Im Nebenraum erhoben sich nach dem Verdauungsschnäpschen die gedungenen Gäste, die jedoch gar nicht so gedungen waren, sondern die schlimmsten Feinde von allen zusammen, ob von Dalísten, Pomianern oder Futuristen und allen die gerne kochten und speisten. Es waren die getarnten Gastrokritiker Peter Schwan-Hofgarten, Jean-Baptiste Andouille, Gesine Goodfry Gigott und Jakob Schaelribb, die für diverse Gazetten und Postillen gar zu gerne Verrisse schrieben, nachdem sie kostenfrei und gar nicht mal schlecht gespeist hatten, und die höchstens dann und wann gönnerhaft ein paar Empfehlungen wie Brosamen fallen ließen. Und heute hatten sie zur Krönung einen kulinarischen Krieg angezettelt. Man würde noch davon hören oder vielmehr schmecken. Und nun zu Tisch. Bon Appétit.
Kai Riedemann – Das Kreuz mit den Neuroparasiten bei der Bundestagswahl 2025
Nicht drängeln, meine Damen und Herren, es ist noch genug Zeit zum Wählen. Zeigen Sie uns einfach Ihre Toxoplasma-Unbedenklichkeits-Bescheinigung vor, und schon kann es losgehen. Wie bitte? Noch nie davon gehört? Da haben Sie wohl Ihre Wahlbenachrichtigung nicht gründlich gelesen. Hier steht’s: Bitte bringen Sie zur Wahl diese Wahlkarte, einen gültigen Personalausweis und das ärztliche Attest mit.
Wer Toxoplasma-infiziert ist, darf bei der Bundestagswahl 2025 kein Kreuz machen. Und das ist auch gut so. Neue wissenschaftliche Studien zeigen nämlich, dass die winzigen Neuroparasiten für das Wahlchaos überall auf der Welt verantwortlich sind.
Die Parasiten dringen unbemerkt in unseren Körper ein und programmieren das Gehirn um. Wie sich das auswirkt, zeigt am besten das Beispiel der Maus. Infizierte Mäuse verändern ihr Verhalten. Sie haben plötzlich keine Angst mehr vor Katzen. Im Gegenteil: Sie finden Katzen sogar höchst attraktiv. Meine Damen und Herren, Sie können sich die dramatischen Folgen sicherlich vorstellen. Der infizierte kleine Nager läuft seinem Erzfeind nahezu beglückt direkt ins Maul. Haps. Das war’s.
Bei Menschen ist das ähnlich. Studien an der Karls-Universität Prag zeigen, dass Infizierte plötzlich viel mehr Risikobereitschaft zeigen. Sie wagen sich öfter in gefährliche Situationen, neigen mehr zum Selbstmord, finden es sogar toll, gequält zu werden. Jetzt wird Ihnen hoffentlich klar, warum Radfahrer nachts ohne Licht bei Rot über Kreuzungen rasen. Und Millionen Deutsche ekelerregt zuschauen, wenn Toxoplasma-Infizierte im Fernsehen rufen: »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!«
Na? Dämmert es Ihnen? Genau hier kommt die Sache mit den Wahlen ins Spiel. Warum haben damals so viele Amerikaner Donald Trump gewählt? Toxoplasma! Warum lassen sich weltweit so viele Menschen gerne von egomanen Alleinherrschern regieren? Toxoplasma!
Vor allem Katzen gelten als Überträger. Experten schätzen, dass ein Drittel der Weltbevölkerung von Toxoplasma gondii befallen ist. In Deutschland sind es fünfzig Prozent, bei den über Fünfzigjährigen sogar siebzig Prozent. Das erklärt einiges oder? Stellen Sie sich vor: Arbeitslose wählen plötzlich die FDP, Unternehmer die Linken. Und Asylbewerber treten in die AfD ein. Wie gesagt: die Maus und die Katze. Haps.
Um das zu vermeiden, dürfen ab sofort nur noch Bürger mit einer Toxoplasma-Unbedenklichkeits-Bescheinigung wählen. Wir lassen uns unsere schöne Demokratie doch nicht von Neuroparasiten kaputtmachen. Nein, Amerika darf da kein Vorbild sein!
Also machen Sie sich schon mal frei. Nein, nein, der rechte Arm reicht. Sie da hinten können die Hose ruhig wieder anziehen. Wir brauchen nämlich einfach nur eine Blutprobe. In spätestens einer Stunde sollten die Ergebnisse vorliegen und Sie können im Idealfall gleich in die Wahlkabine.
Ach, und falls Sie jetzt denken, die spinnen, die Wahlhelfer, dann empfehle ich Ihnen das Buch von Monika Niehaus über Psycho-Trojaner. Damit Sie endlich verstehen, was wirklich in der Welt los ist.
