1 ...8 9 10 12 13 14 ...33 Entscheidend für die Tumorwirkung der Hormone sind also nicht (nur) die Konzentrationen der einzelnen Hormone, sondern das Verhältnis von Androgenen zu Östrogenen, die Expression der verschiedenen Rezeptoren sowie die aus der Nahrung aufgenommenen Phytoöstrogene und andere Fremdöstrogene.
Daher wirken hohe Testosteronpegel im Blut nicht zwingend krebsfördernd, wenn sie daraus resultieren, dass wenig Östrogen und DHT aus dem Testosteron gebildet werden.
Die Bedeutung von Insulin und IGFs
Prostatakrebs steht in engem Zusammenhang mit anderen Zivilisationserkrankungen, dem metabolischen Syndrom und der zugrunde liegenden Insulinresistenz. Insulin ist ein Hormon, das anabol, d. h. aufbauend und wachstumsfördernd wirkt. Es wird für die Verwertung der Energielieferanten aus der Nahrung und für die Zellernährung benötigt. Doch zu viel Insulin hat gesundheitsschädliche Wirkungen, u. a. geht ein hoher Insulinspiegel im Blut mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebserkrankungen, einschließlich der Prostata einher. Insulin und insulinähnliche Wachstumsfaktoren ( Insulin-like Growth Factor = IGF) fördern die Zellteilung und hemmen die Apoptose. Auch hohe Blutwerte von IGF-1 stehen in Verbindung mit Prostatakrebs.
Erhöhte Insulinspiegel stehen in starkem Zusammenhang mit Übergewicht, Bauch- und Leberfett, liegen bei einem metabolischen Syndrom vor und führen zu einer Insulinresistenz. Das bedeutet, dass die Zellen auf die Wirkung von Insulin nicht mehr ansprechen. Die Insulinresistenz der Körperzellen ist eigentlich eine natürliche Reaktion auf eine zu hohe Nährstoffzufuhr. Die Zelle signalisiert: „Ich bin satt.“ Zur Gegenregulierung der zu hohen Blutzucker- und Aminosäurespiegel im Blut wird jedoch immer mehr Insulin gebildet.
Der Insulinspiegel steigt folglich weiter, was auch die Ausschüttung von IGF-1 zusätzlich fördert – ein Teufelskreis, der das Wachstum eines Tumors weiter begünstigt, denn Krebszellen sind für die wachstumsfördernde Wirkung von Insulin und IGF-1 besonders empfänglich. Am Ende steht der Diabetes mellitus Typ 2, bei dem die Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreicht, um genügend Insulin für eine ausreichende Zuckerreduktion im Blut zu produzieren. Es handelt sich dabei um einen relativen Insulinmangel: Die Insulinresistenz der Zellen ist größer als die Insulinwirkung.
Der Insulinstoffwechsel und die IGF-1-Werte im Blut hängen sehr stark von der Ernährung ab (s. insbesondere Kapitel 6, Seite 159). Ein hoher Verzehr von (tierischem) Protein, Milchprodukten und Calcium geht mit erhöhten IGF-1-Spiegeln einher. Ein anschauliches Beispiel ist die Körpergröße verschiedener Länder: Europäer, die große Mengen an Milch und Milchprodukten sowie anderen tierischen Lebensmitteln aufnehmen, werden deutlich größer als Asiaten, die kaum Milch verzehren – ein Hinweis auf die wachstumsfördernde, nahrungsvermittelte Wirkung von Insulin und IGF-1. Doch nicht nur der Körper wird so zum Wachstum angeregt, auch Tumorzellen. Eine pflanzenbasierte Ernährung (s. Kapitel 7, Seite 201) und regelmäßige Bewegung führen zu einem gesunden Insulinhaushalt.
Entzündungsprozesse und oxidativer Stress
Entzündungen sind eine wichtige Schutzfunktion unseres Körpers. Werden sie jedoch chronisch, fördern sie eine Vielzahl von Erkrankungen, einschließlich Prostatakrebs. Entzündungen können u. a. von Krankheitserregern (Viren, Bakterien) ausgelöst werden, weshalb Infektionen auch in Zusammenhang mit Krebserkrankungen stehen.
Entzündungen führen zu einer hohen Anzahl freier Radikale, die die Zellen und die Erbinformationen schädigen können. Zudem greifen sie in verschiedene Signalwege ein. Entzündungsfaktoren (wie TNF-alpha, Interleukine, VEGF) fördern die gegenseitige Ausschüttung, begünstigen die Zellteilung und hemmen die Apoptose. Entzündungen beeinflussen auch die Genexpression (z. B. über NF-kappaB) und somit die Regulation wichtiger Enzyme (wie Glutathion-S-Transferase, Cyclooxygenase).
