Er lachte. »Nein, aber vielleicht wäre das noch eine Möglichkeit. Ich ließ mich als Hüter ausbilden, fand jedoch keine Erfüllung in dieser Aufgabe. Als Umi Hilfe brauchte, dachte ich: Warum nicht? Und es macht mir tatsächlich unglaublichen Spaß. Doch wer weiß, womöglich reicht mir das noch immer nicht, dann werde ich ernsthaft darüber nachdenken. Ich möchte meine Bestimmung finden, ist das so verkehrt?« Er betrachtete mich wieder, als wäre ich ein Objekt. Seufzend zuckte ich mit den Schultern. »Worin findest du deine Erfüllung?«, fragte er plötzlich.
Ich lächelte kalt. »Beim Töten«, antwortete ich und hielt seinen Blick fest. Mit Absicht ließ ich meine Stimme herausfordernd klingen und seine Reaktion verschaffte mir eine gewisse Genugtuung. Ich sah ganz deutlich, dass er nicht recht wusste, ob meine Antwort tatsächlich ernst gemeint war und schmunzelte in mich hinein. Schließlich war es genau das, was ich damit erreichen wollte.
»Und wen tötest du so?«, fragte er provokativ zurück. So hatte ich mir das natürlich nicht vorgestellt. Ich hatte ihn schon wieder unterschätzt.
»Abschaum«, antwortete ich sachlich und stellte den Besen in die Ecke. »Wollen wir? Wir dürfen doch den großen Anführer nicht warten lassen«, höhnte ich herablassend und marschierte einfach an ihm vorbei.
»Warum bist du so?«, fragte er und ich seufzte erneut.
»Warum bist du so?«, stellte ich die Gegenfrage, sah ihn jedoch nicht an.
»Wie bin ich denn?«, hakte er belustigt nach.
Ich blieb stehen und blickte ihm fest in die Augen. »Gib es auf Mael. Ich bin nicht zu retten, gleichgültig was du versuchst. Ich bin weder nett noch sympathisch. Ich bin niemandes Freund und will es gar nicht sein. Es ist vergebliche Mühe, also spare sie dir.« Resigniert schüttelte ich den Kopf. In seinem Blick sah ich es ganz deutlich: Er würde nicht aufgeben. »Warum nur?«, fragte ich genervt und ging weiter.
Er grinste, sichtbar zufrieden, während er wieder zu mir aufschloss. »Du reizt mich. Vielleicht sollte ich tatsächlich noch einmal umschulen«, entgegnete er lachend und öffnete mir die Tür zu Kiljans Arbeitszimmer.
»Tu, was du nicht lassen kannst, doch ich empfehle dir dringend, dir ein anderes Versuchsobjekt zu suchen, sonst werde ich dir irgendwann wehtun müssen.« Meine Worte brachten ihn nur noch mehr zum Lachen. Frustriert verdrehte ich die Augen. Kiljan beobachtete uns schweigend. Sein seltsamer Blick steigerte meine Wut. Ich salutierte vor ihm, fand es irgendwie passend. »Melde mich zum Rapport, Sir«, rief ich. Er zuckte zusammen, Mael aber lachte erneut, eindeutig provozierend. Gereizt holte ich aus und schlug zu, traf jedoch nicht. Blitzschnell packte er meinen Arm und hielt ihn grinsend fest. Aufmerksam musterten wir einander, bis er mich langsam losließ. Ehrlich beeindruckt wandte ich mich von ihm ab und sah Kiljan an. Er hatte all das stirnrunzelnd verfolgt.
»Setzt euch.« Es gelang ihm nicht, seinen verärgerten Tonfall vollkommen zu verbergen. Ich bemerkte Maels resigniertes Kopfschütteln und seufzte innerlich. Dunkelelben würde ich wohl nie verstehen.
»Wo kommst du her, Sam?«, fragte Kiljan unumwunden. Ich betrachtete ihn, antwortete jedoch nicht. »Du musst uns schon ein bisschen was über dich erzählen, wenn du möchtest, dass wir dir vertrauen«, fuhr er ungehalten fort.
»Die Kleinen leben alle noch, oder nicht? Ich habe um niemandes Vertrauen gebeten. Ich bin nur Jul zuliebe noch hier.« Mit wütend funkelnden Augen hielt ich seinem Blick stand.
»Wieso bist du allein unterwegs? Wir sind ein Volk, das die Nähe seiner Clanmitglieder braucht. Warum ist das bei dir anders?«, fragte er herausfordernd.
»Ich bin schon sehr lange allein. Es macht mir nichts aus, und ich vertraue nur mir selbst«, antwortete ich ehrlich.
