Meinhard Saremba - ... es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!

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Clara Josephine Schumann (1819–1896) und Johannes Brahms (1833–1897) verband eine über vierzig Jahre währende Freundschaft, die ab 1853 unterschiedliche Phasen der Intensität durchlief. Brahms unterstützte Clara Schumann in Krisenzeiten, die sie während des Verlusts ihres Mannes Robert und durch den frühen Tod einiger ihrer Kinder durchlebte; sie wiederum beriet ihn in finanziellen und künstlerischen Fragen. Im Zentrum ihres Wirkens stand für beide immer die Musik: ihre Kompositionen und das Repertoire, für das sie sich als ausübende Künstler gegen viele Widerstände engagierten. Im Laufe ihres für die damalige Zeit überdurchschnittlich langen Lebens waren Clara Schumann und Johannes Brahms unmittelbar an der Entwicklung der Musikszene im 19. Jahrhundert beteiligt – einer Phase, in der sich die grundlegenden Mechanismen des heutigen Kulturbetriebs entwickelten. Ihr Leben lang standen Clara Schumann, die Pianistin, und Johannes Brahms, der Komponist, der sogenannten »Musik der Zukunft« der Kreise um Brendel, Liszt und Wagner kritisch gegenüber. Ihre Lebensspanne reicht von Beethoven und Robert Schumann bis zu den ersten Sinfonien von Gustav Mahler, von den Gemälden der Nazarener bis zu Böcklin und den frühen Werken von Klimt, von E.T.A. Hoffmann bis zu Theodor Fontane. Und in Brahms' Todesjahr publizierte Thomas Mann seine erste Novelle.

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Meinhard Saremba es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren - фото 1

Meinhard Saremba

»… es ist ein zu starker Contrast mit meinem Inneren!«

Clara Schumann, Johannes Brahms

und das moderne Musikleben

Erste Auflage 2021 Osburg Verlag Hamburg 2021 wwwosburgverlagde Alle Rechte - фото 2

Erste Auflage 2021

© Osburg Verlag Hamburg 2021

www.osburgverlag.de

Alle Rechte vorbehalten,

insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags

sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen,

auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Bernd Henninger, Heidelberg

Korrektorat: Mandy Kirchner, Weida

Umschlaggestaltung: Judith Hilgenstöhler, Hamburg

Satz: Hans-Jürgen Paasch, Oeste

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN 978-3-95510-259-3

eISBN 978-3-95510-267-8

»Das Vergangene ist niemals tot. Es ist nicht einmal vergangen.«

William Faulkner (Requiem for a Nun)

»Warum glückt es dir nie, Musik mit Worten zu schildern? Weil sie, ein rein Element, Bild und Gedanken verschmäht. Selbst das Gefühl ist nur wie ein sanft durchscheinender Flußgrund, Drauf ihr klingender Strom schwellend und sinkend entrollt.«

Emanuel Geibel ( Distichen, XXXVII; zitiert nach: Eduard Hanslick, Vom Musikalisch-Schönen , 3. Auflage, Leipzig 1865, S. ix)

Inhalt

Ein Wort zuvor …

1 Freunde und Feinde fürs Leben (1850–1856)

Erste Annäherungsversuche· Gefangen in Zeit und Raum· In der Welt zu Hause· Ungarn an der Elbe· In der Fremde· Kultur an der Leine· Zwischen Effekt und Sinngebung· Positionsbestimmungen· In der Höhle der Löwen· Unschönes und Erbauliches· Geistige Anregungen· Eine politische Rheinwanderung· Meriten, Musik und Merkantiles· Liebe auf den ersten Ton· Die Bürde der Anerkennung· Der Kampf um die Thronfolge· Melancholie mit Wahn, schöne Schwermut

2 Lange Schatten (1856–1859)

Ein Chaos von Gedanken· Mündliches nebst Schriftlichem· Schmerzen und Todessehnsucht· Ausweg mit Sinn· Selbstbesinnung und neue Ziele· Eine verschleierte Sinfonie· Kunst mit Etikette· Musikalische Erlustigung und Divertierung· Eine liebenswürdige Freundin

3 Kultur-Kriege (1859–1862)

Künstlerwürde und Disziplin· Schlachtfelder der Intellektuellen· Das Faustsche Dilemma· Wohin soll man sich wenden?· Konkurrierende Avantgarden· Im Auge des Hurrikans· Kunst und Ideologie· Die Affäre Grün und andere Kalamitäten· Wirklich beste Feinde – Gegenschlag mit Vorgeschichte· Paukenschläge und facettenreiche Zwischentöne· Die Ursünde der Moderne· Die Versöhnungs-Falle· Schönes und Gutes

4 Unheiliges, Leidenschaft, Trost (1862–1869)

Fluchtpunkt im Schwarzwald· Wenn es nicht gar so weit voneinander wäre· Der Unfehlbarkeits-Wahn· Treuer Künstlersinn· Zauber der Poesie· Zischen, Zorn und Enthusiasmus

5 Balsam und Gift (1869–1872)

Heirat in die Fremde· Der Kampf geht weiter· Provokationen und Konfrontationen· Die einen weinen, die anderen lachen· Wo wohnt Leben, Hoffnung und Glück?

