Ausnutzen von Notsituationen
Menschen, die sich in psychischer oder materieller Not befinden, benötigen Freunde, die ihnen beistehen und helfen, Krisen zu überstehen. Wessen sie am wenigsten bedürfen, sind Blutsauger, die ihre Lage und ihre Verzweiflung ausnutzen und nur das Beste für sich herausschlagen wollen. Psychopathen erkennen solche Gelegenheiten leider mit untrüglichem Instinkt und schrecken nicht davor zurück, auf ihre ganz eigene Art Hilfe anzubieten. Und je größer die Bedrängnis, desto unverschämter ihr Angebot. Auch eine emotionale Erpressung ist durchaus mit dabei:
Rebekka war in großer emotionaler Not. Ihr Freund, den sie seit einigen Monaten kannte und über alles liebte, wollte sich von ihr trennen. Er wusste, dass sie ohne ihn nicht leben zu können glaubte. So begründete er seine Entscheidung damit, dass er ein Mensch sei, der seine Freiheit brauche und nicht immer am selben Ort festsitzen könne.
Doch er hatte für Rebekka auch schon einen Ausweg parat: Wenn sie ihm ein Wohnmobil schenken würde, dann könnten sie seine Träume gemeinsam verwirklichen. Glücklicherweise war sie klug genug zu erkennen, dass sie gerade auf widerliche Weise mit ihrer Liebe erpresst wurde und um ein kleines Vermögen gebracht werden sollte. Sie ließ ihn gehen. Aber ihr Herz konnte lange Zeit nicht heilen. Zu tief waren der Verlust ihrer Liebe und die Enttäuschung über seine abscheuliche Erpressung.
Von Geheimnissen umgeben
Psychopathische Charaktere lieben nicht nur Geheimnisse, sie benötigen sie. Menschen, die Intrigen spinnen, mit Lügen agieren und andere ausbeuten, können sich nicht in die Karten blicken lassen. Sonst wären ihre ganzen Inszenierungen dahin und sie stünden nackt und bloß da. Die meisten Psychopathen sind deshalb so klug, von vornherein die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass es zum Ernstfall kommt. Hier ein paar typische „Sicherheitseinstellungen“:
→ Der Zugriff zum Handy wird verboten.
→ Die Namen in der Telefonliste werden vertauscht oder mit Synonymen belegt.
→ Ein zweites Handy für Seitensprünge wird angeschafft.
→ Der jeweilige Aufenthaltsort wird verschwiegen.
→ Von der Vergangenheit wird nur bruchstückhaft und unwahr berichtet usw.
Wann immer Menschen so ein Verhalten an den Tag legen, sollten sich ihre Partner ernsthaft fragen, ob das etwas mit Freiheit zu tun hat, oder ob sie nicht gerade für dumm verkauft werden.
Reflexion:
Mit welchen Geheimnissen mussten Sie sich auseinandersetzen? Was hat das mit Ihnen gemacht? Was bedeutet das für Ihre Zukunft?
Angriff als Verteidigung
Dass Angriff eine effiziente Verteidigungstaktik sein kann, ist allseits bekannt. Allerdings verweigert sich jeder, der etwas auf sich hält, der armseligen Praxis, andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen. Nicht so unsere Spezies, denn Psychopathen beherrschen diese Technik in Perfektion.
„Mein Name ist Emma, ich bin 33 Jahre alt und von Beruf Rechtsanwältin in einer Sozietät. Ich hatte acht Monate mit Marcel, der zehn Jahre älter ist als ich, eine Beziehung, die sehr vielversprechend schien. Doch genauso stürmisch, wie sie begonnen hatte, endete sie letztendlich auch wieder. Und das geschah so:
Vor Kurzem besuchten wir beide ein Konzert. Plötzlich kam eine junge Frau auf ihn zu und küsste und umarmte ihn sehr intim. Marcel war im ersten Moment völlig erstarrt, doch dann riss er sich von ihr los und brüllte sie an, sie solle ihn in Ruhe lassen. Dann lief er weg. Als ich die Frau fragte, was das zu bedeuten habe, antwortete sie, dass sie seit einem halben Jahr Marcels Freundin sei und nicht wisse, was in ihn gefahren sei. Alles Weitere ließ sich schnell aufklären. Wir waren beide am Boden zerstört. Der einzige Trost, den wir hatten, war, dass wir nicht alleine mit unserem Schmerz waren, sondern uns durch das gemeinsame Leid verbunden fühlten. Marcel meldete sich in der darauffolgenden Woche nicht. Dann erhielt ich die überraschende Nachricht von ihm, dass er eine Entschuldigung für mein indiskretes Verhalten erwarte; dafür, dass ich ihm hinterherspioniere und dieser Schlampe mehr glaube als ihm. Wenn ich ihn nicht verlieren möchte, wäre es das Mindeste, mich bei ihm zu entschuldigen, und zwar verbunden mit einer Einladung in ein gutes Restaurant. Ohne dass ich Reue zeige, werde er mir nicht verzeihen.
