Jedoch nicht jede noch so geringe Änderung der Nutzung einer baulichen Anlage stellt eine rechtlich relevante Nutzungsänderung dar, da jeder Nutzung eine gewisse Variationsbreite inne wohnt (OVG Lüneburg v. 20.5.1992 – v. 125/91 – BRS 54 Nr. 143).
II.Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit baulicher Anlagen bei Nutzungsänderungen
15Bei einer Nutzungsänderung ist Gegenstand der Beurteilung nicht allein die Nutzungsänderung als solche, sondern das bestehende Bauwerkund die beabsichtigte Nutzung als untrennbare Einheit(vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1974 – IV C 32.71 – BRS 28 Nr. 34; U. v. 11.11.1988 – 4 C 50.87 – BRS 48 Nr. 58; Sarnighausen, DÖV 1995/225). Für die Beurteilung einer Nutzungsänderung kann daher das bestehende Bauwerk nicht ausgesondert und losgelöst von der beabsichtigten Nutzung einer separaten Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes unterzogen werden (a. A. OVG MV, B. v. 27.8.1998 – 3 M 65/98 – BauR 1999/624).
16Nutzungsänderungen müssen mit den zu diesem Zeitpunkt maßgebenden städtebaulichen und bauordnungsrechtlichen Anforderungen in vollem Umfang vereinbar sein (Nds. OVG, B. v. 2.3.1993 – 1 M 263/91 – BRS 55 Nr. 183). In planungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht ist die Nutzungsänderung eines Gebäudes daher nicht anders zu beurteilen als die Erst- oder Neuerrichtung des Gebäudeszu dem angestrebten Zweck (BVerwG, U. v. 23.1.1981 – 4 C 83.77 – BRS 38 Nr. 89).
17Die NBauO unterwirft das Gebäude in seiner Gesamtheitden Anforderungen an Grenzabstände. Ein Gebäude, dessen Nutzung geändert werden soll, ist bei dieser Beurteilung deshalb insgesamt baurechtswidrig, wenn es den erforderlichen Grenzabstand auch nur gegenüber einer Grenze unterschreitet. Eine Nutzungsänderung bestimmter Räume eines Gebäudes, das beispielsweise den Mindestabstand um 1 m unterschreitet, ist deshalb auch dann nicht mit § 5 vereinbar, wenn die Gebäudeteile mit diesen Räumen außerhalb des Abstandsbereichs von 3 m liegen.
Daraus folgt insbesondere, dass bei jeder Nutzungsänderung die zu diesem Zeitpunkt maßgebenden Abstandsvorschriften einzuhalten sind. Jede Nutzungsänderung eines Gebäudes, das die Grenzabstände unterschreitet, ist daher nur nach Gewährung einer Abweichung nach § 66 NBauO von den Abstandsvorschriften materiell-rechtmäßig.
Demgegenüber meinen der BayVGH (U. v. 26.11.1979 – Nr. 51 XIV 78 – BRS 36 Nr. 181) und das OVG NRW (U. v. 15.5.1997 – 11 A 7224/95 – BRS 59 Nr. 144), dass bei Nutzungsänderungen von Gebäuden, die die Grenzabstände unterschreiten, eine Anwendung der Abstandsvorschriften nur in Betracht komme, wenn durch die neue Nutzung nachteiligere Auswirkungen als durch die bisherige Nutzung auf die abstandsrelevanten Belange zu erwarten seien.
III.Baugenehmigungspflicht von Nutzungsänderungen
18Nutzungsänderungen sind Baumaßnahmenim Sinne des § 2 Abs. 13 NBauO. Damit unterwirft die NBauO Nutzungsänderungen dem formellen und materiellen Bauordnungsrecht. Nutzungsänderungen bedürfen daher nach § 59 einer Baugenehmigung,soweit sich aus den §§ 60 bis 62, 74 und 75 nichts anderes ergibt.
19Nach § 60 Abs. 2 Nr. 1 gehören Nutzungsänderungen zu den verfahrensfreien Baumaßnahmen, wenn das öffentliche Baurecht an die neue Nutzung weder andere noch weitergehende Anforderungen stellt. Ferner sind nach § 60 Abs. 2 Nrn 2 und 3 eine Umnutzung bestimmter Räume verfahrensfrei.
Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 bedürfen Nutzungsänderungen von baulichen Anlagen keiner Baugenehmigung, wenn die baulichen Anlagen nach der Nutzungsänderung den Anforderungen entsprechen, die in § 62 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 gestellt werden. Dazu gehört insbesondere die Erfüllung der Anforderungen nach § 62 Abs. 2. Die Vorschrift des § 62 Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung wenn es sich um Sonderbauten (§ 62 Abs. 1 Satz 3 oder um Nutzungsänderungen nach § 62 Abs. 1 Satz 4 handelt.
C.Grundstücksteilungen (§ 8 NBauO)
§ 8Grundstücksteilungen
(1) Durch die Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, dürfen keine Verhältnisse geschaffen werden, die den Vorschriften dieses Gesetzes oder aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften zuwiderlaufen.
(2) Soll bei einer Teilung eines Grundstücks nach Absatz 1 von Vorschriften dieses Gesetzes oder von aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften abgewichen werden, so ist § 66 entsprechend anzuwenden.
20 Die Teilung eines Grundstücksist die dem Grundbuchamt gegenüber abgegebene oder sonst wie erkennbar gemachte Erklärung des Eigentümers, dass ein Grundstücksteil grundbuchmäßig abgeschrieben und als selbständiges Grundstück oder als ein Grundstück zusammen mit anderen Grundstücken oder mit Teilen anderer Grundstücke eingetragen werden soll (§ 19 Abs. 1 BauGB).
21Grundstücksteilungen bedürfen nicht mehr der Genehmigung der BauAB. Dennoch müssen Grundstücksteilungennach dem Bauordnungsrecht materiell-rechtmäßig sein. Deshalb fordert § 8 Abs. 1, dass durch die Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, die den Vorschriften der NBauO oder den Vorschriften aufgrund der NBauO zuwiderlaufen. Grundstücksteilungen müssen insbesondere mit den Vorschriften über die Grenzabstände und den Brandschutz vereinbar sein.
22Vielfach soll die Teilung eines Grundstücks zwischen vorhandenen Gebäudenerfolgen, die untereinander nicht die nach § 7 erforderlichen Abstände einhalten (s. Abb. 1).
Abb. 1:Die Gebäude A und B halten nicht den nach § 7 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 erforderlichen Abstand von insgesamt 15 m ein; dennoch soll die Grundstücksteilung zwischen den Gebäuden erfolgen.
Eine solche Grundstücksteilung würde zwar an dem Gebäudebestand nichts ändern, der mit § 7 unvereinbar ist. Diese Teilung würde jedoch § 5 zuwiderlaufen, denn durch die Teilung würde eine neue Grundstücksgrenze entstehen, von der die Gebäude nach § 5 Abstand zu halten hätten.
Dem § 5 liegt zwar die gleiche Zielsetzung zu Grunde wie dem § 7. Dennoch würde eine Grundstücksteilung zwischen Gebäuden, die den nach § 7 erforderlichen Abstand nicht einhalten, zu einer materiellen Verschlechterungder baulichen Situation führen. Bei Gebäuden auf demselben Baugrundstück, die untereinander den erforderlichen Abstand unterschreiten, darf bei Abbruch eines der Gebäude ein Ersatzbau nur unter Einhaltung des nach § 7 erforderlichen Abstands errichtet werden. Diese Rechtsfolge würde durch die Teilung umgangen, weil sich der Abstand nach erfolgter Teilung für jeden Ersatzbau allein nach § 5 bestimmen würde, ohne Rücksicht auf die Abstände der vorhandenen und künftigen Gebäude untereinander, zwischen denen nunmehr eine Grenze verläuft. Hierin liegt die materielle Verschlechterung der baulichen Situation, die mit dem auf der Teilung beruhenden Verstoß gegen § 5 herbeigeführt würde (OVG Lüneburg, U. v. 27.10.1983 – 6 A 72/82 zu den bisherigen §§ 7 und 10 – BRS 40 Nr. 112).
23In diesen Fällen ließe sich die Rechtmäßigkeit der Grundstücksteilung nur durch eine Vereinigungsbaulastnach § 2 Abs. 12 Satz 2 oder eine Abweichung nach § 66 NBauO (s. Rn. 32 ff.) herbeiführen. Diese Vorschrift wird von § 8 Abs. 2 NBauO ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt, wenn bei Teilung eines Grundstücks, das bebaut ist oder dessen Bebauung genehmigt ist, von den Vorschriften der NBauO oder den Vorschriften aufgrund der NBauO abgewichen werden soll.
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