Jonas Nowotny
Die Kinder der Schiffbrüchigen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jonas Nowotny Die Kinder der Schiffbrüchigen Dieses eBook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Epilog
Haftungsausschluss
Impressum
Kapitel 1
Für
J-N. und L.
Mein Herz schlägt für Euch!
Oliver hatte Glück: Mit blauen Bändern und Heliumballons geschmückt lag die MS Anetta noch am Kai. Über dem einsamen Rettungsboot am Heck wehte eine Flagge in den Regenbogenfarben. Oliver kettete seine Vespa an eine Kastanie und nahm eilig die Treppen hinunter zur Anlegestelle. Er musste aufs Schiff. Nur wie ihm das gelingen sollte, wusste er nicht.
An der Anlegestelle hob er seine Canon und zoomte sich das Gesehen auf der Anetta heran. Festlich gekleidete Menschen amüsierten sich mit Sektgläsern in den Händen und fröhlichen Gesichtern auf den Freidecks. Oliver interessierte sich nur für die Frauen unter den Passagieren. Würde er sie erkennen, wenn er sie sah? Als ein bärtiger Mann in Kapitänsuniform seine Aufmerksamkeit erregte, drückte er den Auslöser. Noch auf dem Steg steckte sich der Bärtige in der hohlen Hand eine Zigarette an. Er inhalierte und blickte nervös auf die Armbanduhr. Schnell stieß er den Rauch wieder aus. Oliver stand keine zehn Meter von ihm entfernt, trotzdem zoomte er näher an ihn heran. Der Fotoapparat klickte, als der Kapitän direkt in die Linse schaute. Ein verärgertes Rucken lief durch das schwarzbärtige Gesicht. An der Zigarette ziehend, schritt er auf den Fotografen zu.
Oliver fühlte sich ertappt und senkte die Kamera.
»Da sind sie ja endlich! Wir warten schon eine halbe Stunde!«
»Äh ...«, machte Oliver. »Ich fürchte, Sie verwechseln ...«
»Sie sind doch der Eventfotograf«, unterbrach ihn der Bärtige, »Ihre Kamera sieht mir jedenfalls ziemlich professionell aus!«
Oliver schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, ich habe das Schiff nur aus Motivgründen fotografiert.«
Der Kapitän zog an der Zigarette und musterte ihn aus den Augenwinkeln. Ein Blick, der Oliver unangenehm wurde.
»Ich geh dann mal weiter«, sagte er und warf einen letzten flüchtigen Blick auf das geschmückte Schiff.
»Warten Sie«, bat der Kapitän, nun stahl sich etwas Freundlichkeit in sein Gesicht, »mit Ihrer Kamera lassen sich doch sicher tolle Fotos schießen?«
Oliver nickte vorsichtig. Er wusste nicht worauf die Frage abzielte. Der Bärtige schnippte die Zigarette weg.
»Wollen Sie nicht an Bord kommen und ein paar Bilder machen?«
»Wie bitte?« Oliver furchte die Stirn.
»Entschuldigen Sie, ich bin immer sehr direkt.« Er streckte Oliver seine Bärentatzen entgegen. »Claus Thalberg. Mir gehört das Schiff.« Kraftvoll drückte er Olivers Hand. »Wir begehen heute die Namensfeier meines Enkels Louis. Leider, so scheint es, ...«, er steckte sich eine neue Zigarette in den Mund, »leider hat uns der Fotograf versetzt. Alle Gäste sind schon an Bord und ich will jetzt ablegen.« Thalberg hielt die Zigarette ans Feuerzeug. »Wollen Sie nicht einfach aufs Schiff kommen und für die Erinnerungsfotos sorgen? Natürlich nur, wenn Sie Zeit haben.«
Oliver zögerte, obwohl er sofort begriff, welche Chance sich ihm gerade bot. Der Kapitän zog aus der Innentasche seiner Uniform ein Portemonnaie. »Sie sollen ja nicht umsonst arbeiten«, sagte er und streckte ihm zwei Fünfzig-Euro-Scheine entgegen. »Die Abzüge bezahle ich dann selbstverständlich extra. Essen und Trinken Sie, soviel Sie wollen.«
Oliver jauchzte innerlich auf. Konnte es wahr sein, dass ihn heute das Glück verfolgte? Dieser unerwartete Job auf dem Schiff würde ihm ermöglichen, sich ihr unauffällig zu nähern. Er konnte sie beobachten, ohne sie gleich, wie es in ihrer Wohnung der Fall gewesen wäre, mit den Tatsachen zu konfrontieren.
»Ich … ich habe heute frei. Warum also nicht.« Er nahm die Geldscheine. »Erwarten Sie aber nicht zu viel von meinen Fotos. Ich bin kein Profifotograf.«
»Ausgezeichnet!«, entgegnete Thalberg lachend und schlang den kräftigen Arm um Olivers Schulter, als sei er ein neuer Matrose. Zufrieden blies er Rauchwölkchen in den Himmel.
Die Stufen zum Freideck nahm Oliver mit einem Schmunzeln um den Mund. Er dachte: Hier bin ich! Ihr habt mich nicht eingeladen, aber hier bin ich!
Thalberg führte ihn zum Anlass des Festes: Louis Thalberg. Mit wachen, neugierigen Augen blickte das Baby aus dem Kinderwagen. Olivers Miene gefror: Der Säugling war schwarz. Das hatte er nicht erwartet.
»Das hier sind Louis‘ Eltern«, stellte der Kapitän seinen Sohn Alexander und einen weiteren jungen Herren vor.
Oliver sortierte seine Gedanken. Sein Blick wechselte von einem Mann zum anderen. Beide steckten in sommerlichen Anzügen. Der im beigen war also dieser Christian, dessen Namen er vorhin beim Hausmeister erfahren hatte, als er um ihren Wohnblock geschlichen war. Alexander trug Dunkelblau und musterte Oliver freundlich.
»Und das ist Herr ...«, fuhr der Kapitän seine Vorstellungsrunde fort und fischte in Olivers Augen nach einem Namen.
»Wagner. Oliver Wagner«, antwortete Oliver. Er wischte die schweißnasse Hand an seiner Stoffhose ab, ehe er sie Alexander entgegenstreckte. »Ich bin hier heute für die Fotos zuständig.«
Alexander nahm die Hand. »Sehr erfreut.«
»Und wo ist … wo ist seine Mama?«, fragte Oliver, während er jetzt Christian die Hand reichte.
»Sie schütteln ihr gerade die Hand«, antwortete Christian. »Wir«, er legte Alexander demonstrativ den Arm um den Hals, »sind Louis' Eltern.«
Oliver nickte. Es war nicht nur die Nachmittagssonne, die ihm weiter den Schweiß auf die Stirn trieb.
»Ach so. Ach so ist das«, stammelte er.
»So ist das«, lachte der Kapitän. »Dann sind wir ja jetzt vollzählig und ich kann endlich ablegen.« Thalberg salutierte und ging.
Oliver bemerkte Christians misstrauisch taxierenden Blick auf sich ruhen. Mit Christian hatte er keinen guten Start, so viel war sicher. Schützend hob er sich die Kamera vor das Gesicht. »Cheese.« Das Kommando wirkte: Die beiden Männer prosteten gestellt lächelnd in die Linse.
»Es tut mir Leid, falls ich eben in ein Fettnäpfchen getreten bin.« Oliver senkte die Kamera. »Ich wusste nicht, dass ...«, er zögerte. Auf keinen Fall sollte er nochmal jemanden brüskieren. Er begann den Satz neu. »Ihr habt das Baby adoptiert?«
Alexander nickte.
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