Kristin Neff & Christopher Germer
Selbstmitgefühl
– Das Übungsbuch –
Kristin Neff & Christopher Germer
Selbstmitgefühl
– Das Übungsbuch –
Ein bewährter Weg zu Selbstakzeptanz,
innerer Stärke und Freundschaft mit sich selbst
Aus dem amerikanischen Englischen übersetzt von
Nadine Helm und Annett Zupke
Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel: The Mindful Self-Compassion Workbook. A proven way to accept yourself, build inner strength and thrive by The Guilford Press, a division of Guilford Publications, Inc., New York, USA.
Deutsche Erstausgabe
1. Auflage 2019
© 2018 der Originalausgabe by Kristin Neff and Christopher Germer
© 2019 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg
by arrangement with The Guilford Press
Lektorat: Ralf Lay
Fachliche Beratung: Hilde Steinhauser
Titelfoto: ©plainpicture/Westend61/Brigitte Stehle
Hergestellt von mediengenossen.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2020
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-318-1
Wichtiger Hinweis
Die Ratschläge und Übungen in diesem Buch sind von den Autoren sowie dem Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall ärztlichen, psychotherapeutischen oder psychologischen Rat oder den Rat eines/einer Heilpraktikerin Ihres Vertrauens einholen. Eine Haftung der Autoren oder des Verlags für Personen,- Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Inhalt
Einleitung: Der Umgang mit diesem Übungsbuch
1Was ist Selbstmitgefühl?
2Was Selbstmitgefühl nicht ist
3Der Nutzen des Selbstmitgefühls
4Physiologische Grundlagen der Selbstkritik und des Selbstmitgefühls
5Das Yin und Yang des Selbstmitgefühls
6Achtsamkeit
7Widerstände loslassen
8Backdraft
9Liebevolle Güte entwickeln
10Liebevolle Güte für uns selbst
11Selbstmitfühlende Motivation
12Selbstmitgefühl und unser Körper
13Die Phasen des Fortschritts
14Innig leben
15Für andere da sein, ohne uns selbst zu verlieren
16Der Umgang mit schwierigen Gefühlen
17Selbstmitgefühl und Scham
18Selbstmitgefühl in Beziehungen
19Selbstmitgefühl für Helfende und Pflegende
20Selbstmitgefühl und Wut in Beziehungen
21Selbstmitgefühl und Vergebung
22Das Gute annehmen
23Selbstwertschätzung
24Wie kann es weitergehen?
Zum Schluss
Anhang
Dank
Anmerkungen
Die Übungen und Meditationen
Das Audio-Begleitmaterial
Hilfreiche Webseiten
Die Autoren
Einleitung
Der Umgang mit diesem Übungsbuch
Unsere Aufgabe ist es nicht, nach Liebe zu suchen,
sondern lediglich alle Hindernisse in uns selbst aufzuspüren,
die wir der Liebe in den Weg gestellt haben.
RUMI 1
Wir alle haben Hindernisse der Liebe gegenüber errichtet. Das war zuweilen nötig, um uns vor der rauen Wirklichkeit eines menschlichen Lebens zu schützen. Es gibt jedoch einen anderen Weg, sich sicher und beschützt zu fühlen. Schon wenn wir achtsam unsere Bemühungen wahrnehmen und uns selbst in schweren Zeiten Mitgefühl, Freundlichkeit und Unterstützung entgegenbringen, beginnen die Dinge sich zu ändern. Ungeachtet innerer und äußerer Unvollkommenheiten können wir lernen, uns selbst und unser Leben zu umarmen, und uns die Kraft zur Verfügung stellen, die wir benötigen, um zu gedeihen. Die Zahl der Forschungsarbeiten auf dem Gebiet des Selbstmitgefühls ist in den vergangenen zehn Jahren explosionsartig angestiegen, sie belegen seine Wirkung auf das Wohlbefinden sehr eindrücklich. 2Menschen, die selbstmitfühlender sind, zeigen die Tendenz, zufriedener und sogar glücklich zu sein, sie verfügen über eine höhere Motivation, 3haben funktionierende Beziehungen, 4eine bessere körperliche Gesundheit 5und weniger Ängste und Depressionen. 6Ebenso besitzen sie die Resilienz, derer es bedarf, um mit herausfordernden Ereignissen wie etwa einer Scheidung, 7gesundheitlichen Krisen, 8schulischem oder akademischem Versagen 9und sogar mit einem Trauma nach dem Einsatz in Kriegsgebieten 10umzugehen.
