
Auf dem Weg zum Herzlfressermarterl: Schloss Oberkindberg
Geschafft hat er es nicht ganz. Reininger, der sich in der steirischen Rechtsgeschichte als „Herzlfresser“ einen Namen gemacht hat, konnte nach dem sechsten Mord endlich das Handwerk gelegt werden.
Herangewachsen ist der Serienmörder in der Turnauer Gegend, am Fuße des Hochschwabs. Bereits im Alter von drei Jahren verlor er seinen Vater, einen Mürztaler Hirten, und wurde von der Mutter weggegeben. Er kam zu seinem Taufpaten, doch die Erziehung des Buben oblag den Dienstboten. Früh musste er schon für sich selbst sorgen. Seinen ersten Lebensunterhalt verdiente er als Hirte, mit 13 Jahren kam er in den Dienst eines anderen Bauern. Dann wechselte er laufend seine Arbeitsplätze, weil er es nirgends lange aushielt. Es mangelte ihm ständig an Geld, und er neigte besonders zur Trunksucht. Sein Alkoholismus war es auch, der die letzten Schranken der Moral durchbrach und die Bestie in ihm zu Tage förderte. So wie es auch am 15. Jänner 1786 geschehen ist. Als er nach Kindberg gieng, um dort seine Andacht zu verrichten, vorher aber mit einem Gespann im Wirtshause zwey halbe Wein getrunken, kehrte er nach vollendetem Gottesdienst wieder in das Wirtshaus zurück, wo er mit einem anderen Knechte vier halbe Wein verzehrte, dabey gespielet, und er ungefehr einen Taler verloren. Anschließend torkelte Reininger heimwärts, legte sich, rauschig wie er war, auf eine Wiese und gönnte sich ein Schläfchen. Bei Anbruch der Dämmerung kam ein Mädchen des Weges und weckte den Schlafenden. Es war eine Dienstmagd, die sich erbötig machte, ihn nach Hause zu begleiten, damit er nicht in der Kälte schlafen müsse.
Magdalena Angerer, so ihr Name, war zuvor in der Kindberger Kirche beim Gottesdienst gewesen. Nach der Messe war sie mit ihrem Bräutigam im Wirtshaus eingekehrt, dann hatte sie noch schnell eine Schachtel mit ihrem Brautkranz abgeholt und sich auf den Heimweg zur Möstlmühle gemacht. Das war das letzte Mal, dass die junge Frau gesehen wurde. Ihr Verschwinden konnte sich so kurz vor der Hochzeit niemand erklären.
Noch warme Herzen aus der Brust gerissen
Zwei Wochen lang blieb Magdalena Angerer spurlos verschwunden. Am 2. Februar, zu Lichtmess, wurde ein Bauer auf dem Heimweg von der Kirche durch lautstarkes Rabengeschrei irritiert. Neugierig näherte er sich der Tierversammlung, um nachzusehen, was die Aasfresser so aufgestört hatte. Was er dann entdeckte, wird er wohl nie wieder aus seinem Gedächtnis bekommen haben. Vor ihm lag eine entblößte, verstümmelte und schon stark verweste Mädchenleiche mit abgetrenntem rechtem Arm und linkem Fuß, daneben ihr Kopf. Der Oberkörper war vom Bauch bis zum Hals aufgeschnitten, die Eingeweide herausgenommen, doch es fehlte das Herz. Da noch einige Kleidungsstücke herumlagen, erkannte der Bauer sofort, dass es sich bei der fürchterlich zugerichteten Leiche um die seit zwei Wochen vermisste Magdalena Angerer handelte, und erstattete am Landesgericht Wieden bei Kapfenberg Anzeige.
Kindberg um 1830, aus: „Lithografirte Ansichten der Steiermark“, J. F. Kaiser
Es vergingen fünf Wochen, dann wurden von zwei Bauern entscheidende Hinweise zur Aufklärung der Gräueltat erbracht. Paul Reininger, ein Knecht und Kartenspieler, sei der Mörder, waren sich die beiden sicher. An jenem Tag, an dem Magdalena Angerer verschwand, haben sie ihn in einem Gasthaus angetroffen, wo er sehr viel getrunken und sein ganzes Geld verspielt hat, erzählten die Bauern am Gericht. Am Nachmittag wurde Reininger dann an jener Stelle gesehen, wo später die Tote gefunden wurde. Es folgte eine genaue Untersuchung, bei der die Habseligkeiten des Beschuldigten überprüft wurden. Dabei wurden in einer Truhe blutige Kleider der ermordeten Braut, ihr Kranz und die Hälfte eines kleinen menschlichen Herzens gefunden. Zur Rede gestellt, gestand er nicht nur diese Tat, sondern enthüllte gleich die ganze Bandbreite seiner Verbrechen, die er in den letzten sieben Jahren verübt hatte: Paul Reininger hatte sechs Frauen im Alter zwischen 25 und 32 Jahren getötet. Der irre Mörder wurde im Juli 1786 im Schloss Wieden bei Kapfenberg einem peinlichen Verhör unterzogen. Kaltblütig soll er die weiteren fünf Morde geschildert haben.
