1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 „Natürlich“, entgegnete Pokorny ruhig, „welche Tatortgruppe ...?“
„Gottschlich.“
„Das auch noch“, seufzte Pokorny und ließ sich von Orsini die Details schildern. „Ich komme so bald wie möglich zurück. Halten Sie mich auf dem Laufenden!“, sagte er danach und wollte auflegen.
„Da ist noch was“, hakte Orsini vorsichtig ein.
„Und zwar?“
„Wir bräuchten Verstärkung.“
„Das sagt sich leicht, aber in dem Fall – ich werde mich bemühen!“
„Gut.“
*
„Ich oder du?“, fragte Elvira Zobl.
„Du“, erwiderte Orsini, bevor er ihr die Tür zum Vernehmungszimmer öffnete.
Franz Hausner stand vor dem winzigen Fenster und blickte in den Innenhof. Ohne sich umzudrehen, fragte er: „Was ist passiert? Wieso werde ich ohne Erklärung abgeholt und hier festgehalten? Ist was mit meiner Frau?“
„Die Kollegen waren doch nicht unhöflich?“, lenkte Zobl ein.
„Das kann man so oder so sehen.“
„Wir halten Sie auch nicht fest, wir möchten nur mit Ihnen sprechen. Wollen Sie sich nicht setzen?“
„Eigentlich nicht“, antwortete Hausner leise. Seine Arme hingen schlaff an seinem Körper herab und wirkten zu lang, als hätte sich ein Maler in seinem Bild mit den Dimensionen geirrt. Insgesamt war er von eher schmächtiger Statur und nicht gerade durchtrainiert. Er trug eine graue Hose und ein weißes, etwas zerknittertes Hemd, das über seinem Bauch spannte. Konnte er eine Frau überwältigen, fragte Orsini sich. Möglicherweise. Er hatte schon zarter gebaute Gewaltverbrecher erlebt.
„Sie lebt nicht mehr. Sagen Sie es mir ruhig!“
Orsini lehnte sich neben der Tür an die Wand und gab Zobl ein Zeichen. Sie konnten warten. Und tatsächlich, als die Stille immer länger, immer drückender wurde, drehte Hausner sich endlich doch um und sah sie mit zusammengekniffenen Lippen herausfordernd an.
„Es tut mir aufrichtig leid, aber, ja, wir haben Ihre Frau heute Nacht tot aufgefunden“, erklärte Zobl nun sofort.
Hausner tastete nach der Lehne seines Stuhls, doch in sein Gesicht brachte die Nachricht keine Veränderung. Es wirkte starr wie das einer Statue, dachte Orsini, der Ausdruck darin ein wenig störrisch.
„Tot aufgefunden“, wiederholte Hausner leise, ehe er sich hinsetzte. „Wie ...?“
„Wir haben Grund zur Annahme, dass sie ermordet wurde.“
„Ermordet?“ Hausner schien die Botschaft zwar verstanden, gleichzeitig aber nicht wirklich begriffen zu haben. Während Elvira Zobl ihm die Umstände erläuterte, richtete Hausner den Blick zwischen sie beide hindurch in eine imaginäre Ferne, als hätte er anderes zu denken.
„Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?“
„Ich war gestern Abend bis gegen acht zu Hause“, antwortete Hausner mit monotoner Stimme. „Dann bin ich zur Arbeit.“
„Verstehe. Hatte Ihre Frau noch vor, auszugehen?“
„Nein, nicht dass ich wüsste“, sagte Hausner und befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen. „Könnte ich was zu trinken haben?“
„Natürlich. Entschuldigen Sie. Kaffee, Tee oder vielleicht ein Mineralwasser?“ Orsini stand auf.
„Kaffee.“
„Also drei Kaffee“, sagte er und sah Elvira dabei vielsagend an.
„Dann unterbrechen wir kurz, bis mein Kollege mit dem Kaffee zurück ist“, meinte sie. Als Orsini gegangen war, lehnte sie sich im Sessel zurück und begann, etwas auf ein Blatt Papier zu schreiben. Hausner sah ihr dabei schweigend zu. Nach einiger Zeit legte sie den Stift wieder beiseite und sagte so beiläufig wie möglich: „Und Sie haben keine Idee, wo Ihre Frau um die Zeit noch hingegangen sein könnte?“
„Keine Ahnung.“ Er zuckte kurz mit den Schultern.
Orsini hatte mittlerweile im Nebenzimmer Position bezogen und beobachtete das Gespräch durch eine verspiegelte Glasscheibe, während ein Kollege den Kaffee holte. Bei eingehender Betrachtung wirkte Hausner beinahe zweigeteilt. Sein Oberkörper war im Lauf des Gesprächs immer weiter in sich zusammengefallen und hing wie ein abgenutzter, halb leerer Sack herab, die Gesichtsmuskulatur war jedoch sichtlich angespannt. Die Antworten kamen knapp und mit einer Prise Sturheit.
