DR. BRIGITTE KALUZA
Die wissenschaftliche Grundlage
einer fast vergessenen Kunst
(Foto: Christiane Slawik)
REITEN NUR MIT SITZHILFENbasiert auf zwei Prinzipien – der gegenseitigen Übertragung von Körperschwingungen zwischen Pferd und Reiter und der gegenseitigen, meist unterbewusst erfolgenden Körperwahrnehmung. Entsprechend wird das Reiten mit Sitzhilfen traditionell auch unterbewusst erlernt, vorzugsweise im Kindesalter durch Üben auf einem als Lehrmeister wirkenden Pferd. Die moderne Naturwissenschaft kann jedoch erklären, wie Reiten nur mit Sitzhilfen funktioniert. Wer die Biomechanik der Körperschwingungen von Pferd und Reiter versteht, kann sich die Kommunikation über Körperwahrnehmung bewusst machen und so das Reiten in Bewegungssymbiose mit dem Pferd auch bewusst erlernen.
Haftungsausschluss
Autor und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.
Sicherheitstipps
In diesem Buch sind Reiter ohne splittersicheren Kopfschutz abgebildet. Dies ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Achten Sie beim Reiten bitte immer auf entsprechende Sicherheitsausrüstung: Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls eine Sicherheitsweste.
IMPRESSUM
Copyright © 2020 Cadmos Verlag GmbH, München
Covergestaltung: Gerlinde Gröll, www.cadmos.de
Layout und Satz: DAS AGENTURHAUS Werbe und Marketing GmbH
Coverillustration: Brigitte Kaluza
Illustrationen im Innenteil, wenn nicht anders angegeben:
DAS AGENTURHAUS Werbe und Marketing GmbH
Lektorat: Agnes Trosse
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar.
Alle Rechte vorbehalten.
Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.
ISBN: 978-3-8404-1088-8
eISBN: 978-3-8404-6479-9
Sonderedition Pferdebuchdiscount:
ISBN: 978-3-8404-8526-8
VORWORT
NEURONALE STEUERUNG
Das Orchester – Gangmuster-Schaltzentren erzeugen die Körperbewegung
Der Dirigent – das Kleinhirn
Der Komponist – die Großhirnrinde
Der Intendant – das limbische System
Teamarbeit
DIE BIOMECHANIK DES PFERDEKÖRPERS
Einfache Modelle – das Pferderücken-Skateboard
Beine: Federn und Pendel
Der Pferderücken – Hydraulik und Dominosteine
Kraftübertragung – Taumelachsen und Kardanwellen
Die Muskulatur – Motoren und Zündzeitpunkte
Gangarten
Die Rolle von Kopf und Hals in der Balance des Pferdes
Die Ganzkörperschwingung
Die Körperhaltung bestimmt den „Betriebszustand“ des Pferdes
Wendungen
Galopp und die natürliche Schiefe des Pferdes
(Foto: Christiane Slawik)
DIE BIOMECHANIK DES REITENDEN MENSCHEN
Das Grundprinzip des Reitens – Gehen zu Pferd
Eingehen auf die Pferdebewegung – dynamische Muskelspannung
Der Federungsmechanismus der menschlichen Wirbelsäule
Das Schwingungszentrum in der Körpermitte
Einwirken – das Pferderücken-Skateboard fahren
Orientierung im Raum für bewegte Reiter und der 1. Hauptsatz der Sitzhilfen
Der 2. Hauptsatz der Sitzhilfen und verschiedene Sitzweisen
Die Synchronisation des Reiters mit der Galoppbewegung
Wendungen reiten und der 3. Hauptsatz der Sitzhilfen
Sättel
Der Zaum – Kontrolle, Anlehnung oder Kommunikation?
GYMNASTIK FÜR DAS REITPFERD
Der Einfluss des Reiters auf die Ganzkörperschwingung des Pferdes
Takt und Dissoziation
Wendigkeit und Versammlung
Geraderichten und Seitengänge
REITEN UND REITLEHREN
Der Ursprung der Bewegungssymbiose: 5000 v. Chr. – 16. Jahrhundert
Die Entwicklung der Reitlehre in Europa: 16. – 18. Jahrhundert
Reittechnik und Reitsport im 19. und 20. Jahrhundert
Reiten im 21. Jahrhundert – die Zeit ist reif!
LITERATUR
(Zeichnung: Brigitte Kaluza)
Reiten funktioniert nach üblicher Vorstellung so, dass der Mensch auf dem Pferd sitzt und dessen Bewegungen durch Zügel- und Schenkelhilfen lenkt und kontrolliert. So wird Reiten heutzutage unterrichtet. Man kann auf diese Weise in der Tat lernen, wie man auf einem Pferd reitet. Man kann auch ein Pferd dazu ausbilden, auf Zügel- und Schenkelhilfen zu reagieren. Diese Reittechnik wird jedoch immer grobmotorisch wirken. In dieser Reitweise transportiert das Pferd den Reiter auf seinem Rücken und reagiert als dessen Befehlsempfänger.
Einige wenige Prozent der Reiter (oft diejenigen, die es als Kleinkinder gelernt haben) reiten jedoch ganz anders, ohne Schenkel und Zügelhilfen. Diese Reiter bewegen sich gemeinsam mit ihrem Pferd. In der Art, wie sich der Rumpf des Pferdes zwischen Sitz und Oberschenkeln des Reiters bewegt, steckt die gesamte Information über seine Bewegung, Gangart, Tempo, Richtung und Biegung. Aus der Art, wie der Reiter mit seinem Sitz und seinen Oberschenkeln das Pferd „umarmt“ und die Pferdebewegung entweder zulässt, mit seiner eigenen Rumpfmuskulatur verstärkt oder blockiert, erhält das Pferd eine direkte und verständliche Information über die Bewegungswünsche des Reiters. Zügel- oder Schenkelhilfen werden bei dieser Reittechnik nur eingesetzt, falls das Pferd ungehorsam ist, aber auf diese Weise gerittene Pferde reagieren so feinfühlig auf die Körperhaltung des Menschen, dass sie sich ganz ohne Schenkel- und Zügelhilfen in die komplexesten Dressurlektionen führen lassen.
Dieses „Reiten nur am Sitz“ ist erlernbar. Eine Methode zum Erlernen dieser Reitweise ist es, in möglichst frühem Kindesalter auf einem möglichst gut ausgebildeten Pferd die Grundlagen dieser Technik zu erfühlen und sich anschließend im Erwachsenenalter mit dem Repertoire der sinnvollen Lektionen zur Gymnastizierung von Pferden vertraut zu machen. Diese Methode hat eine jahrtausendealte Tradition. Die gesamte Reitliteratur der „alten Meister“ von Xenophon (400 v. Chr.) bis Guérinière (18. Jahrhundert) basiert auf diesem Konzept und setzt voraus, dass ein Reitschüler das „Reiten am Sitz“ auf einem ausgebildeten Pferd erfühlt hat und darauf aufbauend nun sinnvolle Lektionen zur Verfeinerung seiner Fertigkeiten und zur Gymnastizierung seines Pferdes erlernen will. Der überwiegenden Mehrheit der heutigen Reiter mangelt es jedoch an der Grundvoraussetzung, denn wer lernt heute noch das Reiten als Kind auf einem Pferd, das dazu ausgebildet wurde, fein auf den Reitersitz als einzige Hilfe zu reagieren?
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