Eine weitere Orientierungshilfe liefert eine Studie von Wölffl, Wertfein und Wirts (2017), an der sich die Leitungen von 2823 Kindertagesstätten in Bayern beteiligten. In 60 % der Einrichtungen wurden Kinder mit Behinderungen im Sinne der Einzelintegration betreut, 35 % in integrativen Gruppen. Fast 90 % der Einrichtungsleiterinnen gaben auch in dieser Befragung an, dass in ihrer Einrichtung ein oder mehrere Kinder mit Verhaltensstörungen und/oder allgemeiner Entwicklungsverzögerung betreut werden. Dies stellte die häufigste Form des Unterstützungsbedarfs dar. Dabei handelte es sich vorwiegend um integrative Gruppen. Der Anteil von Kindern mit Sprachbehinderung, Körperbehinderung, geistiger Behinderung, Hör- oder Sehbehinderung war wesentlich kleiner. Er variierte zwischen 12 % und 32 % (
Abb. 1 Abb. 1: Diagnostizierte Behinderungen im Vorschulalter nach Angabe der Leitungen von inklusiven KiTas (N = 788; Daten aus Wölfl et al., 2017) Das Ziel ist dabei, die Beteiligung von allen Kindern mit unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen zu gewährleisten und ihre soziale Interaktion zu fördern. Fördermaßnahmen müssen in die natürliche Umwelt des Kindes integriert werden, gezielte Interventionen zum Teil der allgemeinen pädagogischen Prozesse im Kindergarten werden. Elementarpädagogische Fachkräfte müssen sich auf den Hilfebedarf der Kinder einstellen, indem sie sich zusätzliche fachliche Kompetenzen aneignen und Kooperationsbeziehungen mit Sonderpädagoginnen/-pädagogen und Therapeutinnen/Therapeuten eingehen. Das erfordert Teamarbeit und eine Qualifizierungsbereitschaft der Fachkräfte durch individuelle Fortbildung. Um die Bedeutung dieser umfassenden Veränderungen in Arbeitsstrukturen und pädagogischen Prozessen deutlich zu machen, wird in diesem Text am Begriff der »sozialen Integration« als aktivem pädagogischen Handeln festgehalten. Ihr Ziel ist ein inklusives System, in dem alle Beteiligten darauf vorbereitet sind, den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden. Als Grundlage für diese Arbeit werden in diesem Band folgende Fragen beantwortet: • Ist eine solche gemeinsame Betreuung für Kinder mit allen Formen und Schweregraden der Behinderung von Vorteil (vgl. Kap. 2)? • Welche pädagogischen Kompetenzen benötigen die Fachkräfte, um soziale Kontakte zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern systematisch fördern und soziale Teilhabe gelingen zu lassen (vgl. Kap. 3)? • Wie können behinderungsspezifische Hilfen in den Alltag integriert werden (vgl. Kap. 4)? • Wie können die pädagogischen Fachkräfte mit anderen Einrichtungen (vor allem Frühförderstellen) zusammenarbeiten, um sonderpädagogische Unterstützung zu erhalten (vgl. Kap. 5)? • Welche Qualitätsmaßstäbe müssen an Kindertageseinrichtungen gestellt werden, um günstige Voraussetzungen für das Gelingen sozialer Integration zu bieten (vgl. Kap. 6)?
). Je nach Art der Behinderung müssen sich die Fachkräfte somit auf sehr unterschiedliche Bedürfnisse der Kinder einstellen.
Abb. 1: Diagnostizierte Behinderungen im Vorschulalter nach Angabe der Leitungen von inklusiven KiTas (N = 788; Daten aus Wölfl et al., 2017)
Das Ziel ist dabei, die Beteiligung von allen Kindern mit unterschiedlichen Entwicklungsvoraussetzungen zu gewährleisten und ihre soziale Interaktion zu fördern. Fördermaßnahmen müssen in die natürliche Umwelt des Kindes integriert werden, gezielte Interventionen zum Teil der allgemeinen pädagogischen Prozesse im Kindergarten werden. Elementarpädagogische Fachkräfte müssen sich auf den Hilfebedarf der Kinder einstellen, indem sie sich zusätzliche fachliche Kompetenzen aneignen und Kooperationsbeziehungen mit Sonderpädagoginnen/-pädagogen und Therapeutinnen/Therapeuten eingehen. Das erfordert Teamarbeit und eine Qualifizierungsbereitschaft der Fachkräfte durch individuelle Fortbildung.
