und zwar auch aus Marias Sicht;
ein andrer tat’s bisher wohl nicht:
Wie bitte – ja, so frage ich –
fühlte das Kind Maria sich?
Von ihren Eltern abgegeben
um bei der Priesterschaft zu leben.
Fühlte sie sich nicht einsam dort
an diesem kinderlosen Ort?
Es fällt mir schwer, an solchen Stellen,
mir das Beschrieb'ne vorzustellen!
Neun Jahre bei der Priesterschaft!
Wie hat das Kind das nur geschafft?
Ist es ganz ohne Spiel und Faxen
und ohne Freundin aufgewachsen?
Unklar ist auch, ob in den Jahren
die Eltern manchmal bei ihm waren.
Ob es Maria gar nicht quälte,
weil doch die Elternliebe fehlte?
Ich frag’ mich, was kann das bedeuten,
dass sich die Eltern auch noch freuten,
dass ihre Tochter guter Ding
dort blieb, und nicht an ihnen hing.
Sie wuchs heran – zwar fromm und rein –
doch, durfte sie auch kindlich sein?
Hat man – frage ich unverhohlen –
Marias Kindheit so gestohlen?
Wer weiß, wie ihr zumute war,
als sie grad zwölf geworden war,
und man ihr unschuldiges Leben
jetzt wieder weiter hat gegeben.
Was hat Maria wohl gesagt,
als man sie einfach ungefragt
einem wildfremden Mann gegeben,
mit welchem sie dann sollte leben?
Wer glaubt denn, dass die Weltentrückte
diese Situation beglückte?
Aber bezüglich solcher Fragen
will kein Evangelist was sagen.
1Protevangelium 8 + 9
* * *
Die Verheißung der Geburt Jesu
Maria lebte lange Zeit 1
in Josefs Haus in Einsamkeit.
Die Braut Josefs – noch ach so jung –
vermisste auch Beschäftigung.
Im Haus tat sie zwar dies und das,
doch das machte nicht wirklich Spaß.
Die Priesterschaft wollte nun gern
'nen Vorhang für das Haus des Herrn.
Der sollte aber ganz allein
von Jungfrauen geschaffen sein,
die aus dem Stamme Davids stammen.
Es fanden sieben sich zusammen.
Maria war dabei. – Deswegen
kam ihr der Auftrag sehr gelegen!
Die Arbeit wurde aufgeteilt
und durch Verlosung zugeteilt.
Jede nahm ihren Teil daraus
zwecks der Verrichtung mit nach Haus.
Im Protevangelium Zehn
können wir durch Jakobus sehn
– da er als Einziger notierte
was viele Christen interessierte –
dass dieses Kind Maria klar
Nachkomme vom Stamm Davids war.
Somit ist für die Christenwelt
meines Erachtens festgestellt,
dass durch Maria ganz allein
Jesus konnt’ vom Stamm Davids sein.
Die wichtige Information
fehlte mir in der Bibel schon.
Nach sechs Monaten so allein, 2
kehrte bei ihr ein Engel ein.
Als den Maria dort entdeckt,
hatte sie sich schon sehr erschreckt.
Es war der Engel Gabriel,
der zu ihr sprach an dieser Stell':
»Gegrüßet seist du, holde Maid,
vor allen Frau’n gebenedeit!
Kein Grund ist, dass ein Schreck dich quält,
denn du bist von Gott auserwählt
aus all den Frauen hier auf Erden,
denn du wirst bald schon schwanger werden!
Gott will die Gnade dir gewähren,
denn du wirst einen Sohn gebären,
welcher die Welt erretten kann!
Gib ihm den Namen Jesus dann.
Man wird ihn Sohn des Höchsten nennen
und alle Welt wird ihn bald kennen.«
Maria konnt' das nicht verstehen
und fragte: »Sprich, wie soll das gehen,
denn nie hat mich ein Mann genommen!
Woher soll denn das Kindlein kommen?
Kein Mann hatte mich je verführt;
ich selbst hab nie den Drang verspürt!«
Der Engel antwortete ihr:
»Genau das ist es – glaube mir –
was Gott dem Herrn an dir gefällt;
darum hat er dich auserwählt!