6 Im Dienste des Dramas (1872–1878)

Zwischen Zukunftssicherung und Unabhängigkeit· Schmerzvolle Erfahrungen· Scharfe Frontlinien· Das neue Heiligtum· Getrennte Wege· Eine künstlerische Notwendigkeit· Klangethik und Zerschlagungsästhetik· Das neue liebliche Ungeheuer

7 Neue Bastionen, neue Konflikte (1878–1882)

Haarige Angelegenheiten· Widerstand gegen Pedal-Gerassel und unedle Kunst· Exorzismus und Weihe· Viel Lärm um Nationales· Sinfonische Konkurrenz· Neue Musik zum Lächeln· Fundamentalismus gegen Humanität

8 Eine intellektuelle Utopie (1882–1887)

Neue Bauten für die Kultur· Kulturpolitiker gegen Glaubenshelden· Die Anführer sterben, die Bewegung lebt weiter· Eine neue Moderne· Spaltung, Reformen und neue Tendenzen· Die sinfonische Tetralogie

9 Das Erbe der Poesie (1887–1891)

Versöhnungsmusik· Besorgniserregende Wende· Wenn’s richtig kracht, ist’s ordentlich· Verborgene Schönheiten entdecken· Ein kulturelles Vermächtnis· Letzte Beifallsstürme

10 Das teuer bezahlte schöne Glück (1891–1897)

Leidenschaft statt Mätzchen· Es wird immer leerer· Das letzte Duell· Finale Plaudereien· Der trauernde Genius· Eine interessante Krankheit

Literaturhinweise und Anmerkungen

Zeittafel

Bildnachweis

Danksagung

Personenregister

Ein Wort zuvor …

Menschen der heutigen Zeit würden sich in der Welt von Clara Schumann und Johannes Brahms nicht zurechtfinden. Die Organisation des Alltags, die Geschwindigkeit der Kommunikation und die Etikette der Epoche wären uns fremd. Und dennoch ist uns das 19. Jahrhundert näher, als viele glauben. Wenn ein Journalist noch im März 2019 die Geigerin Hilary Hahn in einer Schlagzeile als »Prophetin der Extreme« 1tituliert, verwendet er eine der Benennungen, die denen jener Presseschreiber vergleichbar sind, die Clara Schumann einst die (von Liszt eher spöttisch gemeinte) Bezeichnung der hohen »Priesterin« ihrer Kunst verpassten. Manche Biographen wähnen noch im 21. Jahrhundert Brahms’ erstes Klavierkonzert »von finsterer Dämonie erfüllt« oder den Komponisten »mit Dämonen ringend«. Obwohl sie in einer Zeit arbeiten, in der die Wissenschaft noch viel zügigere Fortschritte erzielt als im 19. Jahrhundert, wählen sie schablonenhafte Phrasen über »das Schicksal«, das man »gnädig« walten sehe, und »schicksalhafte« Themengestalten in der Musik. 2Formulierungen dieser Art kamen zweihundert Jahre zuvor auf, als Zeitschriften und Bücher über Musik und Musiker erstmals populär wurden. Der Epoche entsprechend verwendete natürlich auch Clara Schumann derartige Begriffe, wenn sie in ihren Briefen vom »Schicksal der Kinder« 3sprach oder Brahms von »jenen Tagen«, in denen »Großes, Erschütterndes – Erhebendes« geschah. 4Allerdings sollten diese augurenhaft-esoterischen Phrasen heutzutage kein Maßstab mehr für die Betrachtung der Welt sein. Clara Josephine Schumann (1819–1896) und Johannes Brahms (1833–1897) haben im Laufe ihrer über vierzig Jahre währenden Freundschaft sowohl erschütternde als auch erfreuliche Erfahrungen gemacht, die keineswegs von metaphysischen Kräften beeinflusst wurden. Durch persönliche Erlebnisse und ihren Freundeskreis waren sie mit den Grenzen sowie dem Erkenntnisgewinn der modernen Medizin vertraut und sie erlebten die Weiterentwicklungen der künstlichen Lichtquellen von Kerzenschimmer und Gasbeleuchtung über die Petroleumlampe bis zur Glühbirne. Zudem nutzten sie immer fortschrittlichere Fortbewegungsmittel, die dazu beitrugen, lange Distanzen zunehmend schneller zu überwinden. Nicht zuletzt bereicherten sie das sich im Aufbau befindliche Editionswesen. Eine Zeitreise zu ihnen würde man sich dennoch besser nicht wünschen, denn zu fremd wären uns ein Dasein mit eingeschränkten Verkehrsverbindungen oder auch der Möglichkeit, öffentliche Hinrichtungen zu besuchen, ein Leben ohne elektrischen Strom, Telefon und Supermärkte; zu unvertraut die unterschiedlichen Währungen und Zeitzonen in den deutschsprachigen Ländern, die Ausdrucksweisen, Bekleidungsetiketten, Verhaltensregeln und Hierarchien sowie die Art, auf den einzelnen gesellschaftlichen Ebenen zu kommunizieren.

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