Blätter zur Geschichte und Heimatkunde der Alpenländer, Beilage zum „Grazer Tagblatt“ vom 29. Jänner 1911
Am Fronleichnamstag 1779 sei er zum ersten Mal mit einem Messer auf eine Dienstmagd losgegangen. Er habe eine gewisse Konstanzia P. in einen Wald gezerrt und konnte sie noch zu einem Liebesspiel überreden, teilte er dem Gericht ungerührt mit. Die Vorwürfe, die sie ihm wegen seiner Trunksucht machte, wollte er sich aber nicht anhören. Nachdem er sie erstochen hatte, bedeckte er ihre Leiche mit Gesträuch und ging nach Hause.
Drei Jahre später verübte er seinen zweiten Mord. Nach einer Tanzunterhaltung erwürgte er ein Badstubenweib, nachdem er wieder einmal sein ganzes Geld verspielt und versoffen hatte. Die paar Gulden, die sie bei sich hatte, steckte er in seine Tasche.
Die nächste grausame Tat, die der Knecht beging, geschah noch im selben Jahr. Wieder war es der Fronleichnamstag und wieder befand er sich in stark alkoholisiertem Zustand. Besonders tragisch war in diesem Falle, dass das Opfer ein erst sieben- oder achtjähriges Mädchen war. Die kleine Elisabeth Leitner traf er beim Schafe- und Ziegenhüten auf einer Wiese an und luchste ihr einen Ziegenbock ab, den er an Ort und Stelle schlachten wollte. Die Kleine fragte nach dem Grund des überstürzten Vorhabens, da packte er sie und stach ihr mit seinem Messer in den Hals. Dann schnitt er dem Mädchen das Herz aus dem Leib und verspeiste es zur Hälfte. Die andere Hälfte des kleinen Herzens wurde Jahre später bei seiner Verhaftung in erwähnter Truhe gefunden. Der Mord an dem Kind ereignete sich nahe dem Weg zum Herzogsberg, welcher später den Namen „Herzlfresserweg“ erhalten sollte.
1783, am 6. November, lockte Reininger laut Gerichtsakten eine unbekannte Weibsperson in den Wald und ermordete sie ihres Geldes willen. Es handelte sich um eine geistesschwache, 50-jährige Bauernmagd, die gerade einmal 45 Kreuzer bei sich hatte. Gleich ein paar Tage darauf amüsierte er sich bei einer Tanzveranstaltung in seinem Heimatort Turnau, wo er der 17-jährigen Barbara Lammer begegnete. Die junge Frau reagierte abweisend auf sein Liebeswerben, und so kam auch sie unters Messer. Ihren malträtierten Leichnam fand man erst nach einem halben Jahr auf einer Weide bei Göriach.
„Ein übernatürlicher Antrieb“
Von den sechs ermordeten Weibspersonen habe Paul Reininger, wie er dem Landesgericht mitteilte, nur zwei Herzen aus dem Leibe geschnitten. Jenes des kleinen Mädchens, das er sich auch zur Hälfte einverleibt habe, und jenes der Braut, vor dem ihm aber so fürchterlich geekelt habe, dass er es wegwerfen musste. Weiters sagte er aus, dass ihn Bosheit und ein übernatürlicher Antrieb an Körpern, so lange welche noch warm zu fühlen gewesen seien, herumzumetzgern zu den Taten getrieben hätten. Seine Aussage schloss der Besessene mit der Einsicht, dass er wohl gewusst habe, wie schwer seine Verbrechen gewesen wären, allein da er Gott verlassen hätte, habe ihn der böse Feind dazu verleitet, denn er habe nichts gebetet, selten gebeichtet, seine Sünden nicht aufrichtig, einen Todschlag aber gar niemals bekennet, und sein Unglück komme von der Hurerei her, welcher er neun Jahre ergeben gewesen wäre. Nach dreitägiger Bedenkzeit stand er nach wie vor zu seinen Worten: Was werde ich zu meiner Entschuldigung sagen? Ich lasse alles Gott dem Allerhöchsten über, was er mit mir machen wird, weil ich wenig gebetet und Gott nicht vor Augen gehabt habe, bin ich in die Dienstbarkeit des Satans verfallen, und hierdurch zu diesen Lastertaten verleitet worden.
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