Natascha N. Hoefer - Im Westen gegen den Strom

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Ein kleines bretonisches Dorf, im Herzen der Bretagne. Hierher flieht die Pariserin Lina vor ihrem Burnout und ihren Problemen. Aber mit der erhofften Ruhe ist es vorbei, als sie Yohann kennenlernt, den stellvertretenden Bürgermeister mit dem Helfertick und der merkwürdigen Besorgnis bezüglich des Linkys: Kann der digitale Stromzähler wirklich so brandgefährlich sein? Doch unversehens findet Lina sich von Yohann und den rebellischen Bretonen mitgerissen, die bald mit Argumenten, Dudelsäcken und Traktoren gegen die Zwangseinführung des Linkys protestieren…
Eine Geschichte über das Erlernen der Fähigkeit, «nein» zu sagen.
Eine Geschichte über den Mut, neu anzufangen.
Und die Geschichte einer behutsamen Annäherung zwischen zwei Menschen, die gar keine Annäherung wollen…

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NATASCHA N. HOEFER

Im Westen - gegen den Strom

Im Westen gegen den Strom - изображение 1

NATASCHA N. HOEFER

Im Westen - gegen den Strom

Im Westen gegen den Strom - изображение 2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Autorin und Verlag spenden gemeinsam je verkauftem Buch 1,00 Euro für das Deutsche Pfadfindermuseum in Baunach.

1. Auflage, April 2021

© Spurbuchverlag, 96148 Baunach info@spurbuch.de, www.spurbuch.de

Ausführung: pth-mediaberatung GmbH, Würzburg

ISBN 978-3-88778-614-4

eISBN 978-3-88778-926-8

Weitere Bücher des Spurbuchverlages finden Sie unter

www.spurbuch.de

Für Clelia

Für Jérôme

Für Jo

Inhaltsverzeichnis

1.Rauch über Spézet

2.Der grüne Tunnel

3.Singing in the rain

4.Ziemlich beste Freunde

5.Auf dem Mond

6.Streit

7.Zwei Reisende

8.Daten sind Gold

9.Enthüllungen

10.Reisen zu zweit

11.Blaue Stunde

12.Schräglagen

13.Aufbegehren

14.Rote Blumen, blaue Läden

15.In der Schlucht des Corong

16.Unter Freundinnen

17.Verhärtete Fronten

18.Neuland

19.Spannungen

20.Aufdem Weg nach Rostrenen

21.Die Nacht danach

22.Erhitzte Gemüter

23.Ein neues Gesicht

24.Haus der Erinnerung

25.Bekenntnisse

26.Alarmglocken

27.Täuschung

28.Coming-Out

29.Am Meer.

30.Schockstarre

31.Wut und Viren

32.Protesttanz

33.Feierstimmung

34.Fest Noz

35.Goldener Regen

36.Feuer

37.Verdacht

38.Kurzschluss

39.Abschied

40.Ende des Sommers

41.Rückkehr

42.Epilog

1. Rauch über Spézet

Die schwarze Wolke zog sich am tiefblauen Himmel hoch wie die Schwinge eines riesigen Raben. Yohann beschleunigte. Vom Rücksitz schob sich eine witternde schwarze Nase über seine Schulter. »Riechst du das Feuer, Babou?«, fragte er und schob die Hündin behutsam zurück. Die Rauchschwinge schien immer weiter anzuschwellen, sich auszudehnen; sie lag ziemlich genau vor ihm - und vor ihm lag Spézet! Was war es, das im Nachbardorf brannte?

Endlich passierte er das Ortsschild Spézets; ein beißender Geruch drang über das Gebläse in den Wagen. Die Rußwolke stand jetzt links von ihm am Himmel; er bog aufs Geratewohl von der Hauptstraße ab - und da sah er es: Ein Haus stand in Flammen!

Er hielt am Straßenrand, flüsterte seiner Hündin ein paar beruhigende Worte zu, stieg aus und ging auf eine Gruppe Schaulustiger zu. Als er näher kam, schnappte er Wortfetzen auf: »Die armen Meuniers!« »Schrecklich, in ihrem Alter!« »Was soll aus ihnen werden?« Dann entdeckte er, einige Schritte von dem Grüppchen entfernt, Roland Leroux. Er steuerte auf den Bürgermeister von Spézet zu und registrierte, wie ihm hier, nicht mehr weit von den Feuerwehrfahrzeugen, der heiße Rauch in Augen und Nase brannte und die Hitze der Flammen ihm sengend ins Gesicht schlug. Doch die Feuerwehr hatte den Brand anscheinend im Griff: Der Dachstuhl auf der rechten Seite des Bruchsteinhauses war verbrannt, aber gelöscht; nun richteten sich alle Schläuche auf die linke Hausseite, wo ein Rest des Schieferdaches noch stand und wo durch ein Fenster letzte Flammen hochzüngelten.

