des Bethlehemiten, auf, und über
Bethlehem strahlte der Stern, welcher die Weisen aus dem Morgenlande zu der
Weihnachtskrippe leitete. »Ehre sei Gott in der Höhe!« sangen die himmlischen Heerscharen
über diese Stadt, von welcher ein Strahl des Lichtes ausgangen ist, der alle Welt erleuchten
und beglücken soll. »Friede auf Erden!« erklang es nach dem himmlischen Gloria, und der
Friede, dessen Sinnbild noch heut die Palmen sind, hat sich von dorther ausgebreitet über alle
Länder und in alle Herzen, welche seinem Einzuge offen standen. Und wo im Norden keine
Palmen wehen, da haben ihre Wedel sich in Tannenzweige verwandelt, welche Sterne und
Lichter tragen in der schönen seligen Zeit, welcher die Worte des Propheten gelten: »Mache
dich auf, und werde Licht, denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht über
dir auf!« Da glänzt der Weihnachtsbaum im Palaste und in der Hütte; da schallen
Glockenklänge, um die Geburt des Erlösers zu verkünden, durch die stille Nacht, und von
allen Kanzeln und Altären, von Mund zu Mund erklingt der Engelsruf: »Siehe, ich verkündige
Euch große Freude, die allen Nationen widerfahren wird, denn Euch ist heute der Heiland
geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Davidsstadt!«
Zwei Bibelworte sind es vorzugsweise, welche, als ich noch ein kleiner Knabe war, aus dem
Munde der alten, frommen Großmutter einen tiefen, unauslöschlichen Eindruck auf mich
machten. Lag es an der Erzählerin oder an dem Inhalte dieser Worte selbst, ich weiß es nicht,
aber Thatsache ist, daß diese Verse noch heut zu meinen Lieblingsbibelsprüchen zählen. Der
eine Spruch lautet Hiob 19,25: »Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und er wird mich aus dem
Grabe auferwecken«, und der zweite ist eben die Verkündigung des Engels: »Siehe, ich
verkündige Euch große Freude – – denn Euch ist heute der Heiland geboren – –«. Der
Eindruck dieser Stellen auf mich war ein solcher, daß ich – in noch ganz unreifem Alter –
beide komponiert und über die zweite auch noch ein Gedicht – fast möchte ich sagen,
verbrochen habe.
Daß ich dies hier nicht etwa erwähne, um mich zu brüsten, habe ich durch die Altersangabe
und das Wort »verbrochen« bewiesen, vielmehr werden meine lieben Leserinnen und Leser
bald bemerken, daß diese Erwähnung einen ganz andern und zwar bessern Zweck verfolgt.
Einstweilen sei nur gesagt, daß die Worte »Ich verkündige Euch große Freude« mir damals
auch in ganz besonderer Beziehung zu einer wahren Weihnachtsbotschaft wurden.
Ich, der ärmste unter den Schülern meiner Klasse, liebte die Musik glühend und nahm außer
dem gewöhnlichen Unterrichte noch Privatstunden in der Harmonielehre u.s.w., was mich auf
trockenes Brot setzte, denn ich ernährte mich durch Unterrichtgeben à Stunde 50 Pfennige
und mußte also die Stunde Harmonielehre zu einem Thaler mit sechs Stunden meiner
Privatzeit bezahlen. Das that ich aber gern, und der Hunger von damals hat mir bis heute noch
nichts geschadet.
In der Theorie – nicht etwa praktischen Komposition – bei der Motette angelangt, setzte ich
mich eines Tages mit der nur durch meine Jugend zu entschuldigenden Idee hin, über das
Lieblingsthema »Ich verkündige Euch große Freude« eine Weihnachtsmotette zu
komponieren. Wie gedacht, so gethan! Das opus operatum sollte freilich tiefes Geheimnis
bleiben, war aber schon bald nach seiner Vollendung aus meinem Kasten verschwunden.
Später erfuhr ich, daß ein mir übelwollender Mitschüler es mir wegstibitzt und, um mich zu
blamieren, es meinem Lehrer, einem alten, braven Kantor, durch die Post zugeschickt hatte.
Ich suchte lange nach dem verlorenen Heiligtume und gab es endlich auf, es jemals
wiederzufinden.
Wie nun selten ein Unglück allein kommt – und das eigenmächtige Überschreiten der einem
Schüler gezogenen geistigen Grenzen kann leicht zum Unglück für ihn werden –, kam mir
grad zu jener Zeit ein Unterhaltungsblatt zu Gesicht, in welchem eine Konkurrenz, ein
Weihnachtsgedicht betreffend, mit drei Preisen zu 30, 20 und zehn Thalern ausgeschrieben
wurde. Mein Lieblingsthema, meine Armut und wer weiß was sonst noch für gute oder nicht
gute Gründe, »drückten mir«, wie berufene Dichter zu sagen pflegen, »Die Feder in die
Hand«; ich setzte mich abermals hin und brachte ein Gedicht von 32, schreibe und sage mit
Worten: zweiunddreißig vierzeiligen Strophen zu Papier. Es ist jedermann, besonders aber
jedem Redakteur bekannt, daß ein Gedicht, je länger es ist, desto leichter in den Papierkorb
wandert, und auch ich wußte wenigstens, daß der Wert eines Poems nicht mit seiner Länge zu
wachsen pflegt; aber nach der Disposition, die ihm zu Grunde lag, hatte es eben nicht kürzer
werden können; im Gegenteile, wenn ich alle Gedanken, die mir gekommen waren,
niedergeschrieben hätte, wären es wohl tausend Zeilen geworden. Ich fertigte also das
verlangte Motto an, steckte dieses mit dem Gedichte in ein Couvert für 3 Pfennige, siegelte es
mit für 5 Pfennige Rotlack zu, klebte mein letztes Geld in Gestalt von Briefmarken in die
Ecke rechts über der Adresse der Redaktion und trug den Brief in höchst feierlicher
Stimmung bis zur übernächsten Straße, wo der Briefkasten hing. Als er mit hohlem Geräusch
hineingefallen war, sah ich den Kasten noch lange an. Er kam mir jetzt ganz anders vor, als er
früher ausgesehen hatte. Das war aber auch sehr leicht zu erklären, denn zweiunddreißig
Читать дальше