Zu lernen, dich selbst und deine Unvollkommenheit zu umarmen, schenkt dir die Resilienz, die du brauchst, um zu gedeihen.
Wenn wir innerlich ringen, leiden, versagen oder uns unzulänglich fühlen, ist es schwer, achtsam dem gegenüber zu sein, was in unserem Umfeld vor sich geht; wir schreien dann lieber und schlagen mit der Faust auf den Tisch. Es ist nicht nur so, dass wir nicht mögen, was geschieht, wir denken auch, dass irgendetwas mit uns nicht stimmt, weil es geschieht. Innerhalb eines Wimpernschlags können wir uns von »Ich mag dieses Gefühl nicht« über »Ich will dieses Gefühl nicht« und »Ich sollte das Gefühl nicht haben« zu »Irgendwas stimmt mit mir nicht, dass ich dieses Gefühl habe« oder bis hin zu »Ich bin schlecht « bewegen. Hier kommt Selbstmitgefühl ins Spiel. Manchmal müssen wir uns erst einmal Trost und Geborgenheit für die Tatsache entgegenbringen, wie schwer es ist, überhaupt ein Mensch zu sein, bevor wir achtsamer mit unserem Leben in Beziehung treten können.
Selbstmitgefühl tritt aus dem Herzen der Achtsamkeit empor, wenn wir dem Leiden in unserem Leben begegnen. Achtsamkeit lädt uns ein, uns dem Leiden gegenüber aus einem liebevollen, weiten Gewahrsein heraus zu öffnen. Selbstmitgefühl fügt dem hinzu: »Sei inmitten des Leidens liebevoll mit dir selbst.« Zusammen machen Achtsamkeit und Selbstmitgefühl in schwierigen Momenten unseres Lebens einen Zustand warmherziger, verbundener Präsenz aus.
Selbstmitgefühl entspringt dem Herzen der Achtsamkeit in Momenten des Leidens.
Achtsames Selbstmitgefühl
Achtsames Selbstmitgefühl (Mindfulness Self-Compassion, MSC) war das erste Übungsprogramm, das speziell entwickelt wurde, um Menschen in ihrem Selbstmitgefühl zu stärken. Achtsamkeitsbasierte Übungsprogramme, wie Stressbewältigung durch Achtsamkeit (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR) 11und Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (Mindfulness-Based Cognitive Therapy, MBCT) 12erhöhen ebenso das Selbstmitgefühl, 13dies geschieht jedoch auf eher implizite Weise als willkommener Nebeneffekt der Achtsamkeit. MSC wurde explizit dafür entwickelt, Menschen Fähigkeiten zu vermitteln, die sie brauchen, um im alltäglichen Leben selbstmitfühlend zu sein. MSC ist ein achtwöchiger Kurs, in dem ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen eine Gruppe zwischen 8 und 25 Personen in wöchentlichen Treffen von 23/4 Stunden sowie während eines Halbtags-Meditations-Retreats durch das Programm begleiten. Forschungsergebnisse belegen, dass das Programm zu einer lang anhaltenden Zunahme von Selbstmitgefühl und Achtsamkeit sowie einer Reduktion von Ängsten und Depressionen führt, 14das allgemeine Wohlbefinden ansteigen lässt 15und sogar dazu beiträgt, den Glukosespiegel bei Menschen mit Diabetes auf einem stabilen Niveau zu halten. 16
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