Nur Mut kleiner Maulwurf
von
Matthias Langkau
Nur Mut kleiner Maulwurf
Text und Illustrationen von Matthias Langkau
Copyright: © 2015 Matthias Langkau
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-7450-2158-5
Nur wenn du siehst was du hast, erkennst du, was du verlieren kannst
(Tulugaq der Weiße)
Dunkelheit. Ringsherum herrschte Dunkelheit. Die Erde war trocken unter den Klauen. Lauschend bewegte Alfred seinen Kopf hin und her. Seine Zunge glitt über eine stattliche Anzahl von spitzen Reißzähnen und seine mächtigen Krallen gruben sich in den Boden.
Da vorne glitt etwas durch die Finsternis.
Es kam von der rechten Seite her auf ihn zu.
Seine Tasthaare vermittelten ihm jede Erschütterung, die durch seinen Gegner ausgelöst wurde.
Oh Mann. Das war ein Riesenbrocken, der sich da auf ihn zu bewegte. Endlich würde er sich mal ordentlich satt fressen können. Seiner Nase entging auch nicht die kleinste Duftnote. Sein Gegner war in bester Verfassung. Und lang, wirklich lang.
Vorsichtig, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu machen, duckte sich Alfred gegen die Tunnelwand und wartete geduldig auf den richtigen Moment.
Und da glitt sein Opfer heran. Mit einem gewaltigen Satz, der einem Panther alle Ehre gemacht hätte, sprang Alfred seinem Gegner auf den Rücken und blitzschnell verrichteten seine scharfen Zähne ihr Werk.
Und schon war der Kampf vorbei, bevor er überhaupt begonnen hatte. Sein Gegner hatte keine Chance gehabt.
Er war das perfekte Raubtier. Angepasst an die Dunkelheit und die Jagd unter der Erde. Hier war er das gefährlichste Raubtier. Hier war sein Reich.
Das Reich, des Maulwurfs.
In alle Seelenruhe verputze Alfred den Regenwurm, und schon nach wenigen Minuten war er damit fertig.
„Hmmm“, das war lecker. Jetzt hatte sein Magen erst mal für ein paar Tage etwas zu tun.
Sanft streichelte Alfred sein, nun ziemlich rundes, Bäuchlein und putzte sich seine Barthaare und die kleine Schnauze.
Aber ihr kennt ja Alfred noch gar nicht, nicht wahr?
Also, Alfred ist ein Maulwurf. Ein ganz gewöhnlicher Maulwurf, so wie jeder andere Maulwurf auch. Alfred ist noch sehr jung. Seinen Papa hatte er leider nie kennen gelernt. Den hat sich das Wiesel geholt, kurz nach Alfreds Geburt. Und seine Mama, nun wie soll ich euch das erklären. Seine Mama hatte das große Unglück, einem von diesen riesigen Monstern über den Weg zu laufen. Die kennt ihr doch bestimmt auch, laufen auf zwei Beinen, sind riesengroß und machen einen Heidenlärm. Besonders ihre gefräßigen Maschinen.
Damit zerschnippseln sie immer das Gras und walzen die schönen Maulwurfshügel platt.
Nun ja, wie soll ich euch das schonend beibringen. Sagen wir es mal so, Mama Maulwurf hat unvernünftiger Weise einmal nachsehen wollen, wer über dem Esszimmer so ein Theater macht und da, war es auch schon passiert. Tja und darum musste sich der kleine Alfred bis heute alleine durchschlagen.
Aber dann hat er seine beste Freundin getroffen,
- Isabell!
Eine hübsche kleine Wühlmaus. Sie hatte zwar ihre Familie noch, aber da sie sehr unternehmungslustig war, stöberte sie am liebsten in der Gegend herum und so, stieß sie eines Tages auch auf einen der Gänge, die Alfred gegraben hatte.
Und an der nächsten Tunnelkreuzung, sind die zwei dann zusammen gerasselt.
„Oh, ‘schuldigung“, riefen Alfred und Isabell gleichzeitig und rieben sich die Köpfe.
„Alles in Ordnung bei dir“, fragte Isabell den kleinen Maulwurf und betrachtete ihn genauer.
„Kannst du nicht aufpassen“ schimpfte Alfred ungehalten. Sein Kopf tat ihm immer noch ein wenig weh.
