Bis heute unterscheiden sich die Einstellungen vieler pädagogischer Fachkräfte in Abhängigkeit von der Art der Behinderung, ihrer Ausbildung und ihrer Erfahrung in der Arbeit mit Kindern mit Behinderungen. Rafferty und Griffin (2005) befragten Fachkräfte in 118 Einrichtungen in den USA. Eine inklusive Betreuung wurde von der weit überwiegenden Mehrheit bei Kindern mit Spracherwerbsstörungen, Mobilitätseinschränkungen und Hör- oder Sehbehinderungen für angemessen gehalten, während nur weniger als die Hälfte der Befragten sich für die inklusive Betreuung von Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen, Autismus oder emotionalen Störungen aussprachen. Nur ein Viertel war bereit, auch Kinder mit schweren Behinderungen in die Gruppe aufzunehmen. Dies ist gut vereinbar mit den Ergebnissen einer Untersuchung von Lee, Yeung, Tracey und Barker (2015), nach denen die Bereitschaft zur Aufnahme behinderter Kinder in KiTas ebenfalls mit der Art der Behinderung und den beruflichen Erfahrungen der pädagogischen Fachkräfte variierte. Bei Kindern mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen oder Verhaltensstörungen ist die Einstellung zur inklusiven Betreuung deutlich weniger positiv als bei Kindern mit leichteren körperlichen Einschränkungen oder Sinnesbehinderungen.
Ein ähnliches Ergebnis lieferte eine Befragung von 78 pädagogischen Fachkräften aus allgemeinen und integrativen KiTas, die Grönke und Sarimski (2018) durchführten. Pädagogische Fachkräfte aus integrativen Einrichtungen äußerten wesentlich positivere Einstellungen als Kollegen aus allgemeinen KiTas. Die Einstellung variierte jedoch mit der Behinderungsform. Bei Kindern mit geistiger Behinderung, Hör- oder Sehbehinderung schrieben sich die Fachkräfte wesentlich weniger Kompetenzen und Erfahrungen zu und äußerten sich gegenüber der inklusiven Betreuung wesentlich skeptischer als bei Kindern mit sprachlichen Auffälligkeiten, sozial-emotionalen Problemen oder körperlichen Behinderungen (
Abb. 2 Abb. 2: »Wie gut sind Kindertagesstätten geeignet zur inklusiven Betreuung für Kinder mit …?« (Mittelwerte; Skala: 0 = gar nicht … 3 = sehr gut; N =78) (Grönke & Sarimski, 2018) Fachkräfte, die über ein höheres Ausbildungsniveau, differenzierteres Fachwissen und Erfahrungen mit der Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen verfügen, äußern sich überwiegend positiv zur inklusiven Betreuung. In einer schriftlichen Befragung von 141 heilpädagogischen und 736 frühpädagogischen Fachkräften, die in KiTas arbeiten, waren heilpädagogisch ausgebildete Fachkräfte deutlich positiver gegenüber der inklusiven Betreuung eingestellt als frühpädagogische Fachkräfte (Lohmann, Hensen & Wiedebusch, 2017). In der Studie von Grönke und Sarimski (2018) wurde auch nach Hindernissen für das Gelingen der inklusiven Betreuung aus Sicht der Fachkräfte gefragt. Mögliche Hindernisse werden in begrenzter Zeit, der alltäglichen Arbeitsbelastung, fehlender Unterstützung durch Behörden und Einrichtungsträger, aber auch nicht ausreichend positiven Einstellungen von Eltern und pädagogischen Fachkräften zur Inklusion und mangelndem Fachwissen gesehen.
).
Abb. 2: »Wie gut sind Kindertagesstätten geeignet zur inklusiven Betreuung für Kinder mit …?« (Mittelwerte; Skala: 0 = gar nicht … 3 = sehr gut; N =78) (Grönke & Sarimski, 2018)
Fachkräfte, die über ein höheres Ausbildungsniveau, differenzierteres Fachwissen und Erfahrungen mit der Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen verfügen, äußern sich überwiegend positiv zur inklusiven Betreuung. In einer schriftlichen Befragung von 141 heilpädagogischen und 736 frühpädagogischen Fachkräften, die in KiTas arbeiten, waren heilpädagogisch ausgebildete Fachkräfte deutlich positiver gegenüber der inklusiven Betreuung eingestellt als frühpädagogische Fachkräfte (Lohmann, Hensen & Wiedebusch, 2017).
In der Studie von Grönke und Sarimski (2018) wurde auch nach Hindernissen für das Gelingen der inklusiven Betreuung aus Sicht der Fachkräfte gefragt. Mögliche Hindernisse werden in begrenzter Zeit, der alltäglichen Arbeitsbelastung, fehlender Unterstützung durch Behörden und Einrichtungsträger, aber auch nicht ausreichend positiven Einstellungen von Eltern und pädagogischen Fachkräften zur Inklusion und mangelndem Fachwissen gesehen.
