„Warst du in Amerika?“, rief er. „Warum hast du mich nicht mitgenommen?“
Felix lächelte gequält.
„War es nicht schön?“
Warum konnte der Mongo ihn nicht einfach in Ruhe lassen?
„Du hast wohl keine Lust auf zu Hause, was?“
Scheiße, Felix wollte ihn nicht so nennen.
„Soll ich dich ein Stück auf meinem Fahrrad mitnehmen?“
Felix sah hinüber zum Rand des Platzes, wo das Rad im Grünzeug hängen geblieben war. „Aber nur, wenn du nicht wieder wie ein Kamikaze-Pilot einfach abspringst!“
„Okay!“ Juri hob seinen Daumen, lief hinüber zu seinem Fahrrad und pflückte es aus dem Gebüsch.
Felix schwang sich auf den Gepäckträger. „Alles klar, Juri, fahr los!“
Monday, Monday … Würde das ein guter Tag werden? Montage sind eigenartig, ganz anders jedenfalls als andere Wochentage. Sie sind der Einstieg in eine lange Zeitstrecke, von der man nicht weiß, wie sie im Einzelnen aussehen wird. Okay, man weiß, dass am Ende Freitag ist, aber das ist auch alles. An einem Montag kann man sich auf den Rest der Woche freuen oder ihn fürchten. Schlimmer finde ich es, wenn man weder das eine noch das andere tut. Dann ist der Montag wie ein vereister See, den man betritt und nicht weiß, wo die dünnen Stellen sind. Die, an denen man einbricht. Darüber muss ich gerade nachdenken, als ich den Geranienweg verlasse und Richtung Schule abbiege. Denn es ist doch so: Würde ich einen Kalender besitzen, hätte da bisher fast an jedem Tag „Training“ gestanden. Aber das brauchte ich mir nicht aufzuschreiben, denn es war ja schon jahrelang so. Es war einfach in meinem Kopf. Jetzt ist da ein schwarzer Fleck. Zugesperrt und vernagelt. Betreten verboten. Ich frage mich: Was mache ich jetzt mit diesen ausradierten Stellen in meinem Kalender? Ganz schön viel Zeit, die sich da plötzlich auftut. Vor allem muss ich wegen Mama aufpassen. Sie wird es nicht akzeptieren, dass ich nicht mehr schwimmen gehe. Ich muss mir also etwas einfallen lassen. Meinte Opa das mit seinem: „Du schaffst das schon“?
„He, Felix, guten Morgen! Schläfst du noch?“
Er drehte sich nach der Stimme hinter ihm auf dem Gehweg um.
„Alva!“
„Ich hab dir vorhin an der Ecke schon gewunken, aber du hast überhaupt nicht reagiert. Wie war dein Wochenende?“
Oh, Alva, hüll mich ein mit deiner schönen Stimme. Ich könnte dir stundenlang zuhören. Aber frag nicht nach mir, ich hab doch gar nichts zu sagen. Für einen Moment gibt mir deine Stimme das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Aber ich bin doch nur ein dreckiges kleines Nichts. Wenn ich von der Seite deine unglaublichen Haare anschaue, erklingt ein Ton in meinem Inneren, so als würde man ein Glöckchen anschlagen. Diese Farbe! Nicht blond, nicht braun und schon gar nicht rot, aber so eine Mischung aus allem. Doch du musst verstehen, das werde ich dir niemals sagen können. Ich bin einfach viel zu scheiße für dich .
„Felix?“
„Oh, sorry.“
„Stör ich dich?“
„Ne, gar nicht, tut mir echt leid, ich war grad so in Gedanken. Mein Wochenende? War okay, ich war bei meinen Großeltern und hab Holz gehackt.“
„Das ganze Wochenende Holz gehackt? Ganz schön sportlich!“
„Na, ja, nicht ununterbrochen, nur ein bisschen. Sonst halt so das Übliche.“
Spielte Alva jemals Mensch ärgere dich nicht?
„Und wie sind die so?“
„Wer?“
„Na, deine Großeltern?“
Ich bin echt so saublöd!
„Ja, die sind total super. Echt nett. Mein Opa, der ist voll der Russlandliebhaber. Er war da im Krieg und anschließend war er nur noch Fan von diesem Land. Er kann richtig ins Schwärmen geraten, wenn er anfängt, davon zu erzählen.“
„Wirklich? Dabei waren das doch die Feinde.“
„Ja, stimmt, aber irgendwie hat er wohl kapiert, als er dort war, welchen Scheiß ihm die Nazis über die Russen eingeredet hatten.“
„Cool. Aber hat er denn nicht gegen die Russen gekämpft?“
„Mein Opa war Meldereiter, also, der war die meiste Zeit allein mit dem Pferd unterwegs und hat irgendwelche Nachrichten von einer Stellung zur nächsten gebracht. Später war er dann in Russland in Gefangenschaft.“
„Wie alt ist denn dein Opa? Ich kenne überhaupt niemanden, der Soldat im Zweiten Weltkrieg war.“
„Wir feiern im Sommer seinen Hundertsten.“
„Echt? Ist ja unglaublich! Was der alles erlebt hat. Im Krieg war sicher alles ganz schön hart. Vielleicht gab es für ihn gar keine andere Möglichkeit, als dieses Russland zu lieben, damit er das alles aushalten konnte.“
„Also, du meinst, man muss seine Feinde lieben oder so ähnlich? So ein Quatsch! Seine Feinde muss man hassen, so richtig hassen und in Stücke hauen!“
„Ey, ey, ey! Was ist denn mit dir los? Du bist ja total aggro!“
Felix zuckte mit den Schultern.
„Ich mein ja nicht die Russen. Die richtigen Feinde.“
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