„Was machst du überhaupt hier in meinem Tunnel und wer bist du eigentlich?“
Ein wenig pikiert über die Rüde Abfuhr, rümpfte Isabell die kleine Mäusenase und sagte: „Ich bin eine Wühlmaus! Das kann man doch sehen. Wenn du nicht so blindlings um die Ecke getapst wärst, hättest du mich ja kommen sehen können.“
Oh, oh, oh. Damit hatte sie Alfreds wunden Punkt erwischt.
„Erstens …“, knurrte er sie an, „ … ist das hier mein Tunnel. Hier kann ich rumtapsen, wie ich will! Und zweitens, bin ich blind! Ich bin ein Maulwurf, wie „Du“ sicherlich sehen kannst!“
Nun war Alfred richtig sauer und wollte sich verärgert umdrehen und brummend davon stampfen. Doch ein zaghaftes: „Es tut mir leid“, ließ ihn auf der Stelle verharren.
„Ich habe dich leider nicht kommen hören. Ich hatte da so ein Lied im Kopf und habe nicht auf den Weg geachtet“, erklärte Isabell und schaute Alfred entschuldigend an. Es tat ihr fürchterlich leid, dass sie dem kleinen Maulwurf vorgeworfen hatte er sei blind. Sie wusste schließlich, dass Maulwürfe so gut wie nichts sehen können.
Nun, wenn man unter der Erde lebt, braucht man keine guten Augen. Dort ist es eh immer dunkel. Sie selbst, als Wühlmaus war in beiden Welten zu hause. Über und unter der Erde. Darum musste sie gut sehen können. Aber sich über die Schwäche eines Anderen lustig zu machen, oder sie ihm gar vorzuwerfen, das war unverzeihlich.
Darum bat Isabell den kleinen Maulwurf auch so lange um Entschuldigung, bis er schließlich abwinkte und sagte: „Ist ja gut. Danke, für deine freundlichen Worte. Aber ich muss gestehen, ich war auch ganz in Gedanken versunken und habe selbst auch nicht auf den Weg geachtet.“
Da musste Isabell schmunzeln und lachte erleichtert auf. Alfred stimmte in ihr fröhliches Lachen ein. Isabell entschuldigte sich auch noch einmal dafür, einfach in seinen Gängen herum spaziert zu sein und Alfred winkte nur ab und meinte: „Das ist doch nicht so schlimm. Ich war halt nur so überrascht.“ Sie einigten sich darauf, in Zukunft höflich zu fragen, wenn sie in den Tunneln des Anderen spazieren gehen wollten. Dann verabschiedeten sie sich und gingen ihrer Wege.
Von nun an, passierte es immer wieder, dass Isabell und Alfred sich über den Weg liefen.
Zwar rannten sie nicht mehr blindlings ineinander, denn ihre erste Begegnung hatte dafür gesorgt, dass sie sich aufmerksamer in den Gängen bewegten. Aber immer wieder, standen sie sich ganz unversehens gegenüber. Bis sie schließlich anfingen, sich zu verabreden.
Und so machten sie immer öfter gemeinsame Erkundungstouren unter der Erde. Manchmal halfen sie sich auch gegenseitig, ihre Tunnel auszubessern. Denn die unterirdischen Gänge brauchen viel Pflege und ständig musste man Erde und Steine aus dem Weg räumen.
Manchmal verabredeten sie sich auch einfach nur zum Essen.
Jeder brachte etwas Köstliches zu futtern mit und ein ordentlicher Schluck zu trinken durfte auch nicht fehlen. Erst letztens, hatten sich beide im großen Südtunnel zu einem Picknick verabredet. Dort roch es so herrlich nach Wurzeln und Erde. Die Wühlmaus liebte den Platz so sehr, weil er von der Morgensonne beschienen wurde und die Sonnenstrahlen durch einige Erdritzen in den Tunnel drangen.
Außerdem sorgte die Wärme der Sonnenstrahlen dafür, dass die Staubpartikel so wunderschön in der Luft tanzten. Das alles wusste der kleine Maulwurf nicht, und als Isabell, die Wühlmaus, ihm davon erzählte, wurde er ganz traurig.
„Bitte sei nicht traurig“, bat sie den Maulwurf.
„Du kannst doch nichts dafür, dass du die Sonne nicht sehen kannst.
Weißt du was“, schlug sie Alfred vor: „… ich beschreibe dir genau, wie die Sonnenstrahlen den Staub tanzen lassen.“
Und so gab sich Isabell die größte Mühe, dem kleinen Maulwurf die wundersame Kraft der Sonnenstrahlen zu schildern. In den buntesten Bildern beschrieb sie die Wärme, die wie ein sanftes Streicheln auf dem Pelz war.
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