Robert Silverberg - Der Held des Universums

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Robert Silverberg

Der Held des Universums

Man bezeichnet John Murchison heute als einen der großen Helden des Universums — einen tapferen Mann, der sein Leben aus freien Stücken dem Wohl und der Sicherheit seines Schiffes opferte. Er erwarb sich diesen Ruhm, der ihm im Tode Unsterblichkeit verlieh, auf dem Rückweg von Shaula II.

Eines daran stimmt nicht. Er war tapfer, aber er handelte nicht aus freien Stücken. Er war nicht der Typ von Mensch, der sich selbst opfert. Ich neige zu der Ansicht, daß es Mord — oder vielleicht sogar Exekution — sozusagen per Fernsteuerung war.

Ich schätze, Raumschiffsbesatzungen werden willkürlich ausgewählt — vielleicht, indem sie ein paar Karten aus dem großen E-Rechner nehmen und sie ans Dach vom Raumbüro werfen. Diejenigen, die kleben bleiben, werden ausgesucht. Wenigstens wäre dies die einzige plausible Erklärung dafür, wieso ein Mann wie Murchison überhaupt nach Shaula II geschickt werden konnte.

* * *

Murchison war hochgewachsen und stiernackig und hatte grobgeschnittene Gesichtszüge — ein Raumfahrer, wie es ihn eigentlich nur in den Abenteuerromanen für die Jugend gibt — und andere hatte Murchison bestimmt auch nie gelesen. Trotzdem war er unser Leitender Signaloffizier.

Irgendwie hatte er sich ungeheures technisches Wissen auf seinem Spezialgebiet angeeignet — es gab kein Fernmeldegerät irgendwelcher Art, das er nicht meisterhaft zu bedienen verstand. Aber mit diesem Geschick paarte sich ein Jähzorn, der manchmal zu scheinbar völlig unmotivierter Wut aufflammte — was ihn zu einem Risiko ersten Ranges auf einem Planeten wie Shaula II machte.

Sie werden zugeben, daß das nicht gerade ein idealer Mensch ist, um ihn auf einen Planeten zu schicken, über dessen Einwohner im Außerirdischen Katalog steht, daß sie „weise, etwas weltfremd, ungemein sanftmütig und sehr leicht auszunutzen sind. Die Shaulaner müssen daher mit besonderer Geduld und Zurückhaltung behandelt werden, und man sollte ihnen den Respekt erweisen, der einer der ältesten Rassen der Galaxis zukommt.“

Ich war noch nie auf Shaula II gewesen, aber ich machte mir eine recht deutliche Vorstellung von seinen Bewohnern: melancholische, alte Männer, die den Urgründen des Universums und dem Wesen aller Dinge nachgrübelten, und die der erste laute Schrei tot umfallen lassen würde.

So war ich höchst überrascht, als ich mich in die Dienstliste der Felicific eintrug und über meinem Friedrich Wilhelm den hingekritzelten Namen Murchison, John F., Leitender Signaloffizier sah.

Ich setzte meinen Namen ein — Loeb, Ernest T., Zweiter Offizier — nahm meinen Vorschuß in Empfang und ging etwas benommen hinaus. Ich erinnerte mich noch gut an den Tag, an dem ich gesehen hatte, wie Murchison, John F. einen denebolischen Froschmann nach Strich und Faden verdroschen hatte, ohne irgendeinen Grund dafür zu haben.

„Der ewige Regen hier geht mir auf die Nerven“, war die einzige Erklärung, die Murchison dafür abzugeben bereit gewesen war. DerFroschmann kam mit dem Leben davon, und unser Freund bekam einen dicken Minuspunkt in seine psychologische Beurteilung.

Und jetzt flog er nach Shaula. Nun, meinetwegen — aber mein Vertrauen in die Unfehlbarkeit des Elektronenrechners, der die Mannschaften der Raumschiffe zusammenstellt, war jedenfalls schwer erschüttert.

Unser Flug war die vierte oder fünfte Expedition nach Shaula II. Der Planet — der zweite von sieben, der um den hellsten Stern im Schweif des Skorpions kreist — war klein, aber von großer strategischer Wichtigkeit als Vorposten für diesen Sektor der Galaxis.

Die Eingeborenen hatten gegen unser Eindringen nichts einzuwenden gehabt, und so war hier ohne besondere Schwierigkeiten ein Stützpunkt der Raummarine entstanden.

Die Felicific war eines der üblichen Hyper-Konversionsschiffe und trug sechsunddreißig Mann. Die eigentliche Mannschaft bestand aus acht Mann, dazu kamen achtundzwanzig Marinesoldaten, die zur Ablösung der augenblicklichen Besatzung des Stützpunktes hinausflogen.