Sichtbar verärgert presste er die Lippen aufeinander. Auch diese Antwort gefiel ihm nicht. Das war mir bereits klar, bevor ich sie überhaupt ausgesprochen hatte. Doch inzwischen fürchtete ich mich davor, irgendetwas zu sagen. Wenn ich wie geplant behauptete, dass ich aus den Bergen von Atha stammte und es mittlerweile möglich war, dort einfach jemanden anzurufen, würde meine Lüge sofort auffliegen.
»Wovor fürchtest du dich?«, fragte Mael plötzlich leise. Verwirrt betrachtete ich ihn, doch mit einem Mal kam mir eine Idee. Er lieferte mir gerade die Vorlage, ein von seinem eigenen Clan geschundenes, kleines Ding zu spielen.
So beschämt wie möglich sah ich auf meine Hände und hob dann absichtlich nur sehr zögernd meinen Blick. »Ich vertraue weder dir noch ihm. Ich werde nichts sagen, doch ich kehre niemals dorthin zurück.« Ich ließ meine Stimme ganz leicht unterdrückt zittern. »Ich bin müde, es war ein langer Tag. Gute Nacht.« Scheinbar niedergeschlagen erhob ich mich und trat auf die Tür zu.
»Warte«, rief Kiljan. Unsicher blieb ich stehen, drehte mich ihm jedoch nicht zu. »Ich zeige dir dein neues Zimmer«, fuhr er fort.
Stirnrunzelnd wandte ich mich um, blickte von Mael zu Kiljan. »Ich werde niemals wieder in einem dieser Räume schlafen. Ich habe alles, was ich benötige und bleibe bei der Eiche.« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, öffnete ich die Tür.
»Du brauchst doch ein richtiges Bett«, rief er hinter mir her. »Niemand sollte auf Dauer auf dem Boden schlafen.«
Kiljan
Sam drehte sich zu mir um und schaute mich an. »Warum nicht?«, fragte sie plötzlich, und ich sah das erste Mal ernsthaftes Interesse aufblitzen.
»Wir sind keine Tiere, das ist unserer unwürdig«, antwortete ich aufrichtig und betrachtete sie. Augenblicklich flammte unbändige Wut in ihrem Blick auf.
»Unwürdig?«, entgegnete sie sichtbar fassungslos. » Unwürdig? Ich würde es eher genügsam nennen. Was bin ich in deinen Augen, wenn ich dir erzähle, dass ich noch nie ein Bett besessen habe? Arroganter Ochse«, rief sie. Wütend stapfte sie hinaus und knallte die Tür lautstark hinter sich zu.
Erschrocken zuckten wir zusammen. Ratlos und bestürzt starrten wir auf die geschlossene Tür. »Meint sie das ernst? Wie alt ist sie? Das ist doch ... Wieso ...?« Hilflos sahen wir einander an.
»Statt Antworten kommen ständig nur noch mehr Fragen hinzu.« Resigniert rieb ich mir über mein Gesicht. »Wie lief es mit den Kleinen?«, fragte ich Mael, in der Hoffnung, dass er ein wenig Licht ins Dunkel bringen könnte.
»Sie verfügt über eine unglaubliche Begabung mit ihnen. Sie verhielten sich selten so aufmerksam. Es scheint, als sei sie dort eine vollkommen andere. Doch sobald ich sie anspreche, verschließt sie sich. Ich fragte sie, worin sie ihre Erfüllung findet und ihre Antwort wird dir nicht gefallen.« Ich betrachtete ihn, spürte seine Nervosität, während er sich sichtbar unbehaglich über sein Gesicht rieb. »Töten.«
»Glaubst du ihr das etwa?« Beunruhigt musterte ich ihn.
Unschlüssig zuckte er mit den Schultern. »Ich hatte das Gefühl, sie wollte mich mit ihrer Äußerung nur provozieren. Doch als ich sie fragte, wen sie tötet, klang ihre Aussage so unglaublich bitter. So ... ich weiß nicht, wie ich es benennen soll. Ich bekam eine Gänsehaut.« Erneut strich er sich übers Gesicht.
»Verdammt, Mael. Was hat sie denn geantwortet?«, hakte ich genervt nach, weil er sich plötzlich alles aus der Nase ziehen ließ und dieses Verhalten so untypisch für ihn war.
»Abschaum.« Ernst hielt er meinen Blick.
»Was hat das bloß zu bedeuten?«, fragte ich flüsternd. »Glaubst du, sie ist eine Gefahr für uns?« Mael schüttelte den Kopf.
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