Sie haben mit Sicherheit schon so viel Trauriges erlebt, dass Sie sich einmal zwischendurch zur Abwechslung etwas Nettes gönnen sollten. Dazu möchte ich Ihnen vorschlagen, sich den Spaß zu erlauben und Ihren Partner darauf anzusprechen, wozu er glaubt, berufen zu sein. Sie werden mehr als erstaunt sein, was dabei herauskommt. Selbstverständlich müssen Sie das geschickt angehen. In einer konfliktbeladenen Beziehung wird er schnell Verdacht schöpfen und nicht ohne Weiteres damit herausrücken. Sie müssen ihn schon ein wenig in Sicherheit wiegen. Zunächst sollten Sie deshalb für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Dann beginnen Sie das Gespräch mit glaubwürdigen Feststellungen, und erst später nehmen Sie die Kurve und bewundern ihn. Das könnte so aussehen:
„Du bist überhaupt nicht für eine Beziehung geschaffen. Und wenn ich im Leben einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dir nie begegnet zu sein. Aber dennoch muss ich gestehen, dass du auch etwas sehr Großes in dir hast. Und wahrscheinlich bist du nur so geworden, weil du dich nicht deinen Fähigkeiten entsprechend entfalten konntest. Wenn man dich gelassen hätte, wie es deinen Möglichkeiten entspricht, dann wäre bei dir alles anders gekommen. Du hättest mit deinen Begabungen und deinem Charisma eine grandiose Laufbahn eingeschlagen und hättest der Menschheit einen großen Dienst erwiesen, anstatt sie auszubeuten. Sag mal ehrlich, hast du nie selbst daran gedacht, was du wirklich hättest leisten oder wer du hättest werden können?“
Wenn er sich sicher fühlt, wird er Sie nach und nach mit Ansichten überraschen, die Sie nicht einmal in Ihren kühnsten Träumen erwartet hätten. Hören Sie einfach interessiert zu und bestätigen Sie das Gesagte durch kleine Gesten oder gezieltes Nachfragen. Eine Klientin war mit ihrem Partner in einer Bar, als sie ihn auf diese Weise angesprochen hatte. Sie erzählte mir danach, dass sie vollkommen hin- und hergerissen war zwischen dem Wunsch, ihm weiter zuzuhören und der Scham, die sie empfand, weil mittlerweile auch andere Gäste an seinen Lippen hingen und ihm aufmerksam lauschten. Er erklärte ihr nämlich mit entrücktem Blick, dass er annehme, der Messias zu sein, auf den die Juden so lange gewartet haben, dass er aber nicht wisse, wie er das überzeugend belegen könne.
Wenn Sie dieses Beispiel jetzt als Einzelfall betrachten, dann täuschen Sie sich. Erlöser-Persönlichkeiten von Gottes Gnaden und Weltherrscher-Figuren sind ganz und gar keine Seltenheit bei Psychopathen. In den Fantasien ihrer maßlosen Selbstüberschätzung gibt es nach oben keine Grenzen. Eine ihrer Überzeugungen lautet dementsprechend sinngemäß: Wo ich bin, da ist oben.
Ich möchte mich mit diesem Spielchen nicht über diese Menschen lustig machen. Aber ich möchte Ihnen die Gelegenheit geben, hinter ihre Maske zu blicken. Es sind kranke Menschen mit den Träumen kleiner Kinder und keinesfalls die überlegenen Persönlichkeiten, die sie vorzugeben bemüht sind und deren Machtausübung in irgendeiner Weise gerechtfertigt wäre. Es wird Ihnen helfen, Abstand zu gewinnen und den nicht angebrachten Respekt zu verlieren. Und Sie haben es verdient, auch einmal lächeln zu dürfen.
Diese lndividuen fühlen sich also zweifellos durch ihre übersteigerte Ich-Wichtigkeit generell überlegen. Auch dann, wenn ihre Handlungen grotesk, berechenbar oder peinlich sind. Selbst wenn ihr Lebenslauf auf eine gescheiterte Existenz hinweist, verstehen sie sich erstaunlicherweise darauf, die banalsten Situationen zur Selbstaufwertung heranzuziehen. Doch wehe, von außen kommt Widerstand. Dann läuft für sie schnell alles aus dem Ruder. Wir kommen noch öfter darauf zurück.
Schwache Impulskontrolle
Psychopathische Menschen besitzen nur eine sehr schwache Impulskontrolle. Muss sich ihr Gehirn zwischen Vernunft und der Aussicht auf Belohnung entscheiden, ist die Antwort klar.