Wie schade, dass er nicht den Mumm hatte, bei mir zu Hause vorbeizuschauen. Dann wäre er nämlich im hohen Bogen hinausgeflogen. Ich hatte mir schon gedacht, dass er sich für mich entscheiden würde. Er hatte sich gern damit gebrüstet, dass ich Rechtsanwältin bin. Und er hatte sehr viel von meinen wohlhabenden Eltern profitiert. In der kurzen Zeit, in der wir uns kannten, hatte mein Vater ihn zu seinem jährlichen Segeltörn mit Freunden eingeladen und wir beide waren bereits in unserem Ferienhaus am Meer in Spanien. Diese Annehmlichkeiten werden bei seiner Wahl bestimmt besondere Berücksichtigung gefunden haben. Es ist nur widerlich. Ich antwortete ihm, dass ich ihm untersage, sich ein weiteres Mal bei mir zu melden oder auf andere Art Kontakt mit mir aufzunehmen. Ansonsten werde ich eine einstweilige Verfügung erwirken. Daraufhin habe ich nichts mehr von ihm gehört.“
Nicht viel anders plante Sven vorzugehen, was er mir in leicht angetrunkenem Zustand gestand. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Sven, 59 Jahre alt, hatte sich in ein junges, blondes Mädchen verguckt. Mit allen Tricks wollte er sie dafür gewinnen, mit ihm die Silvesternacht auf seiner Yacht zu verbringen. Dieser Teil würde kein Problem für ihn sein. Doch wie sollte er es angehen, sich von zu Hause wegzustehlen? Schließlich war traditionell ein Fest mit der Familie geplant.
Doch Sven wäre nicht er selbst, wenn ihm solche Kleinigkeiten ernsthaft Kopfzerbrechen bereitet hätten. Er entschied sich kurzerhand für die Unschuldsvariante: Er plante, am Vortag alle Feuerwerkskörper zu verstecken und seine Frau dafür verantwortlich zu machen, dass sie nicht zu finden seien. Dabei beabsichtigte er einen Wutanfall vorzutäuschen und Hals über Kopf aus dem Haus zu stürmen. Am nächsten Tag müsste sich seine Frau dann bei ihm entschuldigen, was er großzügig annehmen würde.
Dass er damit nicht nur ihr, sondern auch dem Rest der Familie das Fest richtig vermasseln würde, interessierte ihn nicht im Geringsten.
Fazit:
Seien Sie sich für jedwede Angriffe zu schade. Die wahren Beweggründe liegen ohnehin außerhalb Ihres Vorstellungsvermögens.
Dies war ein kurzer Abriss über das psychopathische Instrumentarium, das noch wesentlich umfangreicher ist. Alles zu benennen, würde hier den Rahmen sprengen, doch beim Lesen des Buches werden Sie noch auf weitere Strategien und Vorgehensweisen dieser dissozialen Persönlichkeiten stoßen.
Nach alledem, was Sie erlebt und aus den Geschichten der Menschen, denen es ganz ähnlich erging, erfahren haben, sollten Sie zu dem Schluss gelangen, dass dieser Menschenschlag in erschütternder Weise einen durch und durch parasitären Lebensstil pflegt. Das ist die wohl noch sozialverträglichste Formulierung, die ich für Ihren Peiniger benutzen kann. Er wird sich jedenfalls nicht ändern. Das Privileg zu lernen, damit umzugehen, bleibt also leider wieder einmal Ihnen vorbehalten.
Psychopathische Besonderheiten
Ich habe nachfolgend ein paar der markantesten Persönlichkeitsmerkmale aufgelistet. Alle wiederzugeben wäre auch hier aufgrund der Dimension dieser Thematik zu umfangreich. Deshalb setzen wir uns mit jenen auseinander, die den Partnern psychopathischer Charaktere am meisten zu schaffen machen.
Doppelmoral
Zu Beginn möchte ich einen kleinen Auszug psychopathischer Doppelmoral präsentieren. Es ist eine kleine Veranschaulichung dessen, woran diese Menschen glauben, was sie sich herausnehmen oder zutrauen und was sie im Gegenzug von ihren Partnern einfordern bzw. ihnen unterstellen.
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