Vor allem Eingeweidefett erzeugt ein aktives, subklinisch erhöhtes Entzündungsgeschehen. Insbesondere der Transkriptionsfaktor NF-kappaB ist aktiviert. Dieser steht ganz oben in der Kaskade entzündlicher, prokanzerogener Prozesse und regt die Ausschüttung von TNFalpha sowie von Interleukin-1 an. NF-kappaB verhindert zudem den natürlichen Zelltod (Apoptose) und macht Tumorstammzellen „unsterblich“.
Entzündungen und oxidativer Stress fördern auf diese Weise sowohl die Entartung einzelner Zellen als auch deren Vermehrung. Daher ist insbesondere eine chronische Entzündung der Prostata (Prostatitis) ein wichtiger Risikofaktor für einen Prostatatumor. Über die Nahrung, insbesondere über Gemüse, Obst und Kräuter, können Pflanzenstoffe aufgenommen werden, die entzündlichen und oxidativen Prozessen entgegenwirken. So wird aus Milchsäure und präbiotischen Ballaststoffen von Dickdarmbakterien, also in direkter Nähe der Prostata, der Krebshemmstoff Butyrat gebildet. Dagegen werden aus gebratenem (roten) Fleisch Kanzerogene wie PAKs sowie Metalle wie Kupfer und Eisen aufgenommen. Kupfer und Eisen fördern entzündliche Prozesse und wirken prooxidativ, weshalb sie nicht in zu großen Mengen aufgenommen werden sollten.
Übersäuerung und Natrium-Kalium-Verhältnis
Entzündungsprozesse gehen auch einher mit einer lokalen Übersäuerung des Gewebes. In Tumoren liegt der pH-Wert meist im sauren Bereich. Im Zellinneren sind Krebszellen selbst meist alkalisch, weil sie Säuren nach außen pumpen und ihre Umgebung ansäuern. Damit verschaffen sie sich Vorteile in der Metastasierung und bleiben selbst „gesund“. Ein saures Milieu ist nicht nur die Folge einer Krebserkrankung, sondern fördert an sich auch die Krebsentwicklung und Metastasierung und schwächt normale Zellen. Insbesondere fördert es den Knochenabbau und erleichtert damit die Knochenmetastasierung.
Eine basenbildende, kaliumreiche Ernährung und regelmäßige, auch intensive körperliche Tätigkeit sind zur Entsäuerung und daher (nicht nur) bei einer Krebserkrankung und zur Krebsprävention sinnvoll (s. Kapitel 3.8.5, Seite 57, und Kapitel 7, Seite 201).
Das Natrium-Kalium-Verhältnis im Körper steht in engem Zusammenhang mit dem Säure-Basen-Haushalt und dem Membranpotential der Zellen, das wiederum das Wachstumsverhalten von Zellen steuert. Dabei ist das Verhältnis wichtiger als die einzelne Betrachtung der Natrium- oder Kaliumaufnahme. Das Natrium-Kalium-Verhältnis in der Ernährung beeinflusst die Funktion der Natrium-Kalium-Pumpe, die für die Elektrolytregulation der Körperzellen benötigt wird. Etwa ein Drittel seiner Energie wendet der Körper auf, um Kalium in die Zelle und Natrium aus der Zelle zu pumpen. So wichtig ist das richtige Natrium-Kalium-Verhältnis für das Überleben der Zelle.
Über die Natrium-Protonen-Pumpe entsorgt die Zelle überschüssige Säuren (Protonen). In ihrer Aktivität ist sie von der Natrium-Kalium-Pumpe abhängig. Der pH-Wert, das Natrium-Kalium-Verhältnis und das Membranpotential der Zelle sind entscheidend für wichtige Zellsignalwege und andere zelluläre Geschehnisse wie das Wachstums- und Differenzierungsverhalten.
Der menschliche Organismus ist seit Jahrmillionen auf eine kaliumreiche, salzarme Ernährung eingestellt. Eine salz- und proteinreiche, kaliumarme Ernährung beeinträchtigt die Funktion der Zellpumpen. Dadurch steigen der Natrium- und Calciumgehalt in der Zelle, der Kalium- und Magnesiumgehalt sinken dagegen. Über eine Reduktion des Membranpotentials führt dies zu einem stärkeren Zellwachstum und einer verringerten Zelldifferenzierung. Zudem steigt die Insulinresistenz und somit der Insulinspiegel an. Dass der Tumor Calcium benötigt und sucht, zeigt sich auch daran, dass Metastasen häufig in den Knochen auftreten und dass eine besonders calciumreiche Ernährung das Prostatakrebsrisiko erhöht. Studien zeigen, dass bei Krebskranken die Funktion der Zellpumpen gestört ist. Auch die Reduktion des Membranpotentials, die bei einer Übersäuerung vorliegt, fördert die Krebsentstehung.
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