Barbara Wolflingseder
Dunkle
Geschichten
aus dem
Alten Österreich
Ludwig Rösch: Die Bachgasse in Weißenkirchen, 1920/25
Hinrichtungsart: Räderung, Kupferstich von Winzenz Kaßler 1868
ISBN: 9783990401804
© 2013 by Pichler Verlag
in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien · Graz · Klagenfurt
Alle Rechte vorbehalten
Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop
Lektorat und Herstellung:
Marion Mauthe
Cover- und Buchdesign:
Bruno Wegscheider
Covergestaltung unter Verwendung von:
Ludwig Rösch „Die Bachgasse in Weißenkirchen“,
1920/25, sowie einer Szene aus dem Film
„Faust – eine deutsche Volkssage“ von
Friedrich Wilhelm Murnau, 1926
Reproduktion:
Pixelstorm, Wien
1. digitale Auflage:
Zeilenwert GmbH 2014
Cover
Titel Barbara Wolflingseder Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich
Impressum Ludwig Rösch: Die Bachgasse in Weißenkirchen, 1920/25 Hinrichtungsart: Räderung, Kupferstich von Winzenz Kaßler 1868 ISBN: 9783990401804 © 2013 by Pichler Verlag in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG Wien · Graz · Klagenfurt Alle Rechte vorbehalten Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop Lektorat und Herstellung: Marion Mauthe Cover- und Buchdesign: Bruno Wegscheider Covergestaltung unter Verwendung von: Ludwig Rösch „Die Bachgasse in Weißenkirchen“, 1920/25, sowie einer Szene aus dem Film „Faust – eine deutsche Volkssage“ von Friedrich Wilhelm Murnau, 1926 Reproduktion: Pixelstorm, Wien 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
An Stelle eines Vorworts
Aus: Der Golem – von Gustav Meyrink
Der Holzknechtseppl und die Stradafüßler
Die Geschichte eines Räuberhauptmannes
Der Herzlfresser
Eine grausame Mordserie aus dem Mürztal
Tod auf dem Pfahl
Die schaurige Geschichte von einem Bäckersknecht zu Wien
Die Bestie von Krumau
Don Julius d’Austria und die Folgen der Habsburger Inzucht
Lynchjustiz hinter Prager Gefängnismauern
Der eiskalte Meuchelmord an einem „Häfenbruder“
Simon Abeles
Der Judenbub, der beinahe heiliggesprochen wurde
Ritualmordlegenden
Zum Antisemitismus in der katholischen Kirche
Menschenopfer in Ampflwang am Hausruckwald
Thomas Pöschl und seine Sekte
Die Täufer
Jakob Hutter, ein Märtyrer aus Südtirol
Die Täufer
Jakob Hutter, ein Märtyrer aus Südtirol
Das mysteriöse Verschwinden des Doktor Helbich
Faust im Waldviertel
Der mörderische Lebzelter
Die Arsenmorde von Werfen
Des Teufels Oberleutnant
Das Geheimnis der tödlichen Briefe
Quellen
Danke
Die Autorin
Bildnachweis
Weitere Bücher
Ferdinand Runk - Moldau beim Karlshaus, Gouache, um 1800
AN STELLE EINES VORWORTS
Grauenhafte Vorzeichen
Aus: Der Golem – von Gustav Meyrink
Immer wieder begibt es sich nämlich, daß ein vollkommen fremder Mensch, bartlos, von gelber Gesichtsfarbe und mongolischem Typus, aus der Richtung der Altschulgasse her, in altmodische, verschossene Kleider gehüllt, gleichmäßigen und eigentümlich stolpernden Ganges, so, als wolle er jeden Augenblick vornüber fallen, durch die Judenstadt schreitet und plötzlich – unsichtbar wird. Gewöhnlich biegt er in eine Gasse und ist dann verschwunden.
Ein andermal heißt es, er habe auf seinem Wege einen Kreis beschrieben und sei zu dem Punkte zurückgekehrt, von dem er ausgegangen: einem uralten Hause in der Nähe der Synagoge.
Einige Aufgeregte wiederum behaupten, sie hätten ihn um eine Ecke auf sich zukommen sehen. Wiewohl er ihnen aber ganz deutlich entgegengeschritten, sei er dennoch, genau wie jemand, dessen Gestalt sich in weiter Ferne verliert, immer kleiner und kleiner geworden und – schließlich ganz verschwunden.
Vor Sechsundsechzig Jahren nun muß der Eindruck, den er hervorgebracht, besonders tief gegangen sein, denn ich erinnere mich – ich war noch ein ganz kleiner Junge –, daß man das Gebäude in der Altschulgasse damals von oben bis unten durchsuchte. Es wurde auch festgestellt, daß wirklich in diesem Hause ein Zimmer mit Gitterfenster vorhanden ist, zu dem es keinen Zugang gibt. Aus allen Fenstern hatte man Wäsche gehängt, um von der Gasse aus einen Augenschein zu gewinnen, und war auf diese Weise der Tatsache auf die Spur gekommen.
Da es anders nicht zu erreichen gewesen, hatte sich ein Mann an einem Strick vom Dache herabgelassen, um hineinzusehen. Kaum aber war er in die Nähe des Fensters gelangt, da riß das Seil, und der Unglückliche zerschmetterte sich auf dem Pflaster den Schädel. Und als später der Versuch nochmals wiederholt werden sollte, gingen die Ansichten über die Lage des Fensters derart auseinander, daß man davon abstand.
Ich selber begegnete dem ›Golem‹ das erste Mal in meinem Leben vor ungefähr dreiunddreißig Jahren. Er kam in einem sogenannten Durchhause auf mich zu, und wir rannten fast aneinander. Es ist mir heute noch unbegreiflich, was damals in mir vorgegangen sein muß. Man trägt doch um Gottes willen nicht immerwährend, tagaus tagein die Erwartung mit sich herum, man werde dem Golem begegnen.
In jenem Augenblick aber, bestimmt – ganz bestimmt, noch ehe ich seiner ansichtig werden konnte, schrie etwas in mir gellend auf: der Golem! Und im selben Moment stolperte jemand aus dem Dunkel des Torflures hervor, und jener Unbekannte ging an mir vorüber. Eine Sekunde später drang eine Flut bleicher, aufgeregter Gesichter mir entgegen, die mich mit Fragen bestürmten, ob ich ihn gesehen hätte.
Und als ich antwortete, da fühlte ich, daß sich meine Zunge wie aus einem Krampfe löste, von dem ich vorher nichts gespürt hatte. Ich war förmlich überrascht, daß ich mich bewegen konnte, und deutlich kam mir zum Bewußtsein, daß ich mich, wenn auch nur den Bruchteil eines Herzschlags lang – in einer Art Starrkrampf befunden haben mußte.
Über all das habe ich oft und lange nachgedacht, und mich dünkt, ich komme der Wahrheit am nächsten, wenn ich sage: Immer einmal in der Zeit eines Menschenalters geht blitzschnell eine geistige Epidemie durch die Judenstadt, befällt die Seelen der Lebenden zu irgendeinem Zweck, der uns verhüllt bleibt, und läßt wie eine Luftspiegelung die Umrisse eines charakteristischen Wesens erstehen, das vielleicht vor Jahrhunderten hier gelebt hat und nach Form und Gestaltung dürstet. […]
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