Um die Bedeutung dieser umfassenden Veränderungen in Arbeitsstrukturen und pädagogischen Prozessen deutlich zu machen, wird in diesem Text am Begriff der »sozialen Integration« als aktivem pädagogischen Handeln festgehalten. Ihr Ziel ist ein inklusives System, in dem alle Beteiligten darauf vorbereitet sind, den Bedürfnissen aller Kinder gerecht zu werden. Als Grundlage für diese Arbeit werden in diesem Band folgende Fragen beantwortet:
• Ist eine solche gemeinsame Betreuung für Kinder mit allen Formen und Schweregraden der Behinderung von Vorteil (vgl. Kap. 2)?
• Welche pädagogischen Kompetenzen benötigen die Fachkräfte, um soziale Kontakte zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern systematisch fördern und soziale Teilhabe gelingen zu lassen (vgl. Kap. 3)?
• Wie können behinderungsspezifische Hilfen in den Alltag integriert werden (vgl. Kap. 4)?
• Wie können die pädagogischen Fachkräfte mit anderen Einrichtungen (vor allem Frühförderstellen) zusammenarbeiten, um sonderpädagogische Unterstützung zu erhalten (vgl. Kap. 5)?
• Welche Qualitätsmaßstäbe müssen an Kindertageseinrichtungen gestellt werden, um günstige Voraussetzungen für das Gelingen sozialer Integration zu bieten (vgl. Kap. 6)?
1.3 Einstellungen von Erziehern, Eltern und Kindern
Um die verschiedenen Elemente einordnen zu können, die zum Gelingen sozialer Integration beitragen, ist es zunächst einmal wichtig, als Ausgangslage zu betrachten, welche Einstellungen und Erwartungen pädagogische Fachkräfte, Eltern und Kinder für die Entwicklung gemeinsamer Betreuungsformen mitbringen. Befragungen von pädagogischen Fachkräften, die von sich aus einen Arbeitsplatz in einer integrativen Einrichtung gewählt haben, zeigen eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber der Integration behinderter Kinder. Sie sehen überwiegend positive Effekte auf die Motivation und die Aktivität behinderter Kinder, äußern sich zuversichtlich, den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden zu können und sind oft für die integrative Arbeit über das organisatorisch notwendige Mindestmaß hinaus motiviert.
1.3.1 Unterschiedliche Beurteilung von Integrationschancen je nach Art der Behinderung
Der positive erste Eindruck relativiert sich aber bei genauerer Betrachtung. Bereits Miedaner (1987) stellte fest, dass die Chancen einer sozialen Integration je nach Behinderungsform unterschiedlich eingeschätzt werden.
• So wird die Integration von Kindern mit Körper- oder Sprachbehinderung als relativ problemlos angesehen.
• Auch blinde Kinder werden – wenn keine zusätzlichen Behinderungen vorliegen – relativ oft in integrative Gruppen oder Regeleinrichtungen aufgenommen.
• Bei gehörlosen Kindern hängt die Aufnahme primär vom Grad der erreichten (Laut-)Sprachfähigkeit ab und wird skeptisch betrachtet, wenn die Kinder auf Gebärden angewiesen sind.
• Bei Kindern mit geistiger Behinderung sehen viele pädagogische Fachkräfte größere Probleme, sie an gemeinsamen Aktivitäten zu beteiligen. Bei ihnen sei der Bedarf an Anleitung durch Erwachsene besonders groß, damit es nicht zu einem bloßen Nebeneinander oder sozialer Ausgrenzung kommt. Bei ihnen fällt es den pädagogischen Fachkräften auch schwerer, angemessene Erwartungen an die kindliche Selbstständigkeit zu stellen; Probleme im Alltag führen häufiger zu der Haltung, das Kind gehöre eigentlich nicht hierher und die Bewältigung der Schwierigkeiten sei nicht Aufgabe der pädagogischen Fachkraft.
• Bei einer letzten Teilgruppe, den Kindern mit ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten fühlen sich die pädagogischen Fachkräfte am häufigsten überfordert.
Читать дальше