„Haben Sie mit ihr telefoniert heute Nacht? Hat sie sich vielleicht von irgendwo gemeldet oder ein SMS geschickt?“
„Nein. Ich hab versucht, sie zu erreichen, aber sie hat nicht abgehoben.“
„Mit Ihrem Handy?“
„Nein, vom Festnetz. Zwei Mal. Das Handy hatte ich nicht mit.“
„Verstehe. Haben Sie Ihr Handy jetzt zufällig dabei?“
„Nein.“
„Aha.“ Zobl fuhr sich durchs Haar, drehte das Blatt Papier auf die Rückseite und begann, darauf Strichmännchen zu kritzeln. „Was arbeiten Sie eigentlich genau?“
„Nachtwächter.“
„... bei der Firma ...?“
„ASES.“
„Aha ..., arbeiten Sie dort allein?“, fragte Elvira Zobl betont freundlich, während sie den Namen notierte. Sie hatte das Gefühl, ihm jede einzelne Antwort aus der Nase ziehen zu müssen. Und so sehr sie sich auch um ein leichtes, unverbindliches Gespräch bemühte, Franz Hausner schien trotz oder wegen seiner offensichtlichen Müdigkeit verschlossen und einsilbig.
„Meistens.“
„Und gestern?“
„... habe ich meinen Kollegen um neun abgelöst.“
„Und wie gelangen Sie dorthin?“
„Mit U-Bahn und Schnellbahn.“
„Ist ein schönes Stück ...“
„Quer durch die Stadt. 45 Minuten reine Fahrzeit.“
Orsini lehnte sich mit dem Gesicht an die Glasscheibe. Sie war angenehm kühl. Außerdem konnte er so seine ganze Aufmerksamkeit auf Hausner richten. Irgendwann würde Elvira auf ein heikles Thema stoßen, diesen Moment wollte er nicht verpassen.
„Haben Sie denn kein Auto?“
„Doch, aber das benutzt mehr meine Frau.“
„Aha. Sie verstehen, dass wir uns das anschauen müssen?“
Franz Hausner zögerte. „Natürlich ...“
„Gab’s in letzter Zeit vielleicht Probleme mit Ihrer Frau?“
„Was meinen Sie?“
„Unstimmigkeiten ...“
Hausner schwieg. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung, doch Orsini konnte von seiner Position aus gut beobachten, wie sich seine Finger, die bisher schlaff auf seinem Schoß gelegen waren, unter dem Tisch – von Elvira unbemerkt – ein wenig verkrampften.
„Ich meine, dass sie Ihnen nicht gesagt hat, dass sie noch fortgeht – ist das öfter vorgekommen? Vielleicht hatten Sie früher deswegen einmal Streit?“
„Nein.“ Die Hände ballten sich zu Fäusten. „Wir hatten höchstens kleine Meinungsverschiedenheiten.“
Rasch nahm Orsini dem Kollegen die Kaffeebecher ab und platzte absichtlich nebenan ins Gespräch.
„Nichts Ernstes hoffentlich?“, setzte Zobl indessen fort.
„Nein, nein!“, erwiderte Franz Hausner eine Spur zu schnell.
Orsini stellte die Becher ab. „Also, Sie hatten Beziehungsprobleme“, sagte er dann bestimmt.
„Nein, das war nichts Ernstes, Kollege“, lenkte Zobl ein.
„Genau“, bestätigte Hausner beinahe aufgebracht. „Ich habe meine Frau geliebt!“
„Aus Eifersucht sind schon viele Frauen umgebracht worden“, erwiderte Orsini trocken.
Hausner funkelte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. Es sah aus, als wollte er etwas entgegnen, doch im letzten Augenblick presste er die Lippen zusammen und schwieg.
Orsini aber setzte noch eins nach: „Hatten Sie gestern Geschlechtsverkehr mit ihr?“
„Nein!“, schoss es aus Franz Hausner heraus. Dann senkte er den Blick.
*
„Was hältst du von ihm?“, fragte Elvira Zobl eine Weile später auf dem Weg in den zweiten Stock. Sie hatten versucht, Hausner in die Enge zu treiben. Nach der kurzen emotionalen Reaktion aber war er in eine eigene Welt versunken und hatte kaum mehr etwas von sich gegeben.
„Schwer zu sagen“, antwortete Orsini. „Irgendetwas verheimlicht er uns, aber wir werden ihn fürs Erste trotzdem bald gehen lassen müssen. Außerdem ...“, er sah sie beinah schuldbewusst an, „du solltest dir was anhören, bevor wir weiterreden.“
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