Günther E. Thüry – Johannes Walter
GEWÜRZE AUS DEM ALTEN ROM
DAS GEHEIMNIS DER RÖMISCHEN KÜCHE
176 Seiten mit 62 Abbildungen
Einband: Entwurf Hans Jürgen Wiehr unter Verwendung von Bildern aus J. J. [von] Plenck, Icones plantarum medicinalium, Teil 1–5 (Wien 1788–1792), passim
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
© 2017 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz am Rhein
ISBN 978-3-961760-41-1
Gestaltung Einband: Addvice, Mainz, Hans Jürgen Wiehr
Lektorat: Verena Caspers, Anna Avrutina
Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin
Druck: Beltz, Bad Langensalza
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.
Printed by Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH
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INHALT
Es ist gerade 20 Jahre her, dass in Wien das Büchlein Condimenta. Gewürzpflanzen in Koch- und Backrezepten aus der römischen Antike erschien. Es war das Ergebnis der interdisziplinären Zusammenarbeit eines Altertumswissenschaftlers (Günther E. Thüry) und eines Botanikers (Johannes Walter). Das Büchlein hat innerhalb von fünf Jahren nicht weniger als vier Auflagen erlebt und hat beim fachlichen wie nichtfachlichen Publikum ein weites Echo gefunden.
Da das Werkchen inzwischen vergriffen und der Verlag, der es herausgab, aufgelöst ist, entstand der Gedanke einer erweiterten und erstmals auch farbig bebilderten Neubearbeitung. Beim Nünnerich-Asmus-Verlag stieß dieses Projekt auf sofortige Zustimmung und großes Interesse. Dafür möchten die Autoren herzlich danken.
Ihr Dank gilt aber auch dem Leiter des Wiener Botanischen Gartens, Herrn Prof. Dr. Michael Kiehn, der einst die Entstehung des Vorgänger-Buches Condimenta angeregt und ermöglicht hat; und außerdem allen, die in langen Jahren der Auseinandersetzung mit dem Thema wertvolle Anregungen beigesteuert haben.
Günther E. Thüry und Johannes Walter
Wien, im Frühjahr 2017
DIE RÖMISCHE KÜCHE: VON REIZ UND NUTZEN DES THEMAS
G. E. THÜRY
Abb. 1 Vorbereitungen zum Gastmahl: Blumenschmuck wird beschafft; und Zutaten werden in den Kochkessel geschüttet. Meleager-Sarkophag, 2. Jh. n. Chr. Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.
Um die Zukunft der Bildung kann man sich heute berechtigte Sorgen machen. Das, was sich „historische Bildung“ nennen ließe, ist da keine Ausnahme. Aber es gibt doch auch einen Trost. Sieht man sich in der aktuellen Bildungsszene um, so ist überdeutlich, dass Archäologie und Geschichte eine überwältigende Menge von Menschen faszinieren. Ein gewaltiges Angebot an Ausstellungen zu archäologisch-historischen Themen, an Museen und Archäologischen Parks, an einschlägigen Veranstaltungen, Filmen und Druckveröffentlichungen findet Interessenten und konkurriert um Publikumsrekorde. Dabei nähert sich dieses Publikum von heute nicht nur durch Sehen, Hören und Lesen der Vergangenheit, sondern es möchte immer häufiger auch selbst in die Kleidung der Menschen von früher schlüpfen und ihre alltäglichen Handlungen, ihr alltägliches Leben nachvollziehen.
In den vergangenen 40 Jahren hat sich diese Zugangsweise zur Vergangenheit zu einem Massenphänomen entwickelt. Eine ständig wachsende Zahl von Vereinen wirbt um Mitglieder, die sich in ihrer Freizeit etwa in Landser des Zweiten Weltkriegs, Landsknechte, Ritter oder römische Legionäre verwandeln. Diese sogenannte Lebendige Geschichte ist zum üblichen Bestandteil archäologisch-historischer Festveranstaltungen geworden. So gibt es auch kein großes Römerfest mehr, das ohne mehr oder weniger verwegene Mannsbilder in römischer Uniform oder nachempfundene Amphitheater- oder Zirkusszene auskäme.
