Roland Kaehlbrandt - Logbuch Deutsch

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Mark Twain hat die deutsche Sprache «awful» genannt; Roland Kaehlbrandt zeigt uns, wie reizvoll sie sein kann. Er hat den Gebrauch der deutschen Sprache über viele Jahre beobachtet. Sein Logbuch skizziert – immer kurzweilig, manchmal sarkastisch – die Sprachpraxis in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Kaehlbrandt zeigt, wie wir unsere Sprache beschädigen, wenn wir sie für moralische Zwecke instrumentalisieren oder durch den Gebrauch von Imponierwörtern aushöhlen. Wer das Logbuch gelesen hat, wird eine Reihe von Fehlern nicht mehr machen wollen.

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Roland Kaehlbrandt

Logbuch Deutsch

Wie wir sprechen,

wie wir schreiben

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche - фото 1

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Originalausgabe

© Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2016

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

ISSN 1865-7095

ISBN 978-3-465-24255-0

Inhalt

Cover

Titel Roland Kaehlbrandt Logbuch Deutsch Wie wir sprechen, wie wir schreiben

Impressum Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Originalausgabe © Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2016 E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016 ISSN 1865-7095 ISBN 978-3-465-24255-0

Vorwort

Kapitel 1 Das Wunder Deutsch

Mühelose Wortbildung– Quengelware und fremdschämen– Leichter als im Französischen– Schöne Wortkombinationen– Flexible Wortstellung– Es lebe der lange Satz!– Genauigkeit im Raum– Ausdrucksstärke durch feine Abtönung– In einem Wort

Kapitel 2 Imponierdeutsch

Die Ursprünge– Von Wandel, Struktur und Strategie– Von Visionen, Innovationen und Zukunftsfähigkeit– Philosophie und Kultur– Jenseitiges und Diesseitiges– Wegwerfwörter– Semantischer Drahtverhau

Kapitel 3 Englisch im Deutschen, Englisch statt Deutsch

Greifen die Anglizismen unsere Sprache an?– Wortschöpfungen– Wortschrott– English only?– Domänenverlust und seine Folgen– Wozu verschiedene Sprachen?– Die feinen Unterschiede– Sprache und Persönlichkeit– Ist Kultur von Sprachen unabhängig?

Kapitel 4 Abgehoben und schwer verständlich – Wissenschaftsdeutsch

Der steinige Weg zur Wissenschaftssprache– Tradition der schweren Verständlichkeit– Internationalisierung– Nowhere Island– Exzellenz– Sprachlich verflochten– Bologna-Jargon– Was verloren geht– Gegenwind und Nachbesserung

Kapitel 5 Im Dienste der Moral – Sprachregulierung

Geschlechtergerechte Sprache – Lehrer/-innen und SuS– Das Geschlecht neutralisieren – von Studierenden und Kursteilnehmenden– Das Gott und die Apostelinnen– Die Sprache regulieren – die Menschen bevormunden

Kapitel 6 Zwanghafte Zwanglosigkeit – Lockerdeutsch

Abstreifen der Konventionen– Im Per-Du-Center– Sprachliche Umgangsformen in der Defensive– Hallo! Haalo! Aber hallo!– Norm unter Verdacht– Ich sag mal: „Kein Thema!“– Zurück zu Sonja ins Hauptstadtstudio– Neue Mündlichkeit im Schriftlichen– Kiezdeutsch gerne, aber für alle?

Kapitel 7 Sprachliche Bildung

Deutsch als Bildungsgut– Wie viel Deutsch in der Schule?– Deutsch als Zweitsprache– Eklatante Lücken bei Studienanfängern– Sprachentwicklungsstörungen, eine Zivilisationskrankheit?

Kapitel 8 Sprache und Norm

Kurios: Staat und Sprachnorm in Deutschland– Allgemeine Verunsicherung: die Rechtschreibreform– Wer aber soll es richten?– Ebenfalls kurios: Sprache und Gesetz– Sprachnorm in Bewegung

Kapitel 9 Die deutsche Sprache in Europa

Sprachnationen und Kultursprachen– Europäische Regierungssprache?– Deutsch: Ein paar Zahlen– Sprachverbreitung– Deutsch in den Institutionen der Europäischen Union– Deutsche Reaktionen?– Wie kann es gehen?