1.3.2 Erwartungen und Erfahrungen von Eltern behinderter und nicht behinderter Kinder
Die Autoren mehrerer internationaler Studien verglichen die Erfahrungen von Eltern, die ihre behinderten Kinder in integrative KiTas gaben, mit den Erfahrungen von Eltern, deren Kinder eine sonderpädagogische Einrichtung besuchten (Bennett, DeLuca & Bruns, 1997; Guralnick, Connor & Hammond, 1995a; Miller, Strain & Boyd, 1992; Turnbull & Winton, 1983). Überwiegend äußerten sich die Eltern in integrativen Einrichtungen zufriedener, sahen im gemeinsamen Alltag mit nicht behinderten Kindern vor allem ein größeres Potenzial für Lernprozesse durch die Beobachtung der anderen Kinder. Ein Teil von ihnen äußerte jedoch die Sorge, dass ihre Kinder in den größeren Gruppen oder aufgrund unzureichender Fortbildung der pädagogischen Fachkräfte weniger Förderung erhalten, wie sich in den nachfolgend zusammengefassten Studien zeigt.
Kobelt Neuhaus (2001) berichtete über die elterliche Zufriedenheit mit Einzelintegrationsmaßnahmen in Hessen. 174 Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung beteiligten sich an der Fragebogenerhebung. Auf die Frage, welche Kriterien ihre Entscheidung für den Kindergarten beeinflusst haben, gaben die beiden Teilgruppen weitgehend übereinstimmende Antworten: freundliche Erzieherinnen, Selbstverständlichkeit der gemeinsamen Erziehung, gute personelle und räumliche Ausstattung, überzeugendes Konzept. Für Eltern von Kindern mit Behinderung war es etwas häufiger wichtig, dass es sich um eine wohnortnahe Einrichtung handelte und dort die individuelle Förderung ihres Kindes aus ihrer Sicht hinreichend gewährleistet schien. Die meisten Eltern der behinderten Kinder schätzten die Integration ihres Kindes in die Gruppe als zufriedenstellend ein, zehn Prozent sahen es allerdings als Außenseiter und beklagten, dass auf ihr Kind ungenügend Rücksicht genommen werde.
Sobald jedoch nicht mehr nach dem eigenen Kind, sondern einer allgemeinen Einschätzung des Gruppengeschehens gefragt wurde, fielen die Antworten weniger günstig aus. Vor allem die Eltern von Kindern mit leichter Behinderung äußerten sich kritisch hinsichtlich unzureichender entwicklungspsychologischer Kenntnisse der pädagogischen Fachkräfte. Über die Hälfte aller Eltern wünschte sich mehr heilpädagogisches Wissen und interdisziplinäre Kooperation der pädagogischen Fachkräfte, 60 % der Eltern schwer behinderter Kinder mehr Interesse der Fachkräfte an einer wirklichen Integration ihrer Kinder. Immerhin 55 % der Eltern behinderter Kinder waren der Meinung, Kinder mit Behinderungen kommen in der Gruppe zu kurz, 36 % glaubten, dass sie in einer Sonderkindertagesstätte eine bessere Förderung erhielten. Diese Ergebnisse machen es auch verständlich, dass sich ein Teil der Eltern von Kindern mit Behinderungen weiterhin für die Anmeldung in einer Sondereinrichtung entscheidet, wenn sie eine Wahlmöglichkeit zwischen einer Sondereinrichtung und einer inklusiven Kita haben.
Rafferty, Boettcher und Griffin (2001) befragten 244 Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung zu ihren Erfahrungen mit der integrativen Einrichtung, die ihr Kind besuchte. Es handelte sich jeweils um Gruppen, in die mehr Kinder mit als ohne Behinderung aufgenommen wurden (»umgekehrte Integration«). Die weit überwiegende Mehrheit in beiden Elterngruppen sah potenzielle Vorteile in der Integration behinderter Kinder. Dabei unterschieden sich die Eltern behinderter und nicht behinderter Kinder nicht in ihrer Einschätzung. Ein relativ großer Teil der Eltern aus beiden Teilgruppen nannte jedoch auch potenzielle Risiken (
Tab. 2 Tab. 2: Prozentuale Zustimmung zu möglichen Vorteilen und Risiken der Integration für behinderte Kinder (Daten aus Rafferty et al., 2001) VorteileZustimmung von Eltern Die Eltern der Kinder ohne Entwicklungsstörung betonten zwar die Chance, dass ihr Kind Sensibilität für unterschiedliche Fähigkeiten und Handicaps anderer Kinder entwickelt, • 68 % hatten aber Sorge, dass ihr Kind durch ungewöhnliches Verhalten behinderter Kinder verschreckt werden könnte, • 38 %, dass es sich unerwünschte Gewohnheiten von ihnen abschauen könnte, und • 30 %, dass die Anwesenheit behinderter Kinder in der Gruppe dazu führen könnte, dass ihr eigenes Kind langsamere Lernfortschritte macht, weil es von den Fachkräften dann weniger Bildungsanregungen erhalten könne. Die Einstellung zur Aufnahme behinderter Kinder in der Gruppe variierte auch in dieser Studie mit der jeweiligen Behinderungsform: • 80 % oder mehr befürworteten die Aufnahme von Kindern mit Sprachstörungen oder Sinnesschädigungen, • jedoch nur 41 % sprachen sich für die Aufnahme autistischer Kinder, • 35 % für die Aufnahme geistig behinderter Kinder und • 22 % für die Aufnahme schwer behinderter Kinder in die Gruppe aus.
).
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