Wir starteten am 3. Juli 2530, einem wunderschönen Sommertag, konvertierten von Ionen- auf Hyperantrieb, sobald wir das Sonnensystem hinter uns hatten und fielen drei Wochen später und zweihundert Lichtjahre entfernt wieder in den Normalraum zurück. Alles in allem ein reiner Routineflug.

Ein Schiff mit Hyper-Konversionsmotor ist sowohl für kurze als auch für lange Strecken ausgerüstet. Die langen werden mit Hyperraumsprung erledigt, die kurzen mit dem guten alten Ionenmotor. Das funktioniert ganz gut, und das zusätzliche Gewicht für die zweite Maschine wird durch den Zeitgewinn und die leichtere Manövrierbarkeit spielend hereingebracht.

Der Hyperflug der Reise war vorauskalkuliert — hier gab es also keinen Ärger. Aber als wir etwa ein halbes Lichtjahr vor Shaula in den Normalraum zurückfielen, kam der menschliche Faktor ins Spiel — und das bedeutete natürlich Murchison.

Es war seine Aufgabe, die verschiedenen Meßorgane zu überwachen, die als die Augen des Schiffes fungierten, sicherzustellen, daß die Massendetektoren funktionierten und die Fernmeldeanlagen zwischen Navigator, Kapitän und Maschinenraum in Schuß zu halten. Kurz, er war der Mann, der es uns überhaupt ermöglichte, zu landen.

Als die Zeit für die Landung kam, rief Kapitän Knight mich an und befahl mir, die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen.

Natürlich verständigte ich zuerst Murchison — schließlich war er Leitender Signaloffizier.

„Mhm“, brummte er.

„Zweiter Offizier Loeb. Fertigmachen zur Landung. Navigator Heinrichs wartet auf Ihren Anruf.“

Eine kurze Pause folgte, und dann: „Ich habe gerade keine Lust, Loeb.“

Ich klappte die Augen zu, hielt den Atem an und zählte in Gedanken bis zehn. Dann sagte ich: „Würden Sie das bitte noch einmal sagen, Mr. Murchison?“

„Zum Teufel, Loeb, ich habe gerade zu tun. Warum wollen Sie jetzt landen?“

„Ich mache den Dienstplan nicht“, sagte ich.

„Wer zum Teufel dann? Sagen Sie ihm, daß ich keine Zeit habe.“

„Warum?“

„Weil ich keine Lust habe. Gehen Sie aus der Leitung, dann rufe ich Henrichs an.“

Ich knurrte und schaltete ab. Er hatte mich auf den Arm genommen. Murchison hatte wieder einmal Schwierigkeiten gemacht, weil ihm das einfach Spaß machte. Und einmal würde der Tag kommen, wo er sich überhaupt weigern würde, die Landung durchzuführen. Und das wird der Tag sein, schwor ich mir, an dem wir ihn in eine Kiste verpacken und zum Abfallschacht hinausschieben würden.

Murchison verstand sein Handwerk und tat seine Arbeit ausgezeichnet — wenn er Lust hatte. Und wenn er glaubte, daß ihm das etwas einbrachte. Er tat nie etwas gegen seinen Willen, und wenn er keine Lust hatte, tat er es überhaupt nicht. Es war unmöglich, ihn zu etwas zu zwingen.

Dummerweise duldeten wir das. Aber eines Tages würde er einen Kapitän haben, der kein Verständnis für ihn aufbrachte, und dann würde er ein Verfahren wegen Meuterei am Halse haben. Aber hoffentlich kam es nie so weit. Die Strafe für Meuterei im Weltraum ist immer noch die gleiche — der Tod.

* * *

Unter Murchisons gnädig gewährter Hilfe nahmen wir Kurs auf den Planeten Shaula II, der sich gerade im Perihel befand und gingen auf Zielbahn. Murchison arbeitete wie ein Berserker in seiner kleinen Zelle. Wenn er dazu gestimmt war, konnte er ein ausgezeichneter Signalgast sein.

Etwas später am selben Tag hing Shaula II wie eine rote Kugel vor uns — nahe genug, daß man die drei Kontinente und den großen Kohlenwasserstoffozean sehen konnte, der sie umspülte.

Der terranische Stützpunkt auf dem dritten Kontinent sandte uns einen Peilstrahl. Murchison ortete ihn und gab ihn über das E-Gehirn an Heinrichs weiter, der zur Landung ansetzte.

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