Kapitel 10 Die Zukunft der deutschen Sprache

Errungenschaften– Sprachpflege aus der Mitte der Gesellschaft– Lebendige Sprachkritik– Institutionen verbinden und stärken– Sprachbildungspolitik– Zum Schluss

Dank

Literatur

Der Autor

Buchempfehlungen

Fußnoten

Vorwort

Das Deutsche zählt unter den rund 6.000 Sprachen der Welt zu den wenigen überregional gesprochenen Sprachen. Es wurde aus dem Freiheitsgeist von Späthumanismus und Aufklärung im Widerstand gegen die französisch sprechenden Fürstenhöfe und gegen die lateinisch dominierten Wissenschaften zu einer verständlichen Sprache für alle Bürger ausgebaut. Unsere heutige deutsche Sprache mit Grammatik, Hochlautung und einem reichen Wortschatz von rund fünf Millionen Wörtern verdankt diesen Zustand weder einer rein naturwüchsigen Entwicklung noch einer staatlichen Verordnung, sondern einer beherzten sprachkultivierenden Arbeit engagierter Vorkämpfer. Es war ein langer und steiniger Weg dahin, immer wieder behindert durch Geringschätzung vor der eigenen Haustür.

Diese Geringschätzung ist auch heute wieder am Werk. Sie führt dazu, dass das Deutsche inzwischen in seinem Gebrauch eingeschränkt, mehr noch, verdrängt wird:

– Entscheidende gesellschaftliche Bereiche wie Wissenschaft, Wirtschaft und europäische Politik werden aus eigener Initiative zunehmend ans Englische abgegeben.

– Und wo noch deutsch gesprochen wird, ist es oft nicht besser bestellt. Zum führenden Jargon unserer Zeit ist ein aufgeblähtes und schwer verständliches Imponierdeutsch aus dem Bereich des Managements aufgestiegen. Es ist gekennzeichnet durch zusammengezimmerte Wortschöpfungen wie Investmentphilosophie oder intermodulare Potenziale .

– Das sprachliche Handwerk der unermüdlichen Gerechtigkeitssemantiker überzieht den öffentlichen Sprachgebrauch mit einer Kunstsprache. Es gebiert Wortungetüme wie StaatsanwältInnen oder Testamentsvollstreckende.

– Auch die Hallogesellschaft ist nicht untätig. Sie hat die Sprache mit ihrer bemühten Lockerheit und Schnöseligkeit beschädigt. Ein langgezogenes okee! markiert in diesem Jargon der Tiefenentspannung das höchste der Gefühle. Die Ursachen dieser Entwicklung sind tief in der westlichen Zivilisation verankert; es ist der Drang nach wirtschaftlicher Effizienz durch kulturelle Vereinheitlichung und Vereinfachung, hin zu einer niedrigschwelligen Massengesellschaft. Er schlägt in Deutschland sprachlich unmittelbar durch. Denn anders als in europäischen Nachbarländern wirkt hierzulande kaum ein widerspenstiges sprachliches Selbstbewusstsein den vereinheitlichenden und nivellierenden Einflüssen entgegen.

Das hat auch drastische Folgen für die Sprachbeherrschung: Sie ist in einem jämmerlichen Zustand. Deutschland leistet sich eine beängstigend hohe Quote von Analphabeten. Die Rechtschreibfertigkeit geht seit Jahren dramatisch zurück. Ein differenzierter Wortschatz kann auch in gymnasialen Oberstufen nicht mehr vorausgesetzt werden. Immer mehr Studienanfänger haben zudem große Lücken in der Kenntnis der deutschen Grammatik. Sprachlicher Ausdruck wird immer häufiger als Nebensache abgetan. Eine weitverbreitete Skepsis gegenüber Normen aller Art behindert die Verankerung der Sprachnorm. Die Beeinflussung der Schreibgewohnheiten durch die Mündlichkeit digitaler Spontanmedien tut das Ihre. Und – auch nach Jahrzehnten der Einwanderung ist das Deutsche als Sprache der Integration weder unstrittig noch verankert.

Große Teile der Sprachgemeinschaft aber haben sich an diese Mängel gewöhnt. Es herrscht ein durch Gleichgültigkeit gekennzeichneter sprachlicher Dämmerzustand.

Das birgt Risiken für die künftige Einsatzfähigkeit der deutschen Sprache. Wenn sie von dynamischen und prägenden Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft und Politik abgeschnitten wird, versiegen wichtige Quellen ihrer Weiterentwicklung. Die damit verbundene Funktionseinschränkung droht zu einer Gefahr für den Status der deutschen Sprache zu werden. Teile der Eliten sind im Begriff, diesen Prozess aktiv zu fördern.

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