Er musste husten; erst das schreckte den Bürgermeister auf und ließ ihn den Neuankömmling bemerken. »Ah, Yohann! Sind Sie gekommen, um zu helfen?«, fragte Leroux, mit leichter Ironie.

»Ich war unterwegs und habe den Rauch am Horizont gesehen«, gab Yohann schlicht zurück und sah beklommen auf den verwüsteten Garten, die Osterglocken im Qualm. Ein Teppich gelber Osterglocken, nun niedergestampft. »Was ist mit den Bewohnern?«

Der Bürgermeister hustete und wies nach links. »Da hinten. Das alte Ehepaar.«

Yohann sah hinüber zu dem schlohweiß behaarten, hageren Mann, der mit seinem gebeugten Rücken nicht größer war als das Weiblein in Küchenkittel an seiner Seite, dem er den Arm um die Schultern gelegt hatte. Der Alte wollte seine Frau stützen und hatte selbst Mühe, sich auf den eigenen Beinen zu halten. Ihr Anblick gab Yohann einen Stich. Da regten die alten Leute sich plötzlich. Der Mann suchte mit dem Blick den Bürgermeister, er sah zornig aus; die Frau legte ihrem Gatten eine Hand auf den Arm und schien ihn beschwichtigen zu wollen. Aber er ließ sich nicht aufhalten, sondern kam, auf seinen Stock gestützt, langsam, doch unaufhaltsam auf Leroux zu. Seine Frau folgte ihm mit unsicheren Schritten.

»Monsieur le Maire«, rief der alte Mann schon von weitem, »ich weiß, warum das Feuer ausgebrochen ist!«

Der Bürgermeister hob abwehrend die Hände. »Jaja, Kurzschluss in der Waschmaschine, habe ich bereits erfahren.«

Nun war Meunier angekommen, baute sich so aufrecht wie möglich vor dem Bürgermeister auf. »Ja und nein, Monsieur le Maire, ja und nein. Es war die Waschmaschine; aber die war fast neu. Seit zwei Monaten hatten wir sie, und sie funktionierte! Aber heute Morgen, da haben wir ein anderes Gerät neu gekriegt. Es war der Linky!«, und Meunier ballte die Hand zur Faust.

Yohann sah den alten Mann erschrocken an; der Bürgermeister aber winkte ab: »Ach was!«

»Der Linky wurde heute Morgen um neun Uhr installiert; und zwei Stunden später, Feuer!«, beharrte Meunier, und seine Frau, die sich dicht neben ihn gestellt hatte, nickte bekräftigend.

»Es war Ihre Waschmaschine, haben Sie gesagt. Entschuldigen Sie, ich muss Sie kurz verlassen.« Und der Bürgermeister wandte sich ab und ging ein paar Schritte fort, um ein Telefon aus der Tasche zu ziehen und es sich ans Ohr zu halten.

»Monsieur, das war kein Zufall!«, wandte der alte Mann sich beschwörend an Yohann.

Der nickte vorsichtig. »Verstehe ich Sie richtig: Heute ist Ihr mechanischer Stromzähler gegen einen digitalen ausgetauscht worden?«

»Genau! Und kaum zwei Stunden später - Feuer! Und der eine Installateur, der jüngere Mann, der hatte noch gesagt, unsere Stromleitungen seien zu alt. Das hat er seinem Kollegen leise gesagt, aber wir haben es gehört, nicht wahr, Louise?«

»Ja, das hat er gesagt«, stimmte die alte Frau matt zu. »Aber es funktionierte doch alles! Und sie haben uns trotzdem den guten alten Zähler weggenommen und den neuen montiert.«

Yohann fuhr sich über die Stirn. »Ist der neue Zähler, der Linky, verbrannt?«

Alle drei sahen sie zu dem verkohlten Haus. Das Feuer war gelöscht; die Rauchschwaden stanken, Ruß wirbelte um sie herum.

»Am Treppenaufgang hing er. Der ist bestimmt hin«, murmelte Meunier.

»Die Brandursache wird untersucht werden. Sie muss untersucht werden«, versicherte Yohann.

Doch der alte Mann sackte buchstäblich um einige Zentimeter mehr in sich zusammen. Seine zornige Anklage hatte ihm den letzten Rest Energie geraubt, und er brachte nur noch heiser hervor: »Wer wird da was untersuchen? Die, die den Linky montiert haben? Die werden kaum zugeben, dass das Ding an allem Schuld war.«

Konnte Meunier damit Recht haben? Yohann suchte nach tröstlichen Worten, die ihm nicht kommen wollten; da näherte sich eine jüngere Frau mit schwarzen Haaren und energischem Schritt. »Louise!«, rief sie aus, und in dem Moment, in dem sie die alte Dame in die Arme nahm, begann diese plötzlich zu weinen. Erst leise; dann schluchzte sie, immer lauter, immer ungehemmter.

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