Sie entscheiden sich meistens für Belohnung. Deshalb gehen sie nicht immer mit der nötigen Vorsicht ans Werk und nehmen sich oft genug keine Zeit für eine angemessene Folgenabschätzung ihres Verhaltens, sondern schlagen beim ersten Impuls los. Glücklicherweise kommt dieses Manko nicht selten den Geschädigten zugute. Wenn Psychopathen vor Gericht, dem Jugendamt, der Polizei oder anderen Stellen unkontrolliert ihre Haltung verlieren und unüberlegt loswettern, geht der Schuss oft nach hinten los. Ansonsten ist es schwer, ihnen ihre charmante Maske zu entreißen. Es lohnt sich also, zur rechten Zeit am rechten Ort Spannungen zu erzeugen, um Entgleisungen zu provozieren.
Eifersucht
Psychopathen sind von Natur aus eifersüchtig. Sicherlich können sie am Anfang einer Beziehung durchaus von den Qualitäten ihrer Eroberungen beeindruckt sein, was eine gewisse Eifersucht in einem gesunden Maße erklären könnte. Doch grundsätzlich hat ihr Eifern mit Machtanspruch und Besitzdenken zu tun. Es ist also weniger die Tatsache, dass Sie Ihrem Partner viel bedeuten – Psychopathen sind einfach nicht die Individuen, die sich um ihr Eigentum bringen lassen. Genauso wie sie die Tatsache nicht aushalten könnten, im Vergleich zu anderen Personen eine niedrigere Attraktivität zu besitzen. Wie bei jedem anderen, nur noch ungleich stärker, würde es bei ihnen Gefühle der Unzulänglichkeit erzeugen, die ihre traumatischen Erfahrungen tangieren. Die Überwachung der Partner dient dazu, das Beziehungsgefüge in ihrem Sinne zu steuern. Im Gegensatz zu ihrer eigenen emotionalen Zurückhaltung in puncto Liebe, Zärtlichkeit und Treue erwarten sie von ihren Partnern eine fanatische Anbetung bis hin zum Ignorieren aller attraktiven Mitmenschen. Schließlich ist es eine wesentliche Funktion ihrer jeweiligen Gefährten, ihnen ihren Wert unablässig zu bestätigen.
Schon ein normales Lachen oder eine wohlwollende Geste kann so schnell als Anbandeln oder subtile Anmache fehlinterpretiert werden, weshalb es unweigerlich zu übersteigerten Gefühlsausbrüchen kommt, gegen die die Partner ohnmächtig sind. Deren mühsame Versuche, den Sachverhalt zu klären, werden nicht gehört und nicht geglaubt. Psychopathen können nicht erkennen, dass ihre eigene innere Unsicherheit und die darauf beruhende Erregung der eigentliche Ausschlag ihrer Ängste und Zweifel ist.
Doch wie geht man im konkreten Fall mit diesen Situationen um? Das Wichtigste ist sicherlich, dass Sie seinen Gefühlsausbrüchen und seinen Worten keine Aufmerksamkeit schenken, in irgendeiner Form darauf einsteigen und mit Rechtfertigungen dagegenhalten. Seinem Wunsch, Dramen aufzubauen, auszuschlachten und auszukosten, sollten Sie also möglichst keinen Raum geben. Das wäre sinnlos, vergeudete Ihre Kräfte und führte zu weiteren Verletzungen. Bemühen Sie sich lieber, innerlich stabil zu bleiben bzw. zu werden, und vergegenwärtigen Sie sich, dass vor Ihren Augen ein kranker Mensch von seinen kranken Gefühlen überspült wird, was nicht das Geringste mit Ihnen zu tun hat und was Sie nicht an sich heranlassen dürfen.
Das Ideal wäre natürlich, sich aus dem Konflikt ganz herauszunehmen und sich nicht mehr als Projektionsfläche bereit zu halten, indem Sie selbstbewusst aus dem Raum gehen und ihn seinen eigenen Dämonen überlassen. Aber verständlicherweise haben die meisten Betroffenen große Angst vor diesem Schritt. Sie befürchten, dass alles nur noch schlimmer wird. Wenn Sie sich dieses Verhalten noch nicht vorstellen können, würde ich Ihnen relativ kurze, aber deutliche Dialoge vorschlagen. Ein Beispiel könnte sein:
„Kannst du mir sagen, wie ich dich weiterhin wertschätzen/lieben soll, wenn du dich selbst so erniedrigst? Ich hatte gehofft, in dir einen starken Menschen zu finden. Aber nun bin ich nur noch erschüttert. Ich möchte einen Mann an meiner Seite, zu dem ich aufschauen kann, und kein verunsichertes Kind.“
Das ist sozusagen Ihr persönlicher Elfmeter, bei dem Sie mit Selbstsicherheit an Stelle von Verteidigung imponieren. Ab dann ist es ganz gleich, was er entgegnet. Für Sie bleibt es bei einer einzigen Aussage. Diese kann er sich merken. Wenn er Sie weiter bedrängt, bleiben Sie bei dem Gesagten, indem Sie äußern, dass Sie nichts mehr hinzuzufügen haben. Das bringt ihn in einen inneren Konflikt.
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