Keine Frage: Dieses Inszenieren von Geschichte hat einen großen Reiz; und wenn es seriös betrieben wird, kann es auch der Wissenschaft neue Erkenntnisse vermitteln. Der Reiz besteht darin, Eindrücke von und Erfahrungen mit dem Leben der Vergangenheit zu sammeln, wie sie eben nur möglich sind, wenn man historische Kleidung trägt, mit historischen Geräten ausgerüstet ist und sich unter anderen Personen befindet, die ebenso gekleidet und ausgerüstet sind. Was es für ein Gefühl ist, beispielsweise beinfrei eine römische tunica zu tragen, das lässt sich nicht lesen oder sehen, das lässt sich nur erleben. Wie es ist, in Schlachtordnung auszurücken und eine Salve von Geschossen zu werfen, das lässt sich ebenso wenig nur einfach schildern oder zeigen. Und was den Nutzen für die Wissenschaft betrifft: für sie fallen dabei dann neue Erkenntnisse ab, wenn man etwa Objekte der Vergangenheit exakt rekonstruiert und im Experiment erforscht, wie man sie handhabt und welche Eigenschaften sie haben. So wissen wir nur durch sogenannte archäologische Experimente, welche Durchschlagskraft zum Beispiel römische Geschosse oder welche Lebensdauer die Nägel auf römischen Schuhsohlen hatten.
Das Problem ist bei alledem nur, dass die Teilnehmer historischer Kostümfeste durch ihr Aussehen und Handeln zwar ein Bild der Vergangenheit vermitteln, das dann womöglich auch als wahrheitsgetreu verstanden wird; aber Mängel des Forschungsstandes, unzureichendes Wissen oder großzügiger Umgang mit Fakten führen nur allzu oft zu mitunter grotesken Fehlern dieses Bildes. Eine bedenkliche Verzerrung der historischen Verhältnisse ist zum Beispiel, dass eine entschiedene Vorliebe der Anhänger der Lebendigen Geschichte für Militär und für Kampfsport diese Seiten des römischen Lebens überbetont und so dazu beiträgt, dass ein uraltes und in der Forschung inzwischen fast überwundenes Vorurteil gegenüber den Römern weiter fortlebt: das Vorurteil nämlich, „der“ Römer sei ein martialischer, ein unmusischer Mensch gewesen, dessen Hauptbeschäftigung in Kampf und Gewalt bestanden habe. Wie alle Vorurteile, ist das falsch und versperrt den Zugang zu wirklichem Verständnis.
RÖMISCHES KOCHEN: EINE MODE
Bedenklich wird es aber oft auch, wenn Aktivisten der Lebendigen Geschichte ein anderes ihrer Lieblingsthemen in Angriff nehmen: nämlich wenn sie zum Kochlöffel greifen, um so zu backen, zu kochen und zu essen wie beispielsweise die alten Römer. Dieses „römische Kochen“ ist – nach einer langen Zeit der Skepsis gegenüber der Nachkochbarkeit antiker Gerichte und nach bescheidenen Anfängen um die Mitte des vergangenen Jhs. – inzwischen zu einer wahren Mode geworden. Nicht nur, dass es zum Programm von Festen in Archäologischen Parks, Museen und Schulen gehört. Viel mehr als das: Spezielle Produkte römischer Küche kann man heute schon im Versandhandel erwerben; Gasthäuser, Cateringdienste und selbst ein bayerischer Ausflugsdampfer kochen nach erhaltenen antiken Rezepten; der Komponist Jan Novák hat einige davon sogar vertont; es gibt allenthalben Ausstellungen, Vorträge, Kurse und Lehrveranstaltungen zum Thema. Auch die Zahl der Bücher und Filme, die sich damit beschäftigen, wächst ständig und hat längst die Hundert überschritten; und die Zahl der einschlägigen Einträge im Internet ist inzwischen sechsstellig.1
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