Die LogikLogik (ist) die Wissenschaft von den allgemeinsten Strukturen des richtigen Denkens. (K. BERKABerka, K. / L. KREISERKreiser, L. (Hrsg.): Logik-Texte, X, XIV)
LogikLogik ist danach jene Disziplin, die für jede Wissenschaft das formale Instrumentarium bereitstellt, vermittels dessen Aussagen nicht beliebig oder willkürlich, sondern als konsistente, systematische Argumente formuliert werden, d.h. mit den Mitteln der LogikLogik werden Aussagen, Sätze, Thesen, Urteile etc. allererst wahrheitsfähigWahrheit und wissenschaftlich relevant.
Für die Ethik ist die Logik in zweierlei Hinsicht von Bedeutung.
Zum ersten hat es die Ethik mit moralischen Urteilen über geschehene oder geplante Handlungen zu tun.
Beispiele:
Du solltest deinem Sohn trotz allem, was er dir angetan hat, noch eine Chance geben.
Du hast deinen Freund ungerecht behandelt.
Biete dem alten Herrn mit dem Stock deinen Platz an.
Die Aufgabe der Ethik besteht hier als »ethische LogikLogikethische« darin, die Eigenart solcher Urteile zu klären: ob sie logischen Kriterien genügen und somit wahrheitsfähig sind oder nicht. So hat z.B. bereits ARISTOTELESAristoteles in seiner Analyse der Struktur menschlichen Handelns die formale Denkfigur des praktischen Syllogismus verwendet.
Beispiel:
A erstrebt Z.
Zur Erreichung von Z ist M das geeignetste Mittel.
A muss M tun, um Z zu erreichen.
Diese Denkfigur des praktischen Syllogismus wird heute vielfach in der deontischen LogikLogikdeontische (auch imperativische oder Normenlogik genannt (vgl. Kap. 6.2.1)) zur Ableitung einer Handlungsanweisung aus einem allgemeinen Gebot und einer auf eine bestimmte Situation bezogenen Tatsachenaussage benutzt.
Beispiel:
Versprechen soll man halten. Du hast B gestern versprochen, ihm das geliehene Geld morgen zurückzugeben. Du sollst B das geliehene Geld morgen zurückgeben.
Hier wird schon durch die Formulierung deutlich, dass der Schlusssatz im praktischen Syllogismus aus zwei (oder auch mehr) Prämissen gewonnen wird, von denen mindestens eine – in unserem Beispiel ist es der Obersatz – ein normativer Satz ist. Allgemein gilt also: Beinhaltet die conclusio ein Sollen, so muss sich unter der Prämissenmenge, aus der die conclusio gefolgert wird, mindestens ein Sollenssatz befinden. In der Regel ist der Obersatz ein solcher Sollenssatz, während der Mittelsatz eine empirische Aussage ist.
Ein weiteres Beispiel:
Wer ernsthaft den Frieden will, soll gegen Waffen jeder Art protestieren.
Morgen findet in H eine Friedensdemonstration statt. Peter ist Pazifist.
Peter soll morgen an der Friedensdemonstration in H teilnehmen.
Die Ethik bedient sich also zum ersten als ethische Logik der allgemeinen Logik, um die Struktur moralischer Urteile zu systematisieren.
Zum zweiten bedarf die Ethik der LogikLogik, um ihre eigenen ethischen Aussagen auf ihre WahrheitWahrheit hin zu überprüfen.
Beispiele:
Freiheit ist ein unhintergehbares ethisches Letztprinzip.
Moralische Urteile behaupten nicht eine Tatsache, sondern gebieten eine in einer bestimmten Weise qualifizierte Handlung.
Die Aufgabe einer »Logik der EthikLogikder Ethik« besteht im Wesentlichen in einer Methodenkritik. Sie untersucht die von ihr gemachten Aussagen im Hinblick darauf, wie sie methodisch gewonnen und argumentativ begründet werden.
Sofern die Ethik sich selbst kritisch auf ihr eigenes Verfahren zurückwendet und mit den Mitteln der Logik die Form ihrer Urteile über das Verhältnis von Moral und Moralität analysiert, wird sie nicht mehr als Ethik im eigentlichen (normativen) Sinn, sondern vielmehr als Metaethik Metaethik betrieben, d.h. sie reflektiert vorrangig nicht ihren Gegenstand – das Verhältnis von Moral und Moralität im Kontext menschlichen Handelns –, sondern untersucht die Art und Weise, wie sie ihren Gegenstand reflektiert. Sie analysiert die logischen Bedingungen, unter denen sie als Ethik möglich ist, und erst durch diese metaethische Kritik oder ethische Selbstkritik erweist sie als Logik der EthikLogikder Ethik ihre Aussagen als wahr.