Weil du nichts von Empfängnis weißt,
schickt Gott zu dir den Heil’gen Geist.
Durch ihn empfängst du völlig rein
und wirst auch dann noch Jungfrau sein!
Das bei Gott alles möglich ist,
spürst du, wenn du bald schwanger bist.
Das Kind, das du gebierst auf Erden,
wird Gottes Sohn genannt dann werden!
Was Gott beschließt, das wird auch wahr!
Elisabeth wird ja sogar
– trotz dass sie jetzt schon ziemlich alt –
den ersten Sohn gebären bald.
Deiner Verwandten Austragfrist
jetzt nur sechs Monate noch ist.«
Maria ward es völlig klar,
da sie folgsam erzogen war,
dass sie – wer weiß schon, was sie fühlte –
die Weisung Gottes auch erfüllte.
Sie sprach: »Ich bin nur Gottes Magd,
so werde wahr, was du gesagt.«
1Protevangelium 10 / 2Lukas 1, 26 – 38
* * *
Marias Schwangerschaft
und ihr Besuch bei Elisabeth
Maria wurde in der Tat 1
– wie Gabriel verkündet hat –
in kurzer Zeit auch schwanger schon.
In ihrem Leib wuchs Gottes Sohn!
Sie hatte Gott dafür gedankt –
doch, ihr Gefühl hat auch geschwankt.
Sie fragte sich: »Wird’s mir gelingen,
dies alles Josef beizubringen?«
Maria aber brauchte dann
jemand, mit dem man reden kann
über das Schwangerschaftsgeschehen
und wie es weiter würde gehen.
Nachdenkend, mit wem so was geht,
dachte sie an Elisabeth,
mit einem Sohn in ihrem Bauch.
Mit ihr wollte sie reden auch.
Maria ging mit frohem Sinn
eilend zu deren Wohnort hin.
Dort grüßte sie Elisabeth
und fragte höflich, wie’s ihr geht.
Als diese ihren Gruß vernahm,
es unvermittelt dazu kam,
dass dieses Kindlein in ihr drinnen
vor Freude hüpfte wie von Sinnen.
Elisabeth selbst fand das toll;
sie ward des heil’gen Geistes voll
und rief: »Du bist gebenedeit
unter den Frauen aller Zeit,
ebenso deines Leibes Frucht!
Wie schön ist’s, dass ihr uns besucht.
Du bist die Mutter unsres Herrn,
darum empfangen wir dich gern!«
Maria hat darauf gesagt:
»Ich selbst bin ja nur Gottes Magd.
Doch wird man preisen mich und loben,
weil Gott mich gnädig hat erhoben.«
Laut dem, was Lukas niederschrieb,
Maria dort noch länger blieb;
drei Monate hielt sie’s dort aus,
danach ging sie wieder nach Haus.
Maria hatte so für Wochen
mal ihr Alleinsein unterbrochen.
Diese Gespräche taten gut
und gaben ihr auch frischen Mut.
Doch sicher ist – so meine ich –
die zwei Frauen verstanden sich;
und die zwei Söhne scheinbar auch,
welche noch in der Mütter Bauch.
1Lukas 1, 39 – 45
* * *
Josefs Heimkehr
Als sie im sechsten Monat dann, 1
kam auch zurück ihr Bräutigam.
Dass mit Maria was geschehen,
war selbstverständlich schon zu sehen.
Josef hatte es gleich entdeckt
und hat sich fürchterlich erschreckt.
Voll Kummer schlug er selber sich
und weinte danach bitterlich.
Enttäuscht sprach er Maria an:
»Sag', warum hast du das getan?
Du wurdest doch als meine Braut
jungfräulich rein mir anvertraut.
Du wardst im Tempel doch erzogen!
Damit hast du auch Gott betrogen!
Du warst doch unbefleckt und rein.
Warum gingst du auf so was ein?«
Maria indes weinte sehr
und die Erklärung fiel ihr schwer.
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