Frank G. Gerigk – Der Drachenkrug des Po-Tse
Einst geschah einst ein besonderes Ereignis während der Herrschaft der Sòngcháo unweit des Dorfes Jianci, im Kreis Quyang in der Provinz Héběi, die man auch Jì nennt. In dieser Gegend wurden die besten Tonwaren der bekannten Reiche hergestellt; viele davon so delikat und auserlesen, dass sie weit über die Lande bekannt wurden. So kam es über die Zeiten, dass die Kaiser ihren Tee ausschließlich aus Tassen aus Quyang genossen, und alle Gouverneure und Minister es ihnen gleichtun wollten. So erfreute sich die Gegend eines gewissen Wohlstands.
Der alte Meister Po-Tse, dessen kleine Manufaktur etwas abseits des Dorfes lag und in höchsten Ehren stand, hatte diese von seinem Vater übernommen, welchem man den Ehrentitel Kannenbäcker verliehen hatte, und von diesem all das gelernt, was man in seinem Beruf wissen konnte. Der Kannenbäcker war sehr alt geworden, man sagte über einhundert Jahre, und so kam es, dass Po-Tse, der sich um alles gekümmert hatte, zu der Zeit, als er das Geschäft übergeben bekam, selbst schon graue Haare hatte. Erst zu diesem Zeitpunkt jedoch wollte er sich um eine eigene Familie kümmern.
Po-Tses großes Glück war leider nicht von langer Dauer, denn nach nur einem Jahr schon verlor er seine Frau: Als sie dereinst im Reisfeld unversehens mit ihrem ersten Kind niederkam, einem wunderschönen Mädchen, ward sie darauf nie wieder gesehen. Po-Tse verfiel daraufhin lange in Schwermut und dem Reiswein Huangjiu . Das Mädchen hieß Néng, wurde von einer Amme genährt und verblieb die ersten sieben Jahre im Haushalt einer Cousine. Dann zog es bei seinem Vater ein, der sich liebevoll um sie kümmerte. Nach und nach hatte das Töchterchen indessen zunächst den Haushalt übernommen und gelernt, die Weinkrüge vor ihrem Vater zu verstecken. Und mit den Jahren erlernte sie auch die Geheimnisse der Herstellung des feinsten Porzellans, dem sie fortan eine Andeutung von Eleganz versah. Die Manufaktur ihres Vaters und der Handel erblühten daraufhin erneut.
Da wurde der Gouverneur Yang Yúchun auf ihn aufmerksam. Yang war ein grober Klotz, sowohl von Statur und auch vom Geiste. Seine Soldaten waren gefürchtet, und so musste Po-Tse ihm einen Sonderpreis gewähren. Er bekam den Auftrag, einhundert Krüglein zu formen – einander so identisch, dass sie nicht voneinander zu unterscheiden wären. Dies würde Po-Tses komplette Meisterschaft erfordern – immerhin wäre die Entlohnung, wenngleich auch nicht den Marktpreisen entsprechend, immer noch hoch genug, dass er sich seinen Lieblings-Reiswein aus Shaoxing, Huādiāojiu, würde leisten können. Po-Tse arbeitete wie besessen, dass die Krüglein auch unter allen Umständen identisch produziert und gebrannt würden – doch am Tag des Brands schlief er, vom Reiswein zusätzlich ermüdet, vor dem Brennofen Dìng yáo ein und verpasste die entscheidenden Augenblicke. So kam es, als ein Prüfer des Gouverneurs vorbei kam, dass alle Krüglein zersprangen.
Po-Tse warf sich in den Schmutz und flehte um sein Leben. Es wurde angeordnet, dass er nun einhundertundzwanzig Krüglein an einem bestimmten Tag zu liefern hätte. Wieder arbeitete er wie besessen, Tag und Nacht, und alle Angestellten ebenfalls. Am Tag des Brandes allerdings drohte ein Unwetter. Po-Tse wusste, dass er unter diesen Umständen kaum seine Arbeit fortsetzen könnte – da tauchten zwei Soldaten des Gouverneurs auf, um ihn an sein Versprechen zu erinnern. Po-Tse, in seiner Verzweiflung, hoffte auf das Wunder, dass die Wolken Jianci verschonen würden, und ließ den Brand beginnen. Das Unwetter jedoch riss das Dach der Werkstatt fort und drückte das Feuer nieder. Nicht eines der Krüglein gelang.
Dem Gouverneur Yang Yúchun blieb, um sein Gesicht nicht zu verlieren, nichts anderes übrig, als Po-Tse in seine Hauptstadt Baodìng shì bringen zu lassen und ihn dort in das Gefängnis zu werfen.
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