2.3 Teildisziplinen der Ethik
Als Ergebnis unserer bisherigen Überlegungen ist festzuhalten: Die Ethik, sofern sie das Verhältnis von Moral und Moralität im Kontext menschlicher Praxis bedenkt, ist eine eigenständige Disziplin der Philosophie. Gleichwohl greift die Ethik auf die Erkenntnisse anderer praktischer wie theoretischer Disziplinen der Philosophie zurück, was bestimmte, an sich selber nicht ethische, aber ethisch relevante Aspekte ihres Gegenstandes bzw. des Wissens über ihren Gegenstand anbelangt.
Beispiele:
die äußere Regelung des zwischenmenschlichen Verhaltens im Zusammenhang einer Gemeinschaft von Handelnden (Politik, Rechtsphilosophie)
die Natur der Handelnden (Anthropologie)
die Gemeinschaft von Handelnden übergreifende Sinnentwürfe (Metaphysik)
die formale Struktur moralischer und ethischer Argumente (Logik).
Durch Einbeziehung derartiger Überlegungen versucht die Ethik, sowohl ihr materiales als auch ihr formales Wissen so zu vervollständigen, dass sie in der Lage ist, im Anschluss an ethische Grundlagenreflexionen die zur Ethik hinzugehörenden Teildisziplinen PragmatikPragmatik und Metaethik auszubilden. Zur wirksamen Durchsetzung ihrer Ziele in einer konkreten Praxis bedarf die Ethik der Pragmatik Pragmatik als einer Lehre vom richtigen Handeln, so wie sie zur Kritik ihrer selbst als Wissenschaft der Metaethik bedarf.
Wir gebrauchen den Ausdruck PragmatikPragmatik hier nicht im semiotischen Sinn wie etwa Charles W. MORRISMorris, Ch.W., für den die PragmatikPragmatik »der Teil der Semiotik [= Zeichenlehre] ist, der sich mit dem Ursprung, den Verwendungen und den Wirkungen der Zeichen im jeweiligen Verhalten beschäftigt« (Zeichen, Sprache und Verhalten, 325). Damit hat ›PragmatikPragmatik‹ für uns eine eingeschränktere Bedeutung als für Karl-Otto APELApel, K.-O., der im Anschluss an den »Pragmatismus« von Charles Sanders PEIRCEPeirce, Ch.S. eine sprachpragmatische Ethikkonzeption entwickelt hat, der zufolge die Gültigkeit von Normen in praktischen Diskursen überprüft werden soll. Wir hingegen sprechen von ›PragmatikPragmatik‹ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: PragmatikPragmatik im ethischen Sinn ist die Lehre vom richtigen HandelnHandeln/Handlung (von griech. pragma – Handeln, Tun, Tätigkeit).
Pragmatische Überlegungen zielen nicht auf die von der Ethik als Moralität begriffene Qualität einer Praxis, sondern auf eine singuläre HandlungHandeln/Handlung, die auf optimale Weise geeignet ist, das erstrebte Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Pragmatische VernunftVernunft ist instrumentelle VernunftVernunft, die die zur Verfügung stehenden Mittel bezüglich ihrer Wirksamkeit zur Durchsetzung des Gewollten, d.h. des erstrebten Ziels oder Zwecks durchgeht und das beste Mittel als die gesollte HandlungHandeln/Handlung auswählt.
Pragmatisch gesehen ist eine HandlungHandeln/Handlung immer dann gut, wenn sie zum gewünschten Erfolg führt, unabhängig davon, ob das Ziel moralisch ist oder nicht. So ist z.B. Arsen ein ebenso gutes Mittel, um jemanden, den man umbringen will, zu töten, wie ein Boot ein gutes Mittel ist, um einen Nichtschwimmer, der ins Wasser gefallen ist, vor dem Ertrinken zu bewahren.
Daher hat KANTKant, I. alle pragmatischen und technischen Handlungsweisen als hypothetische Imperative Imperativhypothetischer (der Klugheit bzw. der Geschicklichkeit) bezeichnet, die keine unbedingte (kategorische) Gültigkeit haben, sondern nur bedingt als verbindlich gelten:
Wenn du A willst, musst du x tun. Erst wenn das Wollen des Ziels A selber noch einmal kritisch daraufhin hinterfragt wird, ob man wollen kann, jedermann solle Ziel A erstreben, ist die HandlungHandeln/Handlung sowohl moralisch gut als auch pragmatisch richtig.1
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